Supralibros. Besitzerzeichen auf Einbänden
Eine besondere Art der Verzierung von Einbänden ist das Supralibros, auch Superexlibris oder Außenexlibris genannt.
Im Gegensatz zum innen eingeklebten Exlibris findet man sie auf der Außenseite des Vorderdeckels, manchmal auch zusätzlich auf der des Hinterdeckels, zuweilen sogar am Buchrücken. Es dient als Besitzerzeichen, denn es stellt Initialen, Monogramm, Namen, Wappen, Wahlspruch oder ein Portrait des Bucheigentümers dar, manchmal sogar datiert. Wie das Exlibris ist es Ausdruck des Besitzanspruches und des Besitzerstolzes und dient neben dem Eigentumsvermerk auch der Verzierung des Bucheinbandes. Damit ist es von hoher Aussagekraft für die Einbandforschung allgemein und die individuelle Besitzgeschichte des einzelnen Bandes.
Die UB Klagenfurt hat die Supralibros in einem eigenen Einbandkatalog erfasst und nach Schmuckmotiven ausgewiesen: Das reicht von einfachen Monogrammen und stilisierten Lilien hin bis zu reich geschmückten Wappen mit Helmbusch, Namen des Besitzers und Datierung. Viele besondere Stücke stammen aus der Goëss-Bibliothek, einer lokalen Adelsbibliothek aus dem 18. Jh., die seit 1806 im Besitz der Bibliothek ist. Seit 1995 bereichern auch Stücke aus der Rara-Sammlung im Karl-Popper-Archiv mit besonderen Supralibros die eigenen Bestände.
Die älteste und einfachste Form des Besitzvermerkes ist der handschriftliche Eintrag des Namens. Sie war schon im frühen Mittelalter gebräuchlich, sowohl bei privaten Besitzern wie in Klosterbibliotheken.
Ab dem 15. Jh. kommen zwei neue Arten der Besitzkennzeichnung auf: das Exlibris und das Supralibros, meist bei bücherliebenden Einzelpersonen aus dem Kreis der Adeligen, Gelehrten und wohlhabenden Bürger: Namen, meist abgekürzt, und bildliche Zeichen auf den Buchdeckeln.
Die Auflösung der blind-, schwarz- oder goldgepressten Buchstaben und Devisen und die auf diese Weise angedeuteten Besitzer ist nicht immer möglich. Monogramme können den Namen des Besitzers meinen, aber auch den einer gefeierten Person bei Widmungseinbänden. Oft helfen Wappen und handschriftliche Einträge aus dem Buchinneren bei der Auflösung der Abkürzungen. Diese Art der aufzählenden Aufschriften auf den Buchdeckeln kommt vorzugsweise im 16. und 17. Jh. in Deutschland vor.
Supralibros-Initialen „D.M.A.“ in Goldprägung
Cicero, Marcus Tullius (v109-v43):
In Hoc Volumine Haec Continentur. Rhetoricorum ad C. Herennium lib.
Venetiis: In Aedibus Aldi, Et Andreae Soceri, 1521
Provenienz: Karl Popper
Universitätsbibliothek Klagenfurt: Signatur PO I 556913
Krone mit verschlungenem Monogramm „AM“
Johann Heinrich Gottlob von Justi (1717-1771):
Vergleichungen der Europäischen mit den Asiatischen und anderen vermeintlich Barbarischen Regierungen.
Berlin, Stettin und Leipzig: Johann Heinrich Rüdigers, 1762
Universitätsbibliothek Klagenfurt: Signatur ES I 3741
Blindstempel mit Initialen I.V.P
Livius, Titus (v59-17):
T. Livii Patavini, Historiarum ab vrbe condita, Libri, Qvi Extant, XXXV.
Venetiis: Apud Paulum Manutium, Aldi F. 1566
Provenienz: Lord Mostyn’s Library. Karl Popper
Universitätsbibliothek Klagenfurt: Signatur PO II 556925
In Renaissance und Barock mit dem Aufkommen großer Privatbibliotheken vornehmlich im Frankreich des 15. und 16. Jahrhunderts werden Supralibros mit Wappen, Monogrammen und Wahlsprüchen beliebte Bestandteile des Einbanddekors. Die Entwicklung geht dem Stilprinzip der Renaissance folgend mit flächigen, filigranen, zierlichen Formen aus Einzelstempeln oder auch Platten in Blind- und Goldpressung bis hin zum maniristischen Stil des 17. Jhs., der reich vergoldeten Dekors liebt, perspektivisch gestaltete Stempel, aufrollende Voluten: das Supralibros wird damit ein im Mittelfeld platzierter, ins Gesamtkonzept der Einbanddekoration integrierter Teil.
Die eingedruckten Jahreszahlen sind meist auch die Bindejahre der betreffenden Einbände.
Wappen mit doppeltem Helmbusch
Weick, Johann Andreas, um 1647: Disputatio De Tutelis.
Salisburgi: Ex Typographéo Christophori Katzenbergeri, Die Novembris Anno M. DC. XLVII., 1647.
Universitätsbibliothek Klagenfurt: Signatur GO I 992
Gekrönter Doppeladler, gekrönter doppelschwänziger Löwe im Lorbeerkranz (rechts)
Gersdorff, Nicolaus von:
Artickel deß allgemeinen Landtags-Schlusses, so auff dem Königl: Prager Schloß, auff dem dritten Septembris im Ein Tausent Sechshundert Sieben und funfftzigsten Jahr außgeschrieben, …
Prag: bey Ludmilla Sedlczanskyn, M.DC.L.VIII., 1658
Universitätsbibliothek Klagenfurt: Signatur GO I 2938
Wappen mit Aufschrift
N. D. C. D. ANTONIUS COMES LODRON I. ZI. 1563
Martin Chromer (1512-1589):
Mitnächtischer Völkeren Historien. Basel: Petri & Perna, 1562.
Vorbesitzer: R.B. 1680
Brauner Lederband, datiert, mit rollengedrucktem Rahmen in Blinddruck (die vier Aposteln, jeder in einem Buch lesend) und vergoldetem Mittelfeld mit heraldischem Supralibros: Anton Graf von Lodron (1536-1615), Domherr und Kapitular des Salzburger Domkapitels.
Sein Motto ist dem Namen vorangestellt, es lautete aufgelöst: „Nil desperandum Christo Duce“.
Universitätsbibliothek Klagenfurt: Signatur GO II 4124
Königskrone über Wappen mit 3 Lilien im Lorbeerkranz
Estat Av Vray Dv Bien Et Dv Revenv Tant ordinaire que Casuel De l’Hostel-Diev De Paris, & de sa Dépense iournaliere:
A Paris, M.DC.LXIII. 1663.
Universitätsbibliothek Klagenfurt: Signatur GO III 4234
Wappen mit Kardinalshut im Lorbeerkranz. 1588
Bernard de Girard Du Haillan, 1535-1610:
L‘ Histoire De France : [Genève], Par Pierre de Sainct-André, M.D.LXXX. 1580
Deokrativer Oberschnitt.
Exlibris: Abt Albert Reichhart von Sankt Paul (1677–1727)
Provenienz: in Usum Monrij S. Pauli 1683.
Universitätsbibliothek Klagenfurt: Signatur ES I 5087,2
Wappen der Kurpfalz im Lorbeerkranz
Karl Theodor, Pfalz, Kurfürst, 1724-1799:
Nos Carolus Theodorus Dei Gratia Comes Palatinus Rheni, …
Mannhemii, apud Nicolaum Pierron, 1760
Satzungen des dem Heiligen Hubertus geweihten Ritterordens.
Universitätsbibliothek Klagenfurt: Signatur GO III 658
Wappen mit Kardinalshut
Benaglia, Antonius:
Theses Theologicæ Publicæ Disputationi expositæ A Clericis Regularibvs S. Andreæ de Ualle. Romæ: Ex Typographia Josephi Uannaccij, MDC.XCV., 1645
Wappen des Johann Freiherrn von Goëss, Bischof von Gurk und Kardinal (1611-1696)
Universitätsbibliothek Klagenfurt: Signatur GO II 2811
Wappen mit Kardinalshut
Ordinationi E Statvti Della Ven. Archiconfraternità Di Santa Maria Della Pieta In Campo Santo Delle Nationi Teutonica…
In Roma, Nella Stamperia della Reu. Cam. Apost., 1683
Supralibros auf Hinterdeckel: Johann Freiherr von Goëss, Bischof von Gurk und Kardinal
Universitätsbibliothek Klagenfurt: Signatur GO I 3858
Vorderdeckel:
Wappen, daneben Löwe mit griechischem Kreuz und Krone. Umschrift: JUSTITIA ET CLEMENTIA.
Hinterdeckel:
gekrönter Löwe in rotem Feld
Ceva, Tommaso, 1648-1737: Philosophia Novo-Antiqua.
Venetiis : Ex Typographia Gasparis Girardi, MDCCXXXII., 1732
Mit Zierinitialen und Schmuckvignetten.
Exlibris: Ad usum P. ARSENII PLATNER DE VILLCO; Ordin. Minor. S. Francisci Conventualium. 1766
Universitätsbibliothek Klagenfurt: Signatur ES I 241,1/3
Ovales, gekröntes Wappen im Lorbeerkranz
links: 3 Löwen, rechts: oben und unten Lilien, Mittelfeld gekreuzt.
Epigrammatum Selectorum Libri Tres Ad usum maxime scholarum.
Bergomi: Apud Petrum Lancellottum, MDCCXLVI, 1746
Exlibris: Bibliothecae Humaniorum Clagenfurti 1777
Universitätsbibliothek Klagenfurt: Signatur ES I 3177
Wappen der Königreiche Frankreich und Navarra unter dem Haus Bourbon
Wappen Heinrichs IV. als König von Frankreich (links) und Navarra (rechts) mit Königskrone mit Spruchband „MANET VLTIMA CAELO“, Lorbeer und Kette aus verschiedenen ineinander verschlungenen Initialen. Das Motto wurde mehrfach von französischen Königen verwendet. Die gekrönte Initale „L“ steht vermutlich für Louis Antoine d’Artois, duc d’Angoulême, bekannt als Ludwig XIX (1775-1844), der in Görz verstorben ist und dort begraben liegt.
Gaudinus, Jacobus: Assumptio Mariae Virginis Vindicata.
Parisiis: Apud Franciscum Muguet, MDCLXX, 1670
Universitätsbibliothek Klagenfurt: Signatur GO I 3486
Gegenüber dieser Vielfalt zeigt sich zum 18. Jahrhundert hin eine Tendenz zu Ernüchterung und Vereinfachung: Der Einbandschmuck findet sich nun hauptsächlich auf den Rücken der Bände, die nebeneinandergestellt den dekorativen Charakter der prunkvoll ausgestatteten Barockbibliothek miterschaffen.
Das mittlere Wappen gilt nur noch als reines Besitzerzeichen.
Bände mit Supralibros aus berühmten Privatbibliotheken werden gerne auch als Provenienzexemplare bezeichnet, wie die Beispiele aus der Sammlung Fortescue und von Jacques De Thou zeigen. Bei ihm findet man je nach Lebensabschnitt und Familienstand sogar verschiedene Varianten seines Wappens.
Wappen de Thou und La Chastre
Spruchband mit Namensnennung: „AVGUST.THV“ im Lorbeerkranz und verschlungenen Initialen („IAGG“)
Jacques-Auguste de Thou (1553-1617), latinisierte Namensform „IAC. AVGUST. THVANVS“, war französischer Historiker und Politiker, der in Frankreich die größte Bibliothek seiner Zeit besaß. Das Supralibros entstand nach 1602, dem Jahr der Eheschließung mit seiner Gemahlin Gasparde de La Chastre (1577-1616). Es vereint beider Wappen und trägt auch das gemeinsame Monogramm „IAGG“. [Doppelung der Vornamensinitiale.]
Johannes Kepler (1571-1630): Harmonices Mundi libri V. Linz: J. Planck für Gottfried Tampach, 1619.
Erstausgabe.
Exlibris: Robert B. Honeyman IV., Karl Popper
Universitätsbibliothek Klagenfurt: Signatur PO 155
Wappen des Königreichs Lombardo-Venetien
(1815 gegründet und bis 1859/66 ein Land innerhalb des Kaisertums Österreich. Schlange: Lombardei, Markuslöwe: Venetien) mit Doppeladler, darüber schwebend die Kaiserkrone, goldgepresst auf geprägtem roten Maroquin.
Ferrari, Bartolommeo:
Verità Della Religion Cristiana E Necessità Della Rivelatione. Milano: Per Giovanni Silvestri. M.DCCC.XVI. [1816]
Einband: geprägtes rotes Maroquin mit goldgepressten Verzierungen: umlaufendes Spitzenband; Rücken: 6 Felder mit Gittermaschen; Dublüre: Kanten- und Innenkantenvergoldung; blassvioletter Spiegel mit umlaufendem Blinddruckzierrat.
Sehr selten; eventuell für Franz I., Kaiser von Österreich (1768-1835), der seine ersten 16 Lebensjahre in der Toskana verbrachte hatte.
Universitätsbibliothek Klagenfurt: Signatur ES I 3701
Wappen Fortescue
Blindruck- Supralibros mit Umschrift: Hon.Bl.George.M.Fortescue
Das ist: Hon. George M. Fortescue, 1791–1877.
Statius, Publius Papinius, 45-96:
Statii Sylvarvm Libri Qvinqve Thebaidos Libri Dvodecim Achilleidos Dvo.
Venetiis: In Aedibus Aldi. Mense Augusto M,DII. [1502]
Kalbsledereinband mit goldgepressten Rahmenleisten.
Vorbesitzer: 1971 von Karl Popper bei Sotheby´s erworben.
Universitätsbibliothek Klagenfurt: Signatur PO I 556953
Wappen der Signet Library
gekröntes Wappen der Signet Library, Edinburgh mit Umschrift:
„THE SOCIETY OF WRITERS TO THE SIGNET“
„The Signet“ war das private Sigel der schottischen Könige. Die „Writers to the Signet“ waren beauftragt, die Verwendung des Sigels zu überwachen. Die Society of Writers to Her Majesty’s Signet ist eine private Vereinigung von schottischen Anwälte aus dem Jahr 1594 und Teil des College of Justice. Die Society unterhält die Signet Library des Parlaments in Edinburgh.
Malebranche, Nicolas (1638-1715): Recherche de la vérité. Tome second. A Paris: Chez les Libraires Associés M. DCC. LXXII. 1772.
Universitätsbibliothek Klagenfurt: Signatur PO 169,2
Wappen mit Kardinalshut
Supralibros des Christ Church College der University of Oxford mit Textband:“ ÆDES CHRISTI IN ACAD OXON“
In Oxford wird das Christ Church College meist als „The House“ abgekürzt, was sich aus dem lateinischen Namen des Colleges ableitet: Ædes Christi (Das Haus/der Tempel Christi). Es wurde von Kardinal Thomas Wolsey (1473-1530) gegründet; der originale Kardinalshut, das Symbol des Colleges, wird heute noch in der Collegebücherei aufbewahrt.
Leibniz, Gottfried Wilhelm (1646-1716): Opera philosophica quae exstant Latina Gallica Germanica omnia. Berlin: Eichler 1840.
Vorbesitzer: K. R. Popper
Universitätsbibliothek Klagenfurt: Signatur Nr. 162,1
Im 19. Jahrhundert findet man Supralibros häufig auf Preisbüchern:
Wie die auch beliebten Fleißkärtchen, Fleißbillets, Lobbildchen oder -zettel wurden diese Bücher als Preise am Ende des Schuljahres wegen „das ganze Jahr hindurch bewiesenen anhaltenden Fleißes zur Belohnung und weiteren Aufmunterung“ an die besten Schüler der Klasse vergeben wurde. Der Namen des ausgezeichneten Schülers wurde bei den aufwändigsten Exemplaren auf dem Vorderdeckel oft sogar in Golddruck aufgeprägt. Der Rückendeckel trägt manchmal die Jahreszahl der Verleihung.
Wappen University London
Supralibros des University College London mit Lorbeerkranz und Umschrift:
„UNIVERSITY COLLEGE LONDON. FOUNDED. A.D.1827“
Preisbuch–Widmung von 1863, das signiert ist von Professor Augustus De Morgan (1806-1871), einem hervorragenden Mathematiker und Logiker, der mit seinen Arbeiten den wissenschaftlichen Weg für Boole breitet. Der Name des Empfängers des Preisbuches wurde allerdings entfernt:
Handschriftlicher Eintrag Poppers:
„This volume bears the signatur of Augustus de Morgan, 1806-1871 author of Formal Logic, and oft the famous two DeMorgan Laws. He awarded this book in 1863 to an unknows student whose name was erased when I bought this book. K.R.P.“
Lagrange, Joseph Louis, de (1736-18313): Théorie des fonctions analytiques.
Paris: Courcier 1813
Vorbesitzer: Karl Popper.
Universitätsbibliothek Klagenfurt: Signatur Nr. 158
Supralibros Mittelberger Francisco
Auf dem Hinterdeckel das Jahr der Preisvergabe: 1836
Homerus, ca. 8. Jh v. Chr.:
Homer’s Odyssee / erläutert von J. St. Zauper. Bd.2. – Wien: Bey Friedrich Volke. 1828
Universitätsbibliothek Klagenfurt: Signatur ES I 22152,2
Wappen mit Krone, Hinterdeckel: „Bene meritis“
Loher, Georg Michael, 1739- : Georg Michael Lohers Reichsgräfl. Fugger-Babenhausischen Rechnungs-Revisors, Analytische Rechnungs-Tabellen. Zu finden bey dem Verfasser, gedruckt mit Mayerischen Schriften, Memmingen 1787
Provenienz: gesp[endet] von Meicher Berthol., Pfarrer in Maria Gail
Universitätsbibliothek Klagenfurt: Signatur ES I 20070
Quicklinks
Plattformen
Informationen für
Adresse
Universitätsstraße 65-67
9020 Klagenfurt am Wörthersee
Austria
+43 463 2700
uni [at] aau [dot] at
www.aau.at
Campus Plan