Profil
Das Institut für Germanistik betreut mit derzeit rund einem Dutzend wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie einer Reihe externer LektorInnen und den Mitarbeiterinnen des Sekretariats rund 300 Studierende im Bachelor-, Master-, Lehramt- und Doktoratsstudium.
Das bedeutet für die Studierenden vorteilhafte Betreuungsverhältnisse (1:25) und bietet die Möglichkeit, das Studium innerhalb der vorgesehenen Studiendauer zu absolvieren und dabei individuelle Schwerpunkte zu setzen. Durch die exzellente internationale Vernetzung können Studierende an einem von 16 Partnerinstituten an europäischen Universitäten Auslandserfahrung sammeln und ihr Studium vielfältig vertiefen.
Als einziges germanistisches Institut in Österreich bieten wir in Klagenfurt
- ein Masterstudium Germanistik im interkulturellen Kontext (gemeinsam mit der Univ. Udine) an, bei dem jeweils ein Studienjahr in Klagenfurt und eines in Udine zu absolvieren ist.
- das Schwerpunktfach Angewandte Germanistik (Literatur, Medien, Verlagswesen) im Bachelor- und Masterstudium.
„Germanistik“ fassen wir weit: Als Sprach- und Literaturwissenschaft setzt sich Germanistik auseinander mit Alltagssprache und literarischen Texten in historischer (Sprach- und Literaturgeschichte) und struktureller (Textlinguistik, Varietäten, DaF/DaZ, Literaturkritik, Medialisierung) Perspektive.
Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei
- analytischen Techniken und Kompetenzen (Textkritik, Diskursanalyse, ästhetisch-experimentelle Formen)
- kontextuellen Dimensionen (kultur- und sozialgeschichtliche Einbettung, Institutionenforschung, literarisches Leben)
- Aspekten von Medialität und Gender
- praxisbezogenen Anwendungsbereichen
Entsprechend vielfältig ist das Qualifikationsspektrum, das wir vermitteln:
- Literaturwissen
- Textkompetenz
- Präsentationstechniken
- Kommunikationsfähigkeit
- Interkulturelle Kompetenz
- Medienwissen und Medienpraxis
- Analyse- und Kritikfähigkeit
Das Institut für Germanistik an der Alpen-Adria-Universität wurde 1973 gegründet und hat sich von Beginn an auf spezifische Schwerpunkte konzentriert und dazu maßgebliche Forschungsbeiträge vorgelegt. Es wurden spezielle Einheiten eingerichtet, die organisatorisch selbständig, aber in Forschung und Lehre mit dem Institut vernetzt sind. Dazu zählt das Robert Musil-Forschungsinstitut (seit 1997) und das Kompetenzzentrum für Deutschdidaktik (seit 2006).
Zwischen 1999 und 2003 war am Institut ein Lehr- und Forschungsbereich zur Jüdischen Literatur in Österreich/Mitteleuropa angesiedelt, von dem zahlreiche Initiativen und Forschungsprojekte ausgingen. Mitarbeiter/innen des Instituts sind darüber hinaus an zahlreichen fakultätsübergreifenden Initiativen und Studiengängen aktiv beteiligt, im Besonderen in den Bereichen
- Mehrsprachigkeit (Ringvorlesung, Modulangebote)
- Medien- und Kommunikationswissenschaft
- SchreibCenter
- Friedensforschung
- Digital Humanities
Entwicklungsperspektiven
Das Institut hat Bachelor- und Master-Curricula entwickelt, die dem aktuellen Stand der Wissenschaft wie den gewandelten Anforderungsprofilen in möglichen Arbeitsfeldern (vor allem außerhalb des Schulbereichs) Rechnung tragen. Auf dieser Ebene soll die Qualität in Lehre und Forschung in den Kernbereichen gehalten und in den neuen Bereichen, insbesondere der Angewandten Germanistik, weiterentwickelt werden.
Besonderes Augenmerk gilt seit jeher den internationalen Kooperationen, die in Zukunft systematischer in Lehr- und Forschungsbereich integriert werden sollen (z. B. über gemeinsam konzipierte Lehrveranstaltungen mit Partneruniversitäten, über Forschungskooperationen etc.). Über diese Schiene können Absolvent/innen schon jetzt interessante Praktika, Lektorate oder Promotionsstipendien an ausländischen Universitäten in Anspruch nehmen.
Fach- und Gegenstandsbereiche des Instituts für Germanistik
Germanistische Mediävistik (Ältere deutsche Literatur und Sprache)
„Germanistische Mediävistik“ ist die moderne Bezeichnung für ein Teilfach der Germanistik, das (historische) Sprach- und Literaturwissenschaft in engem Verbund betreibt, zeitlich die Epoche des Mittelalters und der Frühen Neuzeit (800 bis 1620) und räumlich den alten nieder- und hochdeutschen Sprachraum umfasst.
Sie liefert dem Gesamtfach Germanistik die notwendige historische Verankerung, ohne die eine Deutung der Moderne – unter dem Aspekt von Tradition und Innovation – nicht angemessen gelingen kann. Im Mittelalter werden nicht nur die ersten Konturen unserer Sprache und Kultur fassbar, auch die deutsche Literatur selbst sucht immer wieder ihre Wurzeln in der Vergangenheit gerade dieser Epoche. Andererseits betont die Mediävistik die Alterität der Erfahrungen und Weltdeutungsmuster, die zur Bestimmung gegenwärtiger Verstehenshorizonte einen gewichtigen, kontrastiven Beitrag liefert. Sie verweist uns auf die Brüche, Diskontinuitäten und Paradigmenwechsel, die unser Selbstbild und unsere Vorstellungen von Gesellschaftlichkeit als relativ und von zeitlich begrenzter Gültigkeit ausweisen. Das Mittelalter als Epoche weist Umbrüche medialer Art auf, an denen wir die Umwälzungen der Gegenwart wie in einem Spiegel studieren können. Die Unsicherheiten im Umgang mit den Medien, die Bedrohlichkeit derselben für den an Kontinuität und die heilsgewisse Geborgenheit gewohnten Menschen und der Verlust von Gewissheiten sind beim Übergang von der Oralität zur Verschriftlichung der Literatur ebenso zu studieren wie nach der Erfindung des Buchdrucks. Die Erforschung der schriftlichen Kultur des Mittelalters hilft uns nicht nur unsere Gegenwart bewusster zu erfassen, sondern auch vernachlässigte Zugänge zum Bereich des Wissens und Glaubens wiederzuentdecken, die Vernunft- und Fortschrittsgedanke, Rationalität und Aufklärung einst für entbehrlich erachtet haben.
Neuere Deutsche Literatur (NDL)
Der Bereich NDL umfasst die literarische Textproduktion seit dem 16. Jahrhundert. Unter „Literatur” werden dabei Texte in deutscher Sprache verstanden, die sich kultur- und sprachgeschichtlich durchaus verschiedenen Räumen und kulturellen wie (trans)nationalen Traditionen zuordnen lassen. Sowohl im Lehr- als auch im Forschungsbereich steht dabei das Textspektrum des 19. und 20. Jahrhunderts bis zur neuesten Gegenwart im Vordergrund. Der Textbegriff bezieht zudem Formen und Genres ein, die in unmittelbarer Nähe zu medialen Textformen situiert sind, wie z. B. das Feuilleton, die Zeitungsprosa, Reiseberichte oder literarische Gebrauchstexte.
Wir vermitteln nicht nur einen Text- und AutorInnen-Kanon seit der Aufklärung, der ständig zur Diskussion gestellt wird, sondern widmen auch besonderes Augenmerk dem Selbstverständnis und der Außenwahrnehmung österreichischer literarischer Kultur seit dem 19. Jahrhundert in ihrer plurikulturellen und mehrsprachigen Einbettung in Ost-Mitteleuropa sowie in ihrem problematischen Verhältnis zur ‚Deutschen Kultur’. Das ist in Forschung und Lehre sichtbar an Themen wie
- Reisen in die habsburgische Peripherie
- Ghetto-Literatur
- Exil und Immigration
- Literarische Mehrsprachigkeit
- Avantgarde-Bewegungen
Dieser mehrfach kontrastive Blick spiegelt sich auch in Forschungsinitiativen und -ergebnissen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wobei es stets ein Anliegen ist, literarhistorische Zu- und Festschreibungen, Marginalisierungen und Vereinnahmungen aufzubrechen und zur Diskussion zu stellen. Unter anderem wird diese Diskussion von internationalen Tagungen begleitet, welche zu anerkannten Publikationen oder zu aufwändigen, innovativen (editorischen) Projekten geführt haben, wie z. B.
- in der Musil-Forschung (Nachlassbearbeitung)
- in der Edition von Autoren des Vor- und Nachmärz
- des österreichischen Expressionismus
- der zwanziger Jahre
- der Exilliteratur
In internationalen Peer-Review-Evaluationen wurde dem Institut, seinem Profil und seiner Arbeit wiederholt Anerkennung ausgesprochen.
Auch die Gegenwartsliteratur ist stets präsent. Seit Mitte der 80er Jahre lädt das Institut regelmäßig SchriftstellerInnen in Form von Poetik-Vorlesungen und Workshops ein, ebenso ExpertInnen aus dem Bereich der Literaturkritik, des Verlagswesens und des Kulturmanangements, was u. a. im Studienschwerpunkt Angewandte Germanistik eine institutionelle Verankerung gefunden hat. Im SS 2014 wurde eine „Arbeitsstelle für Kinder- und Jugendliteraturforschung“ eingerichtet, um diesem speziellen Forschungsbereich und künftigen curricularen Erfordernissen in der LehrerInnenausbildung Rechnung zu tragen.
Germanistische Linguistik
Die Germanistische Linguistik (Sprachwissenschaft) beschäftigt sich mit der deutschen Sprache in allen ihren Aspekten. Sprachwissenschaftliche Grundkenntnisse sind eine Grundlage für die wissenschaftliche Beschäftigung mit Literatur und für das Verständnis der gesellschaftlichen Wirkung von Sprache überhaupt.
Die Herkunft der deutschen Sprache und der Wandel, dem sie unterzogen ist, werden in den Lehrveranstaltungen ebenso behandelt wie die Grammatik der Gegenwartssprache.
Ein weiterer Schwerpunkt sind die vielfältigen Zusammenhänge von Sprache und Gesellschaft. In einführenden Kursen vermitteln wir grundlegende Methoden der Soziolinguistik sowie Techniken der Textlinguistik und Diskursanalyse. Fragen, die dabei erörtert werden, sind etwa
- die Rolle von Sprache in den Medien
- die Sprache sozialer Gruppen (z. B. Jugendsprache)
- Sprachpolitik (Sprachbarrieren, Mehrsprachigkeit, Sprache und Bildung)
- Stilistik
Die Germanistische Linguistik vermittelt somit wichtige Grundlagen für das Verständnis von sprachlichen Zusammenhängen, aber auch anwendungsorientierte Grundlagen für viele germanistische Praxisfelder.
Angewandte Germanistik
Unter Angewandter Germanistik verstehen wir die Erforschung von Produktions-, Verarbeitungs- und Vermittlungsbedingungen literarischer Texte und anderer Formen schriftlicher Kommunikation. Dazu gehören Untersuchungen
- der Handlungsprozesse am Buchmarkt und im Verlagswesen
- der Rollen der dabei tätigen Akteurinnen
- der Wirkungsweisen von Literaturkritik und Literaturpreisen
- der Wechselwirkung von Literatur und Film/Rundfunk/Internet
- des Zusammenhangs von Literatur, Medien und Politik
- zu Autor/innen-Karrieren
Die Angewandte Germanistik ist daher ein transdisziplinär ausgerichteter Schwerpunkt, der mögliche und bereits existierende Anwendungsgebiete germanistischer Forschung integriert. Zu den Besonderheiten des Klagenfurter Schwerpunkts zählen Exkursionen zu Literatur-Workshops und Literatur-Preis-Veranstaltungen (Rauris, Bachmann-Preis z.B.) sowie deren wissenschaftliche Begleitung und Bearbeitung.
Schwerpunkte
Literaturbetrieb und Literaturvermittlung
Die Literaturbetriebsforschung an unserem Institut beschäftigt sich mit den Marktbedingungen von Literatur. Der Schwerpunkt liegt auf der Untersuchung von ökonomischen, politischen und medial-vermittelnden Aspekten von Literaturproduktion und literarischem Leben der Gegenwart. Ansätzen der empirischen Literaturwissenschaft bzw. der Literatursoziologie folgend, widmen sich einzelne Forschungsarbeiten
- den Akteuren und Institutionen des literarischen Feldes bzw. Literaturbetriebs (Verlage, Buchhandlungen, Literaturpreise, Autor/innen-Karrieren, Leser/innenforschung)
- sowie den medialen Präsentationsformen von Literatur und Literaturkritik (Hörbuch, Literaturkritik im Fernsehen, Radiotexte).
LeserInnenforschung/rezipientenorientierte Buchforschung
FWF-Projekt
„Bedeutungen literarischer Texte aushandeln. Kommunikation in Lesegruppen“
Bücher werden nicht nur intensiv gelesen, sie werden auch leidenschaftlich besprochen. Lektüren dienen als Ausgangspunkt für lebendigen Informationsaustauch und engagierte Kritik, sie zeugen von individuellen Vorlieben und kollektiven Wertvorstellungen.
Eine zunehmend beliebte Plattform für den Austausch von Leseerfahrungen stellen private Lesegruppen dar (auch Lesekreise, Literaturzirkel oder Reading Groups genannt), die sich regelmäßig treffen, um über ein Buch zu diskutieren. Am Institut für Germanistik erforschen wir Lesegruppen, die sich physisch (face-to-face) und im Internet (online) treffen:
- Was lesen sie – und warum?
- Wie wird über Literatur gesprochen, wie wird gewertet?
- Welche Funktionen erfüllen die Diskussionen?
- Wie nähert man sich im Gespräch der ‚Bedeutung‘ (in mehrfacher Hinsicht) von Büchern?
Ziel des zweijährigen Forschungsprojekts (gefördert vom FWF – Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung in Österreich) ist die Untersuchung von Organisations- und Kommunikationsformen in Lesegruppen, von Motiv- und Interessenslagen der Beteiligten und ästhetisch wie sozial motivierter Rezeptionshandlungen.
Vorstudie
Kommunikation in Kärntner Lesegruppen und in Lesenetzwerken
Laufzeit: Oktober 2011 bis September 2012
Ziel des Projekts war die Erforschung der Kommunikation nicht-professioneller LeserInnen über literarische Texte insbesondere über Lektüreerwartungen, Lektüreerlebnisse und -erfahrungen. Auch die damit verbundenen Entscheidungs- und Wertungsprozesse und die Affizierungen, die dabei in Gang gesetzt werden, wurden in den Blick genommen.
Zwei hier als Lesegruppen bezeichnete Vereinigungen von Leserinnen und Lesern haben sich dankenswerter Weise zur Kooperation bereit erklärt und uns gestattet, an ihren Diskussionsrunden teilzunehmen und sie akustisch aufzuzeichnen. Zwischen Oktober 2011 und Januar 2012 fanden insgesamt sechs Beobachtungen von Diskussionsrunden in Klagenfurt und in einer Kärntner Bezirksstadt statt. Ergänzt wurden die Beobachtungen durch eine Fragebogen-Befragung und leitfadengestützte Interviews mit neun TeilnehmerInnen. Insgesamt haben 23 Personen die schriftlichen Fragen beantwortet.
Wenn Sie an den Ergebnissen interessiert sind, kontaktieren Sie bitte Gerda E. Moser.
Kanonforschung
Auch wenn man die Existenz objektiver autonom-ästhetischer Qualitätsmerkmale kanonisierter bzw. kanonisierbarer Texte nicht leugnen möchte, so ist doch offensichtlich, dass die Kanonizität eines Textes, mithin seine Hierarchisierung, maßgeblich von außerästhetischen Faktoren abhängt. Welche Entscheidungsprozesse und welche Art der Partizipation welcher Akteure im literarischen Feld zur Bildung eines literarischen Kanons führen, bleibt jedoch meist unbeachtet.
Die Untersuchung dieser performativen Prozesse beleuchtet die Kontingenz des Kanons, der gewissermaßen ein naturalisiertes kulturelles Konstrukt darstellt. Dieser – obschon also kontingentes Produkt sozialer und geschichtlicher Entwicklungen – erscheint uns heute als „natürlich“ und objektiv gültig: Das bloße Wissen um seine Genese befreit uns noch nicht von seiner disziplinierenden Macht. Die kritische Betrachtung seiner Funktionsweise eröffnet jedoch neue Perspektiven der Kanonkritik.
Deutsch als Fremd- und Zweitsprache
Personen mit deutscher Muttersprache lernen, lehren und betrachten die deutsche Sprache vor allem aus der Binnenperspektive, also aus der Sicht der „Eigentümer“, denen die eigene Sprache besonders nah und in gewisser Hinsicht selbstverständlich ist. Will man diese Sprache aber Personen vermitteln, die Deutsch als Fremdsprache lernen, ist ein Perspektivenwechsel notwendig, die eigene, oft sehr eingeschränkte Sicht muss durch den Blick von außen erweitert, das Selbstverständliche auch anderen verständlich gemacht werden.
Deutsch als Fremd- und Zweitsprache (DaF/DaZ) beschäftigt sich mit der Erforschung der deutschen Sprache und der Kultur der deutschsprachigen Länder unter den Bedingungen und in der Perspektive ihrer Fremdheit und unter besonderer Berücksichtigung von Prozessen des Sprachenlehrens und -lernens sowie des Sprach- und Kulturkontakts. Somit behandelt das Fach einerseits natürlich germanistische Fragestellungen (Linguistik, Literatur in spezifischer Perspektivierung), arbeitet aber zu einem großen Teil interdisziplinär über die Germanistik hinaus in den Bereichen der kontrastiven Linguistik, Sozial- und Sprachpsychologie (Spracherwerbsforschung), Landeskunde sowie Sprachdidaktik.
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