Die heilige Dorothea
Fresko, Pfarrkirche Malta (nahe Millstatt). Dorothea mit einem Kind, das einen Korb trägt.
Foto: Wikipedia, public domain
Das Erkennungszeichen auf Darstellungen der heiligen Dorothea ist ein Korb, den ein Kind oder sie selbst trägt.
Die Legende erzählt, dass die heilige Dorothea eine Braut Christi war. Auf dem Weg zu ihrer Hinrichtung wird sie von Theophilus verhöhnt: Sie möge ihm ein paar Rosen und Äpfel aus dem Garten ihres Bräutigams (dem Paradies) bringen. Obwohl es mitten im Winter ist, erscheint darauf ein Engelskind und bringt das Gewünschte in einem Korb. Theophilus bekehrt sich zum Christentum.
Kärntner Landesarchiv, Geschichtsverein-Handschriften, Legenden von der hl. Dorothea und der hl. Katharina (AT-KLA 118-A-6/30 St), fol. 9v
Die Legendensammlung in einem Pergamentband des 14. Jahrhunderts
Die Fragmente 6/30 des Geschichtsvereins für Kärnten enthalten eine Dorothea-Verslegende und den Anfang einer Katharinen-Legende in südbairischem Dialekt. Offenbar waren sie Teil einer Legendensammlung. Die Schrift ist eine Textura aus der ersten Hälfte des 14. Jhs. Von dieser gestalterisch herausragenden Bearbeitung der Legende sind nur noch zwei Handschriftenfragmente erhalten, eines in Klagenfurt und eines in Nürnberg.
Die dichterischen Bearbeitungen der Dorothea-Legende wurden von Lotte Busse in ihrer Dissertation über die Legende der heiligen Dorothea im deutschen Mittelalter analysiert. Der rein künstlerische Wert vieler Bearbeitungen ist nicht allzu hoch zu veranschlagen. Die Klagenfurter und Nürnberger Fassung weichen in Form und Inhalt davon ab. Der Verfasser war ein Kleriker, der auch weltliche Literatur kannte und für ein fein gebildetes Publikum schrieb.
Vermutlich im 15. Jh. wurden die Pergamentblätter mit der Dorothea Legende für Buchbindearbeiten an einer Riesenbibel aus dem 12. Jh verwendet und in den Buchdeckel eingeklebt. Nach Ansicht der Zeitgenossen hatte der Pergamentband, aus dem sie stammen, wohl aufgrund der höfischen Erzählweise ca. ein Jahrhundert nach seiner Herstellung nur noch den Wert des Beschreibstoffes.
Im 19. Jh. wurden diese eingeklebten Pergamentblätter von Gottlieb Freiherr von Ankershofen, dem ersten Direktor des Geschichtsvereins für Kärnten, wieder herausgelöst und an Josef Diemer zu wissenschaftlicher Benützung übergeben. Diemer erstellte den ersten Abdruck von der Klagenfurter Fassung der Dorothea Legende. In seiner Einführung schreibt er von dem Schönen und Zarten, was sich wenigstens teilweise in unserer Bearbeitung findet, und stellt die seinerzeit aktuelle Frage, ob hier wohl ein Nachklang der alten geistlichen Poesie in Kärnten vorliegt.
Nach der Rückgabe der Pergamentfragmente an den Geschichtsverein für Kärnten wurden diese getrennt von der Riesenbibel aufbewahrt. Der Zusammenhang zwischen den Fragmenten der Dorothea Legende und der Riesenbibel als Trägerband ging damit verloren.
Kärntner Landesarchiv, Geschichtsverein-Handschriften, Biblia (AT-KLA 118-A-4/6-1 St), Vorderdeckel Innenseite
Eine Riesenbibel als Trägerband
Diese Handschrift enthält verschiedene Bücher der Bibel und ein Homiliar. Mit den Seitenmaßen von 53,8 x 34,5 cm hat sie nicht nur einen hohen repräsentativen Status. Das Format verweist auch auf einen Gebrauch im größeren Rahmen der Liturgie der religiösen Gemeinschaft.
Für Buchbindearbeiten an dieser Handschrift wurden die einzelnen Blätter und Streifen des zerschnittenen Pergamentbandes mit der Dorothea-Legende benutzt. Sie wurden als Spiegelblätter und Falzblätter für die wertvolle Bibel wiederverwertet. Durch die spätere Herauslösung der Pergamentblätter und die getrennte Aufbewahrung ging das Wissen um den Zusammenhang der beiden Handschriften verloren.
Wege der Forschung
Hermann Menhardt erkannte im Einbanddeckel der Riesenbibel einen Abklatsch, der nach der Ablösung von einigen Pergamentblättern zurückgeblieben war, und notierte in seiner Handschriftenbeschreibung, dass es sich um einen deutschsprachigen Text handelt. Erst nach dem Druck seiner Handschriftenbeschreibung im Jahr 1927 gelang es ihm, den Text als die Dorothea-Legende in den Pergamentfragmenten des Geschichtsvereins für Kärnten zu identifizieren. Diese Information gelangte nur bis in eine Fußnote und eine Notiz in zwei Spezialwerken und wurde nicht weiter beachtet.
Psalter aus dem 15. Jh., Lesende Nonnen. Foto: Archiv der British Library
Nonnenlektüre
2023 identifizierte Ulrich Seelbach den Text abermals und maß ihm die entsprechende Bedeutung zu. Dank der Zuordnung des Fragments 6/30 zum ehemaligen Millstätter Trägerband, der Handschrift 4/6 des Geschichtsvereins, können wir jetzt diese Dorotheen- und Katharinen-Legenden den Benediktinerinnen in Millstatt zuschreiben. Damit gewinnen wir einen Hinweis auf die Art der Lektüre im Frauenkloster in Millstatt: Unter den Nonnen waren eventuell auch adlige Damen, die Interesse an geistlichen Werken im höfischen Stil hatten und ihre Bücher mit ins Kloster brachten.
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