Nibelungenlied
Hundshagenscher Kodex Berlin, SB, Ms. germ. fol 855, 148v Hildebrand bittet die Burgunden um den Leichnam Rüdigers
Das Nibelungenlied
Das Nibelungenlied gilt als eines der bedeutendsten Werke der mittelalterlichen epischen Heldendichtung. Es erzählt von den sagenhaften Abenteuern zahlreicher tapferer Helden, wie beispielsweise Siegfried, Hagen, Dietrich oder Rüdiger. Der Nibelungenstoff verarbeitet dabei im Wesentlichen historische Ereignisse, die sich im Zuge der sogenannten Völkerwanderungszeit zugetragen haben. Dementsprechend basieren auch einige der Charaktere auf historischen Vorbildern. Bis ins Hochmittelalter hinein wurde der Nibelungenstoff vorwiegend mündlich tradiert. Die schriftliche Erstfassung des Werkes entstand wohl im Umfeld des Bischofs Wolfger von Erla, der zwischen 1191 und 1204 den Passauer Bischofsstuhl innehatte und als Förderer deutschsprachiger Literatur galt. Sowohl die verwendete Reimtechnik als auch die bairisch-österreichische Schriftsprache erhärten den Verdacht, dass das Nibelungenlied an der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert in der Gegend um Passau verschriftlicht wurde. Der Verfasser der schriftlichen Erstfassung des Nibelungenliedes blieb allerdings anonym. Heute liegt das Nibelungenlied in drei Hauptfassungen (A, B und C) vor, die sich in Textgestaltung und -länge teilweise deutlich voneinander unterscheiden. Insgesamt sind bisher 37 vollständige und fragmentarische Nibelungenhandschriften bekannt.
Nibelungenlied Z, Klagenfurt, UB, PE 46, 1r
Nibelungenlied Z (PE 46)
Das Klagenfurter Nibelungenfragment wurde im Jahre 1926 von Hermann Menhardt im Zuge der Erfassungsarbeit für die Handschriftenverzeichnisse österreichischer Bibliotheken in den Beständen der Studienbibliothek zu Klagenfurt entdeckt und erstmals in der Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur beschrieben. Das Fragment besteht aus 25 zerschnittenen Pergamentstreifen, die zum Schutz der Lagenbindung in den Falzen der Handschrift PA 152 eingearbeitet wurden. Zusammen ergeben diese Streifen vier Blätter, die bruchstückhaft Teile der 37. und 38. Aventiure des Nibelungenliedes, nach Fassung C, wiedergeben. Menhardt erhob das Klagenfurter Nibelungenfragment zum ältesten erhaltenen Textzeugnis des Werkes und spielte sogar mit dem Gedanken, es ans Ende des 12. Jahrhunderts zu datieren. Aktuell geht man allerdings davon aus, dass das Klagenfurter Nibelungenfragment nicht vor dem 2./3. Viertel des 13. Jahrhunderts zu datieren ist. Niedergeschrieben wurde der Text in bairisch-österreichischer Schriftsprache.
Die Verse des Klagenfurter Nibelungenfragmentes (2185,3–2271,3) sind nur lückenhaft erhalten. Als Hermann Menhardt das Fragment aus der Handschrift PA 152 herauslöste, war der darauf geschriebene Text noch einigermaßen lesbar. Heutzutage sind die Schriftzeichen nahezu vollständig verblasst. Ultraviolettes Licht lässt die Buchstaben allerdings wieder zum Vorschein kommen.
Überlieferung des Nibelungenliedes, Fassung C
- Donaueschingen, Fürstenbergische Hofbibliothek, Ms. 63 Fürstl., C
- München, Bayrische Staatsbibliothek, Cgm. 31, D
- Berlin, Deutsche Staatsbibliothek, Fragment 44, Ε
- Karlsburg, Battyaneum-Bibliothek zu Alba-Iulia, F
- Nürnberg, Germ. Nationalmuseum, H. 22066., R
- Prag, Universitätsbibliothek, Fragment, S
- Nürnberg, Germ. Nationalmuseum, S. D. 3701, U
- Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Ms. 14281 (Suppl. 1722), X
- Klagenfurt, Universitätsbibliothek, PE 46, Z
- Genf-Cologny, Bibliotheca Bodmeriana, Cod. Bodmer 117, a
- Berlin, Staatsbibliothek, Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. fol. 855, b
Transkription und Übersetzung
PE 46, 1r – Auszug
2192 | Mich hât mîn herre Dietrîch her zuo ziu gesant:
ob erslagen hête iuwer deheines hant den edeln marchgrâven, als uns ist geseit, wir enkunden überwinden niht diu groezlichen leit.‘ |
Mich hat Dietrich, mein Herr, zu Euch gesandt.
Hätte einer von Euch den hochgeborenen Markgrafen erschlagen, wie man uns berichtet hat, könnten wir den Schmerz, den Schaden nicht verwinden.“ |
2193 | Do sprach der grimme Hagene: ‚daz maere ist ungelogen.
wie wol ich iu des gunde, het iuch der bot betrogen durch Rüedegeres liebe, daz lebte noch sin lip, den immer mugen weinen bediu man und ouch diu wip.‘ |
Da sagte der tapferer Hagen: „Die Nachricht stimmt.
Ich wünschte sehr für Euch, dass Euch der Bote falsch berichtet hätte – und wünschte wegen Rüdiger, dass er noch lebte, den Männer und Frauen immer beweinen müssen.“ |
[Edition nach Henning 1977; Übersetzung nach Heinzle 2014: Die fettgedruckten Stellen markieren jene Textausschnitte, die sich auf dem Fragment befinden]
Theologische Sammelhandschrift, Klagenfurt, UB, PA 152, 193v
Foto PA152©aau/ub (Besitzverweis des Konrad Hünfeld wurde in Purpur hervorgehoben)
Der Trägerband PA 152
Das Klagenfurter Nibelungenfragment (PE46) wurde aus den Falzen der Handschrift PA 152 herausgelöst. Es handelt sich dabei um eine theologische Sammelhandschrift in lateinischer Sprache, die auf 319 Papierblättern unterschiedliche Texte von verschiedenen Schreibern in sich vereint. Die PA 152 ist darüber hinaus grundsätzlich in zwei Teile gegliedert, die erst nachträglich zusammengefügt wurden. Da einer der Teile einen Text enthält, der auf das Jahr 1409 datiert wird, kann die Handschrift erst danach gebunden worden sein. Eine Besonderheit dieser Handschrift ist der Vermerk des Vorbesitzers.
Konrad Hünfeld
Iste liber est domini Chuenradi Hewenfeld de Tuederstat Maguntiensis dioecesis. Dieser Besitzvermerk findet sich auf Bl. 193v der PA 152. Das Buch gehörte also urpsprünglich einem Herrn Konrad Hünfeld aus Duderstadt in der Diözese Mainz. Zu seiner Person haben sich nur spärliche Informationen erhalten. Hünfeld immatrikulierte sich nach Ostern 1392 an der Universität Erfurt und war zu diesem Zeitpunkt bereits Mönch in der Benediktinerabtei Fulda. Von dort aus wurde er vermutlich um 1400 mit einigen Aufgaben im südddeutschen und österreichischen Raum betraut. Hünfeld führte auf seiner Reise nach Süddeutschland wahrscheinlich die einzelnen Teile der PA 152 mit sich und ließ sie dort binden. Nach seinem Tod ging die PA 152 in den Besitz des Benediktinerstiftes Millstatt über.
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