Einstein & Popper
Albert Einsteins Briefe an Karl Popper
1919 – anlässlich einer Vorlesung Einsteins in Wien – trifft der junge Karl Popper zum ersten Mal auf Einsteins Denk-Welt:
„This became a dominant influence on my thinking – in the long run perhaps the most important influence of all.“
(Popper: Unended Quest. S. 37)
1935 erscheint Karl Poppers „Logik der Forschung“ über Erkenntnistheorie in der ersten Auflage. Die Grundaussagen darin besitzen noch heute große Relevanz: deduktive Theoriebildung und Falsifizierbarkeit als Abgrenzungskriterium von Metaphysik und Empirischer Wissenschaft.
Der junge Wissenschaftler – Popper ist 33 Jahre alt – sendet sein Erstlingswerk an Albert Einstein. Dieser steht mit 56 Jahren im Zenit seiner wissenschaftlichen Laufbahn. Am 20. 6. 1935 erhält er die Ehrendoktorwürde der Harvard University.
1 Woche davor – am 15. 6. 1935 – schreibt Einstein seinen Antwortbrief an Popper:
„Ihr Buch hat mir in vieler Hinsicht sehr gefallen…
Sie haben Ihre Positionen auch wirklich gut und scharfsinnig verteidigt“
Er macht Popper auf Unrichtigkeiten und falsche Folgerungen im neunten Kapitel „Bemerkungen zur Quantenmechanik“ aufmerksam.
Albert Einstein: Brief an Karl Popper vom 15. 6. 1935
1 Blatt: 21,1 x 27,7 cm, blaue Tinte
Textanfang: “Old Lyme, Connecticut 15. VI. 35. /
Lieber Herr Popper ! / Ihr Buch hat mir in vieler Hinsicht gefallen…”
Universitätsbibliothek Klagenfurt: Signatur PA 372
Er schreibt am Ende des Briefes: „Wenn das Buch von diesen Schlacken gereinigt wird, wird es wirklich vortrefflich sein. Ich würde gerne dazu beitragen, dass Ihr Werk Beachtung der Fachgenossen findet.“
Es entwickelt sich ein Briefwechsel:
Popper geht im Brief vom 18. 7. 1935 auf acht Seiten ausführlich auf Einsteins Kritik ein.
Karl Poppers Antwortbrief an Einstein vom 18. 7. 1935
8 Blätter, maschinschriftlich, mit eigenhändiger Unterschrift.
Kopien. Die Originale der Popper-Korrespondenzen liegen in den Hoover Institution Library & Archives der Stanford University, Kalifornien.
Universitätsbibliothek Klagenfurt: Signatur KPS 292,12
Einstein antwortet am 11. 9. 1935 in einem dreiseitigen Brief auf einem damals üblichen stark hochformatigen Schreibpapier mit detailierten Einlässen auf Poppers Argumentation.
Albert Einstein: Brief an Karl Popper vom 11. 9. 1935
2 Blätter: 21,3 x 32,5 cm, grüne Tinte.
Textanfang: “Old Lyme, 11. IX. 35. / Lieber Herr Popper ! / Ich habe Ihre Abhandlung angesehen…”
Universitätsbibliothek Klagenfurt: Signatur PA 373
Für die zweite, erweiterte Auflage der „Logik der Forschung“ korrigiert Popper die Fehler, auf die ihn Einstein aufmerksam gemacht hat.
Aber erst 1966 erscheint die 2. deutsche Ausgabe, die dann in einem neuen Anhang ̶ im Kapitel *XII: Das Experiment von Einstein, Podolsky und Rosen ̶ die Korrekturen enthält und auch Einsteins Brief vom 11. 9. 1935 als Faksimile.
Popper bemerkt:
„… diese Behauptung wurde von Einstein wirksam kritisiert […],
damit bricht mein Gedankenexperiment zusammen.“ (S. 190)
Erst 1950 treffen die beiden einander persönlich in Princeton, als Popper in Harvard Vorlesungen hält. Und wieder diskutieren sie ihre Argumente:
„I discussed the matter briefly orally with Professor Einstein when I visited him in 1950“ (KPS 293,23)
Diese Korrespondenz zwischen Einstein und Popper dem Jahr 1935 dokumentiert fragmentarisch die mühevollen Debatten um eine der großen wissenschaftlichen Umwälzungen des 20. Jahrhunderts, der Fortentwicklung von Newtons Mechanik großer Körper in eine Mechanik der Atome.
Abseits ihres fachlichen Gehalts beleuchten sie aber auch, wie es gelingen kann, dass zwei – in diesem Fall ausnehmend große – Geister einander kritisieren und sich falscher Vorstellungen bezichtigen und dabei dennoch solidarisch verbunden bleiben.
Die Originalhandschriften geben berührenden Einblick in den unredigierten Fluss Einstein‘scher Denkweise. Streichungen und Einfügungen zeugen von konsequentem Ringen nach größtmöglicher Klarheit getragen von selbstbewusster innerer Ruhe.
1995 kam Poppers Arbeitsbibliothek an die Universität Klagenfurt; auch Poppers umfangreiche Korrespondenzen und damit die beiden Einsteinbriefe.
Eröffnungsvortrag Gerhard Grübl, Institut für Theoretische Physik der Universität Innsbruck
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