Jesuitisches Ordenstheater 1605-1773
Nach der Vertreibung der Protestanten setzte mit der Gegenreformation die Rekatholisierung der Bevölkerung ein. Ein wichtiges Mittel dabei waren die Belehrungsstücke des Jesuitentheaters. Als öffentliches Ordenstheater in größeren Städten und Fürstenhöfen war es in ganz Europa mit großen, repräsentativen Aufführungen vor breiten Zuschauerkreisen zum Zweck der „Propaganda fides“ verbreitet. Deren kleinere Form als Schultheater für die internen Aufführungen im Collegium diente der rhetorischen Übung der Schüler, die hier zu Priestern oder Lehrern ausgebildet wurden.
Der Jesuitenorden übernahm 1598 das Kloster Millstatt und etablierte 1604 seine Ordensniederlassung in Klagenfurt. Dies betraf auch das protestantische Collegium Sapientiae et pietatis, das nun als Gymnasium des Collegiums der Societas Jesu weitergeführt wurde. Im Zuge dessen wurde auch das protestantische Schultheater in das katholische, lateinsprachige Barocktheater der Jesuiten umgeformt.
Anton Claus (1691-1754): Tragoediæ.
Augsburg: Strötter, 1741. ES I 4863
Der Band enthält vier Tragödie für die großen, öffentlichen Schuljahresendfeiern und trägt am Einband goldgeprägte Supralibros mit dem Kärntner Landeswappen und dreiseitigen Goldschnitt.
Für das Weihnachtsfest im Jahr 1605 ist erstmals eine Aufführung belegt. Als Schauspieler fungierten die Gymnasiasten. Man spielte im Triklinum, dem größten Raum des Kollegiums in der heutigen „Burg“ oder im kleineren Wappensaal im “Landhaus“. Ab 1687 verfügte man über einen geschlossenen Theatersaal, das „Theatrum maius“ im Nordturm im zweiten Stock des Schulgebäudes. Hier fanden etwa 300 Zuschauer Platz. Für Aufführungen der Unterstufenklassen, also in noch kleinerem Kreis, gab es ab 1697 ein „Theatrum minus“.
Die wirklich großen Aufführungen fanden im Innenhof auf einer 20 m breiten und 12 m tiefen Bühne statt, sie bot auch Platz für Chöre und Musiker. Das adelige Publikum saß im Säulengang des ersten Stockes und hatte von dort den besten Überblick über das Bühnengeschehen. Für die Verwandlungen auf der Bühne gab es fünf Kulissenebenen und eine Seilmaschinerie im Schnürboden, mit der Prospekte und Dekorationen bewegt werden konnten. Es gab Requisiten für Zimmer, Lager, Stadt, Wald, Garten, Kerker, Tempelplatz, etc.
Man arbeitete mit akustischen und optischen Effekten (Öllampen und Kerzen). Der Chor mit Gesang und Sprechern zwischen den Akten und konnte sich am Ende in ein Ballett auflösen.
Jephte
Klagenfurt: Burger, 1647.
1678 wurde eine deutschsprachige Fassung davon in Klagenfurt aufgeführt.
Diese Perioche ist der älteste bekannte Kärntner Druck. Das einzige erhaltene Exemplar liegt an der ÖNB. Es ist leider stark beschnitten. Der Druck war nicht hochwertig, die Rückseite schimmert stark durch.
Bis zur Aufhebung des Ordens im Jahr 1773 gab es in Klagenfurt in den 169 Jahren jährlich Aufführungen von insgesamt 430 Spielplanstücken. Die Spiele wurden mehrfach im Jahr aufgeführt, dabei verteilte man „Periochen“, gedruckte Inhaltsangaben der Stücke in lateinischer manchmal auch in deutscher Sprache. Sie erleichterten das Verständnis, boten Information über Inhalt, Struktur, Dimension einer Inszenierung und die Namen der Schauspieler, der Autor selbst war meist nicht genannt. Als ephemeres Schriftgut gedacht bietet es einen ungewöhnlichen Einblick in die Spielkultur.
Cleomenes
Perioche. Original im Kloster Szent-Marton-Györ.
Biblische Themen, vornehmlich alttestamentarische aber auch Passionsstücke dominierten, daneben wurden griechisch-römische Motive vor allem Livius, Herodot, Cäsar und Plutarch geschätzt. Man führte hauseigene Autoren des Kollegiums auf wie Michael Denis´ „Isaak“, „David“, Joseph“ (von Denis selber 1753 inszeniert) und Johann Baptist Popovich (1722-1762). Dessen „Cleomenes“, 1747 aufgeführt, gilt als erster belegter Text, der eigens für das Klagenfurter Theater geschrieben wurde.
Jakob Bidermann (1578-1639): Macarius Romanus, Comoedia
München: Wagner, 1666. ES I 4963,1/2, Bd.1, S. 346
Brauner Ledereinband mit goldgeprägten Fächerornamenten, Supralibros und dreiseitigem Goldschnitt.
Dieser jesuitische Dichter und Dramatiker war einer der am häufigsten gespielten Autoren des jesuitischen Barocktheaters in Europa.
Man spielte natürlich auch die wichtigsten Theaterstücke französischer, deutscher oder italienischer Jesuiten, deren Texte in vielen europäischen Ordensniederlassungen aufgeführt wurden wie Georg Agricola, Nicolaus von Avancini und Jakob Bidermann.
Bettini, Marius (1582-1657):
Rubenus. Hilarotragoedia Satyropastoralis. Parma: 1614.
ES I 6037
Das Stück des italienischen Jesuiten, Astronomen und Mathematikers wurde 1675 in Klagenfurt aufgeführt.
Man spielte Theater aber auch zur Unterhaltung, zu Fasching und Neujahr, zu Königs- und Kaiserkrönungen, Adelsgeburten oder zum Dank für den Sieg über die Türken 1683 oder für den Frieden nach dem Ende 30jährigen Krieges unter großer Anteilnahme der Bevölkerung.
Zwei Stücke mit regionalem Bezug sind bekannt, eines davon ein Theaterstück über Hildegard von Stein, 1648 anlässlich der Hochzeit des Johann Andreas Graf Rosenberg (1600-1667) aufgeführt. Die Hauschronik der Jesuiten in Klagenfurt vermerkt dazu:
„Tandem illustrissimo domino comiti Joanni Andreae de Rosenberg in apprecationem felicissimi hymenaei diva Hildegardis de Carinthiae comitum prosapia, atque in Stain castello eiusdem illustrissimi burggravius iuri subiecto deposita, ludis theatralibus exhibita est.“
Der Eintritt war frei, man finanzierte die prunkvollen Aufführungen über Spenden reicher Gönner aus Adelskreisen, der Bischof von Gurk, die Stände spendeten, der Kaiser erlies dafür Kontributionen. Man widmete die Stücke einflussreichen Persönlichkeiten, dies spendeten erhebliche Summen für die Aufführungen.
Francesco Sacrati (1605-1650): La finta pazza
Venetia: Surian, 1641. ES I 4604 S. 3
Textbuch einer der beliebtesten Opern des 17. Jh. mit Widmung an Giovanni Paolo I. Widmann (1605-1648), Graf von Ortenburg, Freiherrn von Sommeregg und Paternion, dessen Familie immer wieder als Mäzen des Theaters genannt wird.
Nicolas de Vernulz: Fritlandus.
Löwen: 1637. ES I 2363
Das Wallenstein-Drama des belgisch-luxemburgischen Historikers, Philologen, Theologen und Rhetorikprofessors der Universität Löwen Nicolaus Vernulaeus erlebte 1650 eine prunkvolle Aufführung. Der Burggraf Johann Andreas von Rosenberg, Graf Martin Widmann von Ortenburg und der Probst von Völkermarkt Dr. Mathias Holzapfel werden als Gönner und finanzielle Unterstützer des Theaters genannt.
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