Lobisser – Vom suchenden Sehen und dem Blick hinter die Fassade
Das zwei-semestrige Lehrforschungsprojekt am Institut für Kulturanalyse zum Kärntner Künstler Switbert Lobisser im MA-Studiengang Angewandte Kulturwissenschaft bestand aus zwei aufeinander aufbauenden Seminarmodulen, geleitet von Andrea Hoffmann und Karin Schneider. Im Zentrum der Forschungsarbeit standen das Werk sowie die Rezeptionsgeschichte und die Biographie Lobissers. Hauptbeschäftigungspunkte waren Erinnerungskultur, Historiographie und ethnografische Fragestellungen sowie die Auseinandersetzung mit der Vielschichtigkeit historischer Interpretation.
Als Ergebnisse der einjährigen Auseinandersetzung entstanden ein Stadt-Streifzug der anderen Art (Rundgang durch Klagenfurt im Juni 2016, der mit Lobisser verbundene Orte kritisch anlief), ein interaktiv entstandenes Kunst-Buch sowie im Nachgang die Einmischung in eine Ausstellung im Oktober 2016 in der Klagenfurter Galerie Magnet.
Das einjährige Lehr-Forschungsprojekt zu Switbert Lobisser belegte, wie sehr der Künstler als schwärende Wunde in der „kollektiven Erinnerung“ Kärntens gesehen werden kann. Irritierend waren nicht nur die evasiven Aussagen der durch die Studierenden Interviewten sowie die überhöhte kunsthistorische Einordnung des Malers und Holzschneiders, sondern gerade auch die enorme Apologetik, mit der ihm als einem Statthalter des „Kärntner Heimatgefühls“ bis heute begegnet wird.
Eine kritische Rezeptionsgeschichte sollte die (oft subkutanen) „Lobisseriaden“ aufzeigen, die sichtbar und unsichtbar in Klagenfurt / Kärnten fortbestehen. Den Abschluss des Lehrforschungsprojektes bildete ein von den Studierenden erarbeiteter „Stadtstreifzug“ und im Anschluss die Erstellung eines Kunstbuches durch alle Rundgangsteilnehmer*innen gemeinsam mit dem Wiener Künstler Josef Populorum.
Der Stadtstreifzug mit dem Titel „Hinter die Fassaden stolpern“ führte zu Orten in Klagenfurt, die mittelbar oder unmittelbar mit Lobisser verbunden sind: Beginnend am Landhaus mit den Abwehrkampffresken und der Fehlstelle der sogenannten Anschlussfresken (mit eindeutiger NS-Propaganda-Emblematik), über den Dom mit Lobisser-Fresken im Chor und das Museum Moderne Kunst Kärnten (MMKK) in der Burg, wo seine Bilder im Depot lagern und hier die Erinnerungskultur des NS-Propagandisten mit der Verfolgung in der NS-Zeit verschränken (in der Burg war 1938 – 1945 das Gestapo-Hauptquartier), bis zur Landwirtschaftskammer, die bis heute Urkunden mit Lobisser-Grafiken verteilt. Für jede Station hatten die Studierenden – teilweise interaktive – Inputs erarbeitet. Ein im Seminar erstellter Flyer, der den Streifzug topografisch verortete, sowie gemeinsam erarbeitete Pressearbeit begleiteten die Aktion.
Im Nachgang zu der Abschlussaktion stellten zwei Seminarteilnehmerinnen mit einer Intervention in eine Lobisser-Ausstellung in der Galerie Magnet zur Langen Nacht der Museen 2016 die inhaltlichen Schneisen der Forschungsarbeit sowie das Abschlussbuch vor, während der interaktive Stadtspaziergang als mehrdimensionale Einmischung aufgelegt worden war. Die Galerie verfügt nicht nur über einen sehr umfangreichen Bestand an Lobisser-Artefakten, sondern ist auch Nachlassverwalter des Künstlers. Hier war auch das Stadtstreifzug-Buch erstmals öffentlich ausgestellt und stieß auf große Resonanz.
In der Ausstellung wurden erstmals bislang unveröffentlichte Briefe und Tagebuchfragmente Lobissers öffentlich gezeigt, die auf frappierende Weise genau die bereits zuvor erhobenen Befunde des Seminars bestätigten – das genaue, schürfende Sehen, unbequeme und dialektische Analyse, mehrdimensionales und interdisziplinäres Vorgehen, das Verfolgen der Irritation brachte so bereits im Vorfeld „Wahrheit“ zu Tage, die dann durch Quellen bestätigt wurde. Das war für die Seminarteilnehmerinnen eine große Erkenntnis, dass sauberes kulturanalytisches Arbeiten auch das Verborgene zu Tage bringen kann.
Exemplarisch kann an der Beschäftigung mit Lobisser Erinnerungspolitik und Verdrängungsleistung sichtbar gemacht werden, die strukturell genauso an andere „Heilige Kühe“ der regionalen „Heimatgeschichte“ (in mehrfach konnotierten Anführungszeichen) angelegt werden kann (wie etwa den sogenannten Abwehrkampf).
(MA, Wintersemester 2015 und Sommersemester 2016; LV: Katalogtexte und Öffentlichkeitsarbeit im Umfeld einer Difficult Heritage, Teil 1 und 2; Leitung: Andrea Hoffmann, Karin Schneider)
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