
LITERATUR DER NACHBARN: Miljenko Jergović

Zugewandt, voller Traurigkeit und Humor erzählt der bosnisch-herzegowinische und kroatische Schriftsteller, Dichter und Essayist vom täglichen Überleben in der Belagerung und den Schrecken des Krieges, von Hunger, Angst und den kleinen Gesten der Solidarität. Die Atmosphäre der Kriegsjahre erscheint so plastisch wie das fragile, zugleich unzerstörbare Leben darin – meisterhafte Erzählungen von der Menschlichkeit, die sich am Nullpunkt behauptet.
Da ist zum Beispiel Pero Magacioner, das verrückte Herz. Er streicht den Leuten in Sarajevo die Wohnungen, mehr schlecht als recht. Mit Ausbruch des Krieges lässt bald niemand mehr seine Wohnung streichen, dafür steigt der Bedarf an Dachdeckern. Die Handwerker wollen nicht mehr auf die zerschossenen Dächer steigen, Pero Magacioner klettert trotzdem hoch, bringt sie wieder in Ordnung, so gut, erzählt man sich, wie er sonst nie etwas gemacht hat. Kurz vor Kriegsende stürzt er vom Dach, einfach so, ein ungebührlich unverdienter Tod inmitten all der unverdienten Tode in der belagerten Stadt, dem Jergović ein berührendes Denkmal setzt.
Miljenko Jergović, 1966 in Sarajevo geboren, studierte Philosophie und Soziologie an der dortigen Universität. Jergović berichtete unter anderem aus dem belagerten Sarajevo und war dort auch Redakteur beim Fernsehen. Seit 1993 lebt er als freier Schriftsteller in Zagreb und ist als politischer Kolumnist für verschiedene kroatische und internationale Zeitungen tätig.
Moderation: Cristina Beretta und Dominik Srienc
Veranstalter
Robert Musil-Institut für Literaturforschung - Kärntner Literaturarchiv
in Zusammenarbeit mit
Institut für Slawistik / Südosteurop. Gesellschaft
Kontakt
Edith Bernhofer (musil-institut [at] aau [dot] at)