Wahlfachstudium Gender und Diversität
Das Wahlfachstudium Gender und Diversität an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt ist interdisziplinär ausgerichtet und bietet ein kontinuierliches Angebot an Lehrveranstaltungen. Es stellt keine eigenständige Studienrichtung dar, sondern bietet den Studierenden der verschiedenen Studienrichtungen der Universität die Möglichkeit, ihr Fachgebiet durch den Besuch einzelner Lehrveranstaltungen oder gesamter Module aus dem Angebot des Wahlfachs “Gender und Diversität” zu erweitern.
Aktueller Studienprogrammfolder WiSe 2024/2025
Das Wahlfachstudium unterteilt sich in sieben (thematische) Module:
Modul 1: Einführung
Das Einführungsmodul gibt einen Überblick über die wissenschaftshistorischen Entwicklungen und die Bandbreite der Denkrichtungen der Gender und Diversity Studies (Feministische Theorien, Gender Studies, Queer Studies, die Frauen*- und Geschlechterforschung, die Inter*- und Trans*forschung, die kritische Männerforschung, die Post- und Decolonial Studies, sowie die Diversity Studies). Besondere Berücksichtigung finden Konzepte wie Intersektionalität, Interdependenzen und auch Diversityansätze. Dabei werden die verschiedenen Machtverhältnisse wie z.B. Sexismus, Heteronormativität, Rassismus, Ableismus, Klassismus und Kolonialismus in ihren Verschränkungen interagierend verstanden.
In einer Einführungslehrveranstaltung werden zentrale Ansätze und Texte der Gender Studies vermittelt und in aktuelle inter*- und trans*disziplinäre Debatten eingeführt. In einer praxisbezogenen Lehrveranstaltung werden Elemente von Gender- und Diversity Trainings angewendet und über Interventionen in der Praxis reflektiert. Es werden Fälle von Diskriminierung und Mehrfachdiskriminierung vorgestellt und Strategien emanzipativen Umgangs mit Ungleichheiten entwickelt. Feministische und queer-intersektionale Wissenschafts- und Erkenntnistheorien sowie verschiedene genderspezifische Methoden (Erinnerungsmethode, Biographieforschung etc.) sind Themenbereiche der Lehrveranstaltung zur Methodologie.
Modul 2: Lebenswirklichkeiten
Das Modul „Lebenswirklichkeiten“ befasst sich mit Lebenszeiten und -räumen, in denen sich Geschlechterverhältnisse sowie andere Achsen sozialer Ungleichheit in besonderer Weise manifestieren. Macht-, Herrschafts- und Gewaltverhältnisse, die in die Geschlechterordnung eingeschrieben sind, werden dahingehend untersucht, wie sie bestimmte Lebensentwürfe hervorbringen und zugleich normieren. Gleichzeitig stehen Versuche, hegemoniale Logiken theoretisch wie alltagspraktisch zu unterlaufen – etwa im Zuge der Realisierung und Performanz alternativer Lebensentwürfe –, im Fokus der Auseinandersetzung. Den Bedingungen der Möglichkeit sozialen Wandels wird auf theoretischer, politischer und alltagspraktischer Ebene nachgegangen. Paradoxe Effekte sowie (unbeabsichtigte) Folgen, die sich aus Gleichheits- und Differenzperspektiven ebenso wie den Versuchen ergeben (können), Machtstrukturen aufzubrechen, werden thematisiert. Studierende werden nicht nur unterstützt, eigene Haltungen und Handlungen zu reflektieren und zu kontextualisieren, sondern auch, die eigene Verantwortung bei der Etablierung einer (geschlechter-)gerechteren Gesellschaft wahrzunehmen. Dies geschieht u. a. vor dem Hintergrund der Thematisierung von Differenz, Intersektionalität und (De)Kolonialität. Diversität(sdiskursen), Migration, Klimawandel sowie prekären Lebensverhältnissen kommt dabei ein besonderer Stellenwert zu.
Modul 3: Wirtschaft und Arbeit
Im Modul „Wirtschaft und Arbeit“ reflektieren Studierende verschiedener Studienrichtungen die Bedeutung von Gender und Diversität im organisationalen Kontext sowie in unterschiedlichen Feldern unternehmerischen Handelns. Nicht nur Digitalisierung und Internationalisierung, sondern auch geänderte gesetzliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen im Hinblick auf Gleichstellung, Antidiskriminierung und Diversität stellen Unternehmen und wirtschaftliche Akteur:innen vor neue Herausforderungen in der heutigen Arbeitswelt. Diese sind daher gefordert, ihre Organisationskulturen diversitätsfreundlich, antidiskriminierend und gleichstellungsorientiert zu gestalten. Mitarbeiter:innen mit Kompetenzen und Know-how im Bereich Gender und Diversität verfügen damit über einen möglicherweise entscheidenden Wettbewerbsvorteil am Arbeitsmarkt. Das Modul behandelt dabei wichtige Themen der Betriebswirtschaft, Rechtswissenschaft und/oder der Volkswirtschaft in Zusammenhang mit Gender und Diversität (z.B. Gender- & Diversitätsmanagement, Intersektionalität, Gender Mainstreaming/Gender Budgeting, Feministische Ökonomie, Vereinbarkeit von Beruf und Familie). Studierende erhalten dementsprechend theoretisches wie praktisches Wissen zur Umsetzung von Diversität als Managementstrategie. Neben Strategien und deren Implementierung in Form von Maßnahmen wie beispielsweise Gender Mainstreaming oder Frauenförderung werden auch alternative Theorieansätze der Ökonomie (z.B. Heterodoxe Ökonomie, Feministische Ökonomie und Gender Economics) vermittelt. Studierende werden dadurch angehalten, Wirtschaft weiter zu denken und Veränderungspotenzial in Organisationen im Hinblick auf Diversität zu identifizieren. Zudem werden Studierende hinsichtlich der ökonomischen Gleichstellung der Geschlechter (Zugang zum Arbeitsmarkt und bestimmte Branchen/Segregation, Löhne/Gender Pay Gap, Vergabe von Führungspositionen/Gläserne Decke) sensibilisiert und lernen praxisrelevante Strategien und Lösungswege kennen, wie beispielsweise Gleichstellungs-, Diversitäts- und Frauenförderungskonzepte.
Modul 4: Historizität - Erinnerung - Erfahrung
Die Studierenden erkennen die historische Bedingtheit und Entwicklung von Geschlechtermodellen, -rollen und -stereotypen und setzen sich mit den geschlechtsspezifischen Ausdifferenzierungen von Lebenswirklichkeiten und Handlungsspielräumen auseinander, wobei insbesondere die folgenden Bereiche im Fokus stehen:
- Repräsentationen, Narrationen, Performanz: die Darstellungen, Erzählweisen und Inszenierungen von Geschlecht in öffentlich-kulturellen und privaten Räumen.
- Anpassung/Widerstand: geschlechtsspezifisch variierende Formen menschlichen Verhaltens im Kontext politischer, sozialer und kultureller Systeme und Normen.
- Ideologien/Ideologiekritik: die Entwicklung geschlechtersensibler ideologiekritischer Positionen sowie die Auseinandersetzung mit geschlechtsspezifischen Ausformungen verschiedener Ideologien in ihrer theoretischen Begründung und praktischen Wirkmächtigkeit.
- Geschlecht und Nation: geschlechtsspezifische kulturelle und kommunikative Repräsentationsformen von Nation sowie geschlechtsspezifische Partizipation an nationalen Projekten und in Prozessen des nation-building.
- Geschlechter/Menschenrechte: der rechtliche Status und der Kampf der Geschlechter um ihre Rechte, Analysen von kodifizierten und nicht-kodifizierten Rechtssystemen in ihrer Auswirkung auf Geschlechterordnungen, geschlechtsbezogene Menschenrechtsverletzungen im Wandel der Zeit.
- Frauen*politiken/feministische Positionen: Frauen*- und Queerbewegungen in ihrer historischen Genese mit ihren differenten Ausprägungen und Zielen sowie das Verhältnis von Geschlecht und Politik.
- Herstories/Histories/Theirstories: der persönlich-reflexive Zugang zu sowie Strukturen und Bedeutungen von geschlechtsspezifischem Erzählen, Erinnern, Erfahren und Überliefern.
Modul 5: Kommunikation - Repräsentation
Texte, Bilder sowie alle Sprachhandlungen sind niemals geschlechtsneutral; sie produzieren und reproduzieren immer spezifische Formen von geschlechtlicher Identität und damit auch von Geschlechterverhältnissen. In Ästhetik, Diskursen, Blickstrukturen, Bildern und Vorstellungen von Geschlecht kommen gesellschaftliche Machtverhältnisse, aber auch deren Subversionen zum Ausdruck.
Welche Bilder und Vorstellungen von Geschlecht, sexueller Identität, „Weiblichkeiten“ und „Männlichkeiten“ finden wir unter historisch-spezifischen und kulturellen Bedingungen in der Alltags- und professionellen Kommunikation, in Sprache und Literatur, in Kunst und visueller Kultur, in der Populärkultur, in Massen- und sozialen Medien? Welche Wünsche, welches Begehren, welche Emotionen und Fantasien sind damit verknüpft? Welche Relevanz hat all dies für unser Selbstverständnis und das unserer Gesellschaft?
Das Modul thematisiert kommunikative Praktiken, die Geschlecht diskursiv, visualisiert und performativ herstellen und dabei hegemoniale Heteronormativität fortlaufend (re)produzieren, allerdings auch parodieren, ironisieren, verzerren, satirisch überhöhen und in Frage stellen. Dabei werden auch Effekte der Interdependenzen von Geschlecht, Sexualität, Ethnie, Klasse, Alter etc. im besonderen Maße berücksichtigt.
Zur Bearbeitung dieser Themen werden theoretische und methodische Zugänge aus verschiedenen Disziplinen wie Sprach- und Literaturwissenschaft, Philosophie, Kulturwissenschaft, Kunstgeschichte und Bildwissenschaft, Film-, Medien- und Kommunikationswissenschaft, Soziologie sowie Visual Culture Studies vorgestellt, diskutiert und zur Anwendung gebracht. Potenzielle Analysebeispiele umfassen dabei sämtliche Text- und Medienarten, wie Literatur und Zeitungen/Zeitschriften, Radio, Film und TV sowie Internet und soziale Medien in all ihren Varianten.
Modul 6: Körper - Psyche - Leiblichkeit
Das Modul deckt die Auseinandersetzung mit Körper, Leiblichkeit und Psyche in unterschiedlichen wissenschaftlichen aber auch praktisch-klinischen oder praktisch– psychosozialen Feldern (Psychotherapie bzw. Psychoanalyse, Gesundheitsberufe etc.) ab. Im Vordergrund des Moduls steht die Verhandlung, Ausverhandlung und Behandlung von Körper, Leiblichkeit und Psyche. Körper, Leiblichkeit und Psyche werden aus einem erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen, einem kulturtheoretischen, einem empirisch-sozial- und kulturwissenschaftlichen, einem praxisorientieren und/oder einem ethischen Gesichtspunkt betrachtet. Die Perspektiven sind gleichsam transversal in vielfältigen thematischen Feldern angelegt, wie beispielsweise Lebensbedingungen und Bewältigungsstrategien von Frauen*, Geschlechterrollen, Geschlechterstereotype und Funktionen, Körper- und Geschlechterimaginäres, Psychoanalyse – Psychosomatik – Therapie, Affekttheorie, Bio-/Technologiekritik, Gewalt, Körpermanipulationen, Trans*, Intergeschlechtlichkeit, Alter/n, Recht, (Bio)Politik und Integrität.
Ziel des Moduls ist die Vermittlung und Weiterführung der durch intersektionale Theorien, feministische Kritik, Geschlechterforschung und Queer Theory eröffneten Hinterfragung von Beherrschungs- und Normierungsdiskursen bzw. -praktiken in Bezug auf Körper, Psyche und Leiblichkeit. Die zu erarbeitenden kritischen Ansätze fassen Leib und Körper in ihrer komplexen Verschränkung mit der Psyche; als sexuierte Körper und schließlich als sexualisierte Körper innerhalb eines asymmetrisch-komplementären Geschlechtervertrags. Im Modul verankerte Diskurse können sich befassen mit den seit der griechischen Antike „normierten“ Männerkörpern, welche zugleich Modell und Glied kollektiver Körper darstellen, und sich vom amorph gefassten Frauenleib abgrenzen; mit dem Ausschluss von Frauen* und nicht dieser „Norm“ entsprechender Modellkörper; auch können Verhandlungen, Veränderungen und strukturelle Kontinuitäten, ebenso wie Machtrelationen, Macht- und Herrschaftsausübungen und daraus resultierende Symptommanifestationen im Kontext Körper, Leib und Psyche behandelt werden.
Modul 7: Diversität und Technik
Ziel des Moduls ‚Diversität und Technik‘ ist es, die Bedeutung von Gender und Diversität im Kontext der Technikgestaltung zu beleuchten. Die Entwicklung neuer Technologien greift in bestehende gesellschaftliche Verhältnisse ein und beeinflusst die Frage, wie wir zukünftig leben wollen. Technikgestaltung ist daher nicht nur ein technischer, sondern auch ein sozialer und gesellschaftspolitischer Prozess, der einen Baustein für gesellschaftliche Veränderungen darstellt. Wichtige Aspekte der Technikgestaltung sind also Gender- und Diversitätsperspektiven. Es geht darum, unterschiedliche Bedürfnisse und Anforderungen verschiedenster Menschen bei der Entwicklung neuer Technologien zu berücksichtigen. Dabei geht es nicht nur um die Frage, ob eine Technologie geeignet ist, sondern auch um die Frage, ob sie geschlechtergerecht gestaltet ist und gesellschaftliche Konsequenzen mitberücksichtigt wurden. Immer mehr Bereiche unseres Lebens werden von Technologie durchdrungen, was nicht zuletzt Auswirkungen auf Umwelt, Bildung, Gesundheit und den Arbeitsmarkt hat. Es stellt sich zum Beispiel die Frage, welche Auswirkungen technologische Entwicklungen auf Arbeitsbedingungen haben und wie sichergestellt werden kann, dass keine Menschen von Technologien diskriminiert werden und alle gleichermaßen von deren Vorteilen profitieren können. Insgesamt zeigt sich also, dass Diversität ein wichtiger Aspekt bei der Gestaltung neuer Technologien ist. Nur wenn unterschiedliche Perspektiven berücksichtigt werden, können Technologien geschaffen werden, die den Bedürfnissen aller Menschen gerecht werden.
Neben einer Einführung in die Themen Gender und Technik sowie Technikfolgenabschätzung, werden Einblicke in queer-feministische Technikforschung gegeben und aktuelle Themen aus Naturwissenschaft, Informatik und Technik kritisch diskutiert. Die Lehrveranstaltungen des Moduls behandeln aktuelle und gesellschaftlich prägende Fragestellungen wie beispielsweise die Geschlechterzuweisung bei Produkten und Prozessen (Doing Gender in der Technik), geschlechtergerechte partizipative Technikgestaltung, Ökonomisierung der Technik, Gender und Diversität im Themenfeld Künstliche Intelligenz, Gender Data Gap, Virtuelle (Lebens-)welten, eLobbying und eNetworking, gendersensible Anwendung von neuen Medien in der Lehre, queer-feministische Perspektiven auf Reproduktions- und Biotechnologien, Cyber-Demokratie oder Gender und Diversität in Popkultur und Sozialen Medien.
Die Möglichkeit der Integration von Lehrveranstaltungen aus dem Wahlfachstudium “Gender und Diversität” in die verschiedenen Studienrichtungen hat eine große Vielfalt unter den Studierenden dieses Wahlfachstudiums zu Folge. So besuchen Studierende aller Semester/Jahrgänge und verschiedenster Studienrichtungen mit unterschiedlichem Vorwissen die Lehrveranstaltungen. Dies schafft ein offenes, von Diversität geprägtes Lehr- und Lernklima.
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