Architektur. Kultur. Landschaft. Nachkriegsmoderne im Alpen-Adria-Raum
BA/MA Angewandte Kulturwissenschaft und den MA Visuelle Kultur
WS 2018/19 undSS 2019
Leitung: Simone Egger und Lukas Vejnik
Mit den Studierenden des Studiengangs Angewandte Kulturwissenschaft haben sich Simone Egger vom Institut für Kulturanalyse und der Architekturforscher Lukas Vejnik zwei Semester lang mit der Architektur der Nachkriegsmoderne im Alpen-Adria-Raum auseinandergesetzt. Am Gegenstand der Baukultur lassen sich lokale Netzwerke und internationale Verbindungen aufzeigen, das gilt nicht zuletzt für das Vorstufengebäude der Universität Klagenfurt, für das sich der Architekt Roland Rainer an der Anlage nordafrikanischer Innenhöfe orientiert hat.
Das Aufspüren von Utopien der Nachkriegsmoderne war ein zentrales Anliegen des Seminars „Architektur. Kultur. Landschaft“. Um sich der neueren und neuesten Geschichte von Stadt und Region zu nähern und ein Verständnis für die Fragestellungen und Debatten der 1950er, 60er und 70er Jahre zu entwickeln, haben wir – angelehnt an die Akteur-Netzwerk-Theorie – nicht nur die Architekt*innen, sondern auch Bauten und Pläne jener Epoche als Zeitzeug*innen verstanden und nach den Umständen ihres Entstehens, nach Studienorten und Vorbildern, nach Programmatiken, gestalterischen Elementen und damit verknüpften Vorstellungen von Leben, Arbeiten und Wohnen gesucht.
In dieser Phase waren angesichts von Kriegsschäden nicht nur akute Lösungen in Sachen Wohn- und Schulbau gefragt, nach dem offiziellen Ende des Nationalsozialismus ging es immer auch um die Frage, wie sich der politische Gegenentwurf, eine demokratische Grundordnung der Gesellschaft implementieren und baulich abbilden ließ. Die Architektur der Nachkriegsmoderne war dabei nicht per se ein antifaschistisches Projekt. Die Biografien der Akteur*innen jener Jahrzehnte zeugen von überaus diversen Positionen.
Aus einer kulturwissenschaftlichen Perspektive lässt sich über die Materialität von gebauten Räumen ebenso nachdenken wie über ihre ästhetische Qualität, die Motivation ihrer Erbauer*innen oder zeithistorische Aspekte. Eine kulturanalytische Auseinandersetzung mit Architektur bezieht sich generell auf die Relationalität von Räumen und fragt nach komplexen Zusammenhängen, nach symbolischen und sozialen Bezügen, nach kulturellen Aushandlungsprozessen und unterschiedlichen Lebensstilen in allen Arten von physischen Strukturen.
Die Städte Klagenfurt, Kranj und Triest bildeten den Ausgangspunkt der transdisziplinär zwischen Kulturwissenschaft, Architekturtheorie und Baugeschichte angelegten Überlegungen zur Nachkriegsmoderne als Landschaft des Alpen-Adria-Raums, gleichwohl führten die Nachforschungen zum „Land der Moderne“ immer wieder weit über Österreich, Slowenien und Italien hinaus. Nicht nur urbanen Räumen galt das Interesse der Forschung, auch in ländlichen Gegenden finden sich Bauten im Stil der Nachkriegsmoderne.
Vom Sitz der Kommunistischen Partei in Klagenfurt, dem Volkshaus, geplant von Margarete Schütte-Lihotzky – eine der ersten Architektinnen Österreichs – über Sakralbauten in Kärnten und Hotels an der kroatischen und italienischen Küste bis hin zur Infrastruktur der Wasserversorgung und vielen anderen Funktionsbauten erstreckt sich die Landschaft an modernen Architekturen, mit denen wir uns beschäftigt haben.
Der Kunsthistoriker Johann Gallis hat uns von seinen Forschungen zur Nachkriegsmoderne im Burgenland berichtet und dabei auch thematisiert, wie mit dem Bestand der 1950er, 60er und 70er Jahre gegenwärtig umgegangen wird. Mehrere Kulturzentren, die zur Zeit ihrer Konzeption als soziopolitische Errungenschaft galten und viele verschiedene Räume in sich vereinten, sind gegenwärtig vom Abriss bedroht oder bereits abgebrochen worden – weil ihre Qualität nicht mehr gesehen wird und Stil und Ausrichtung nicht mehr zeitgemäß erscheinen.
Beton als Signet der Nachkriegsmoderne war der Werkstoff, der im Rahmen des Lehrforschungsprojekts am häufigsten zur Sprache kam und – gerade auch aus heutiger Sicht – intensiv diskutiert wurde. Auf den zweiten Blick fällt auf, dass Gebäude aus schalreinem Beton nur einen kleinen Teil der vielfältigen Entwicklungen der Architektur der Nachkriegszeit ausmachen.
Bauten in Klagenfurt haben wir uns mittels Stadtspaziergängen erschlossen und dabei immer wieder konkrete Ziele wie die Zentrale der Kelag mit dem denkmalgeschützten Mosaik von Anton Mahringer aufgesucht. Eine Exkursion hat uns sogar auf die kürzlich sanierte moderne Sternwarte der Stadt Klagenfurt geführt.
Das transdisziplinäre Projekt wurde vom Architektur Haus Kärnten, dem dort angesiedelten Bauarchiv und dem Kärntner Landesmuseum nachdrücklich unterstützt. Beide Häuser haben uns ihr Wissen und ihre Unterlagen zur Verfügung gestellt, im Architekturhaus waren wir mit dem gesamten Seminar mehrfach zu Gast und haben dort unsere Ergebnisse präsentiert.
Erkenntnisse aus dem zweisemestrigen Projekt sind über die Seminare hinaus in die Publikation „Land der Moderne. Nachkriegsarchitektur in Kärnten“ (Ritter Verlag, 2020) und die Ausstellung „Land der Moderne. Architektur in Kärnten 1945 – 1979“ in der Alpen-Adria-Galerie Klagenfurt (21. April bis 13. Juni 2021) eingeflossen.
Weiterführende Links:
Ritterverlag (ritterbooks.com)
Land der Moderne — Architektur Haus Kärnten (architektur-kaernten.at)
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