Erstes Judikaturfrühstück „Öffentliches Recht“ der Kärntner Juristischen Gesellschaft

Am 17.12.2024 fand das erste Judikaturfrühstück „Öffentliches Recht“ der Kärntner Juristischen Gesellschaft (KJG) in Klagenfurt statt. In den Räumlichkeiten des „Fürstlich im Museum“ lud die KJG zunächst von 8:00-8:30 Uhr zu einem kleinen Frühstück mit Kaffee und Brötchen. Von 8:30-10:00 Uhr folgten schließlich Vorträge bzw. eine Diskussion zu unterschiedlichen Judikaten aus der Rechtsprechung des VfGH, VwGH und LVwG Kärnten.

Zahlreiche Kärntner Juristinnen und Juristen sind der Einladung der KJG gefolgt und bildeten mit rund 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen sehr würdigen Rahmen dieser öffentlich-rechtlichen Premiere des Judikaturfrühstücks.

Herr Univ.-Prof. Dr. Gerhard Baumgartner referierte zu zwei Erkenntnissen des VfGH. Einerseits zum Erkenntnis vom 3.10.2024, G 3504/2023 (teilweise Aufhebung von § 8a VwGVG; Unzulässigkeit der Einschränkung der Verfahrenshilfe in verwaltungsgerichtlichen Administrativverfahren) und zum Erkenntnis vom 29.6.2023, G 166/2023 (Unsachlichkeit einer Bestimmung der GewO betreffend die Durchführung des vereinfachten Genehmigungsverfahrens für Betriebsanlagen).

Der Präsident des LVwG Kärnten Herr Mag. Armin Ragoßnig erörterte die Entscheidung des LVwG zur Geschäftszahl KLVwG-1921-1931/19/2023 (Beseitigungsauftrag einer Apartmentanlage).

Herr Mag. Christian Valent, Mitarbeiter des Evidenzbüros des LVwG Kärnten, referierte zur Entscheidung des LVwG zur Geschäftszahl KLVwG-2214/4/2023 (Geschwindigkeitsbeschränkung auf der Autobahn nach Aufenthalt in einer Raststation).

Herr Dr. Lukas Reiter erörterte drei Entscheidungen des VwGH zum Themenkreis von E-Mail-Anbringen im Verwaltungsverfahren: VwGH 20.6.2023, Ra 2022/03/0097 (wirksames Einlangen von E-Mails im Spam-Ordner der Behörde) sowie VwGH 21.2.2024, Ra 2023/05/0204 und VwGH 18.4.2024, Ra 2024/02/0049 (wirksame Einbringung per E-Mail an eine andere als die von der Behörde im Internet kundgemachte E-Mail-Adresse).

Im Anschluss an die einzelnen Referate bestand noch die Gelegenheit zur Diskussion, die von den Teilnehmer:innen auch gerne genutzt wurde. Alles in allem ein sehr gelungener Auftakt einer Veranstaltung, die – so die Obfrau der KJG, Rechtsanwältin Frau Mag. Astrid Roblyek – in Zukunft eine Wiederholung finden soll.

Klassifikationen, Algorithmen und der Staat: Ein Feldforschungsbericht zu digitaler Wohlfahrtsinfrastruktur in Kolumbien (von Julia Malik)

Für ihr Dissertationsprojekt führte die Universitätsassistentin Julia Malik 13 Monate Feldforschung in Kolumbien durch. Dort untersuchte sie die soziotechnischen Dimensionen und Auswirkungen eines digitalen staatlichen Klassifikations- und Informationssystems, das zur Verwaltung und Verteilung von Sozialleistungen verwendet wird.

Wie formen Technologien und Praktiken der digitalen Wohlfahrt den Staat?

Wie werden digitalisierte Systeme im Bereich der Sozialpolitik hergestellt und welche Akteur:innen nehmen wie daran teil?

Welche Auswirkungen haben Klassifikationen, Algorithmen, und Datafizierung auf Sozialhilfe, Bürokratie, staatliche Institutionen und Interaktionen zwischen Staatsangestellten und anderen Bürger:innen?

Diesen Fragen ging Julia Malik im Rahmen ihrer multilokalen ethnographischen Feldforschung für ihre Dissertation mit dem Arbeitstitel „Classifying Citizens, Updating the State: How Practicing Digital Welfare Shape Statehood in Colombia“ nach. Unterstützt durch ein Marietta-Blau Stipendium des österreichischen Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung sowie durch eine Mobilitätsförderung für Nachwuchswissenschaftler:innen der Universität Klagenfurt erforschte sie das digitalisierte Klassifikations- und Informationssystem SISBÉN. Der kolumbianische Staat verwendet dieses System, um Haushalte sozioökonomisch zu kategorisieren und, darauf aufbauend, den Zugang zu Sozialleistungen zu regeln. Julia Malik folgte den unterschiedlichen Akteur:innen und Elementen des Systems, das unter anderem aus einem standardisierten digitalen Fragebogen, Haushaltsbesuchen von Verwaltungsmitarbeitenden, einem zentralisierten Datenbanksystem, verschiedenen Software-Programmen zur Bearbeitung von Informationen, und Algorithmen zur Berechnung der Klassifikation der Haushalte besteht.

Um die Effekte von digitaler Wohlfahrtsinfrastruktur auf den Staat zu erfassen, forschte Julia Malik in staatlichen Institutionen, die in das SISBÉN-System eingebunden sind. Ihre Forschungspartner:innen waren öffentliche oder private Bedienstete, die mit SISBÉN arbeiteten, aber auch klassifizierte Bürger:innen sowie Wissenschaftler:innen, Aktivist:innen und Anwält:innen, die sich mit SISBÉN befassten. Den Hauptteil ihrer Feldforschung unternahm sie in nationalen und kommunalen Behörden in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá. Diese Erfahrungen ergänzte sie mit Forschungsaufenthalten in einer mittelgroßen Stadt und zwei kleinen, ländlichen Gemeinden. Sie führte teilnehmende Beobachtung bei Arbeitsmeetings, Einschulungen, Büroarbeiten, Bürger:innen-Servicestellen durch, und begleitete SISBÉN-Mitarbeitende zu Hausbesuchen und Klassifikationsinterviews. Daneben führte sie 42 qualitative Interviews und analysierte Regierungsveröffentlichungen und Medienberichte. Die institutionelle Anbindung an die Universidad del Rosario in Bogotá ermöglichte eine Unterstützung und Begleitung der empirischen Forschungsarbeit sowie den Kontaktaufbau mit lokalen Wissenschaftler:innen.

Mit dem so produzierten Datenmaterial untersucht Julia Malik die Wechselwirkungen zwischen Digitalisierung, Wohlfahrt und Staat. Das Klassifikations- und Informationssystem konzeptualisiert sie als digitale Wohlfahrtsinfrastruktur, die von diversen Akteur:innen mittels verschiedener Technologien auf unterschiedliche Weisen hergestellt wird. Sie hat bereits verschiedene, teils ambivalente Auswirkungen digitaler Wohlfahrt identifiziert – etwa darauf, wie Sozialleistungen praktiziert werden, wie bürokratische Arbeit gemacht wird, wie Wissen über Armut und Bürger:innen produziert wird, wie Staatsakteur:innen mit anderen Bürger:innen interagieren, und wie Grenzen zwischen Staat und Markt und der technischen und politisch-sozialen Sphäre gezogen werden. Diese Beobachtungen werden nun im Rahmen ihrer Dissertation einer eingehenden Analyse unterzogen und theoretisiert.

Fotoquelle: Julia Malik: „Sisbén al campo“-Servicestelle für Bürger:innen im ländlichen Raum.

Hol dir Tipps zum Studium bei den ÖH Info-Days!

Die Info-Days der Österreichischen Hochschüler:innenschaft (ÖH) an der Universität Klagenfurt/Celovec, der Interessensvertretung aller Studierenden unserer Uni, unterstützen dich am 29. und 30. Jänner 2025 vor dem Semesterstart mit Beratung rund ums Studium.

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14. 01.: Engelbert Obernosterer und VADA

NEUE LITERATUR

 

WOLKE MIT HENKEL

 

Engelbert OBERNOSTERER & VADA

Szenische Lesung

 

Dienstag, 14. 01. 2025

19.30 Uhr

 

Mit einem Fuß in der stummen Welt seiner bergbäuerlichen Herkunft, mit dem anderen in der Sprache klopft Engelbert Obernosterer die Oberflächen seiner Umgebung nach dem ab, was strukturell im Gange ist. Befund: Innerhalb wie außerhalb der erzählenden Person geraten die Reste an eigengesetzlichem Handeln unter die Räder der digitalen Zwangsläufigkeiten, wobei der Autor bei seinen kleinteiligen Untersuchungen von seiner im Zerfall begriffenen Person ausgehend versucht, in möglichster Sachlichkeit zu dekonstruieren und zu verstehen.

 

Latent war Engelbert Obernosterer schon von jeher in den Oberkärntner Bergen enthalten. Als Person urkundlich erwähnt wurde er erstmals 1936 in den Taufmatrikeln von St. Lorenzen im Lesachtal in Kärnten. In Büchern wie Mythos Lesachtal, Vom Ende der Steinhocker, Die Bewirtschaftung des Herrn R und weiteren 13 Prosabänden, zuletzt Overnosterers Spätlese, blieb er mit berglerischer Zähigkeit in seine Ursprünge verkrallt. Sich und seine Familie über Wasser gehalten hat er als Lehrer an verschiedenen Schulen des Gailtales, u. a. als Kunsterzieher im Gymnasium Hermagor. Er wohnt in Mitschig bei Hermagor.

 

Yulia Izmaylova und Felix Strasser haben es sich seit vielen Jahren zur Aufgabe gemacht, mit dem „Verein zur Anregung des dramatischen Appetits“, kurz VADA,  Lust auf Texte zu machen. Gemeinsam mit Engelbert Obernosterer inszenieren sie eine performative Lesung mit den literarischen Miniaturen des Autors.