Claudia Hirtl
Claudia Hirtl, 1954 in Wörgl geboren, lebt und arbeitet in Wien. Sie studierte an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei Wolfgang Hollegha. Später verbrachte sie viele Jahre in Osaka und Tokyo, studierte dort die östliche Philosophie und spezifisch japanische Verfahrensweisen der bildenden Künste, so auch Nihonga-Malerei. Das BILD BUCH 6 schuf Hirtl 1988 in Tokyo und unterzog es 2014/15 in Österreich einer Überarbeitung. 2019 erwarb die Universitätsbibliothek dieses Künstlerbuch.
Es fasst im Zentrum einer großzügigen Kassette mit Mitteltafel vier Schriftzeichen-Bilder für Herz, Seele, Geist, Innen – Außen. Im geschlossenen Zustand bilden die einzelnen Teile einen in Leinen gebundenen, kompakten Buchblock.
CLAUDIA HIRTL | BILD BUCH 6
Tokyo 1988, Übermalung 2014/15
Kassette, 36 x 36 x 7 cm, mit Leinenbezug und Mittelplatte
Innenausstattung: Offset-Drucke von Hirtl/Bilddetails
UB Klagenfurt: ES III 628500
Die Buchdeckel des Objektes sind zugleich die „Seiten“ dieses Künstlerbuches.
Diese Innenplatten sind mit Offset-Drucken von Hirtl-Bilder-Details überzogen.
Auf den Innenseiten der Buchdeckel befinden sich links und rechts zentrale Ausnehmungen,
in die je ein Nihonga-Bild, 12 x 12 x 2 cm, eingeklebt ist:
Mineralpigmente auf Gampi [=Japanpier vom Papierbaum] / Mitsumata-Papier [Seidelbast]
1988 Tokyo, Lapislazuli, 2014 Tempera-Übermalung Malachit
linke Seite: „Naka / Soto“ Innen ̶ Außen
rechte Seite: “Naka / Kokoro“ Innen – Herz, Seele, Geist
Auf / in diese Ausnehmungen lässt sich je ein Tempera-Bild einsetzen:
12 x 12 x 2 cm, Leinwand auf Holzspannrahmen
Pigment: Ocker /Milori-Blau
2015
links: „Kokoro“ Herz, Seele, Geist
rechts: „Onore“ SELBST
Die herausnehmbare Mittelplatte, 36 x 36 x 2,5 cm,
ist überzogen mit Nihonga-Indigo auf Washi,
dem spezifisch japanischen, durchscheinenden, handgeschöpften Papier.
Sie hat in der Mitte eine zentrale Auslassung
für das Bergen der mobilen, wahlweise einsetzbaren Tempera-Bilder,
wenn das Buch geschlossen ist.
Die Künsterlin empfiehlt, mit dem Objekt spielerisch umzugehen,
„indem man alle Möglichkeiten des Auseinandernehmens, Zusammensetzens
und Aufstellens ausprobiert“.
Bild Objekt Buch Figur
„Das Objekt mit der Bezeichnung BILD BUCH 6 offeriert, was Kunst bestenfalls gelingt. Während es alle Buchkunst-Begriffe durcheinanderwirbelt, legt es die Automatismen der Wahrnehmung offen. Diese spezifische Begrifflichkeit fokussiert ein auf Texte und deren Richtung gebende Illustration gerichtetes Verständnis des Layouts, das sich in Sonderheit an mittelalterlichen Techniken manifestierte. Ornamentale, figürliche Inkunabeln kapern die Aufmerksamkeit, noch vor der Zuwendung zum Text, raffinierte Illuminationen erhellen, wie der Name andeutet, das Geschriebene mittels bildlicher Darstellungen zur affektiven Lesart, komplexe Schrifttypen verwandeln bescheidene Aussagen in Preziosen.
Erkennen wir in diesem Objekt ein Buch, weil die Bezeichnung einen Begriff davon suggeriert? Oder weil wir den situativen Zusammenhang akzeptieren, den Ort Bibliothek, das Präsentationsprogramm, das Attribut Künstlerbuch, vielleicht doch Künstler*innen-Buch oder Kunst-Buch, womit aber geläufig etwas anderes gemeint ist. Wer möchte, mag sich im optisch-haptisch sinnlichen Erleben ein Urteil bilden, auch einer Art poetischen Struktur konkreter Geometrie folgen – einfach schön. Die handwerkliche Präzision überzeugt, die Leuchtkraft der kontrastiven Farben besticht, der dynamische Duktus der Pinselzeichen motiviert Reflexion: die unbekannten Schrift-Zeichen sind übersetzt: Selbst, Innen, Außen, Herz, Seele, Geist im Fluss … was und wie sie bewegen, wenn sie bedeuten …
Manufakt und Artefakt: nicht weltgefällig noch intellektuell willfährig, nicht standardisiert in seiner Erscheinung. Ein aufklappbarer tektonischer Block. Was als Buchdeckel gedacht, erweist sich gleichermaßen als symmetrisches Behältnis wie das komplette Exemplar. Das Zwischenblatt ein Rahmenblock, etwa kontextuelle Blind- oder Isolationsfolie für das eine oder andere Zeichen. Das Ineinander der Elemente figuriert die konstruktive Spannung der Plastizität von Logik und Anschauung. Logos (griechisch – Wort, Rede, Vernunft) und Eidos (Gestalt, Bild) bedingen einander. Der Logos der Malerei materialisiert sich bildnerisch im ästhetischen Kalkül, indessen konfrontiert das Eidos der Schrift mit der Beschränktheit der kulturtechnisch erworbenen Mittel. Peinture und écriture fallen in eins: Un/Lesbarkeit und Vorstellungswollen kreuzen sich im Phänomen, in Erscheinung und Anschauung.
Das Objekt, das BILD BUCH, zum einen Ergebnis, zum anderen Prozess, geriert sich als zwischen Linguistik und Bild-Denken vermittelnde Theorie-Figur. Abstrakt? Gewiss. Und ohne Verlust an Anschaulichkeit.“
Jutta Steininger
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