„Premiumhandelsmarken sind ein zweischneidiges Schwert“
ad astra hat Holger Roschk im Klagenfurter Delikatessengeschäft Jäger getroffen und mit ihm über die Chancen und Risiken von Premiumhandelsmarken gesprochen und nachgefragt, welche Bedeutung sie für den Lebensmitteleinzelhandel haben.
Der Lebensmitteleinzelhandel wie Spar oder Rewe bietet im Sortiment Premiumhandelsmarken an. Mit Erfolg?
Grundsätzlich ja, da mit Produkten, die im gehobenen Preis- und Qualitätsniveau angesiedelt sind, höhere Gewinnspannen zu erwarten sind. Im Handel ist ein allgemeiner Trend zum höherwertigeren Einkauf zu beobachten, und die Käuferinnen und Käufer legen mehr Wert auf Nachhaltigkeit und umweltbewusstes Handeln sowie regionalen Bezug. Dies hat der Handel frühzeitig erkannt.
Was hat sich in den letzten zehn Jahren verändert?
Mit der Einführung so genannter hochwertiger Handelsmarkenlinien hat sich ein neues Handelsmarkenformat entwickelt. Nehmen wir als Beispiel die Einführung Rewe feine Welt in Deutschland oder die Bio-Eigenmarke Ja! Natürlich von Rewe Austria. Die Produkte ermöglichen den Händlern in ein qualitatives Segment vorzudringen, das ihnen bisher verschlossen war. Sie ergänzen sozusagen die beiden anderen Handelsmarkenlinien, nämlich die Standardhandelsmarke, die sich durch mittlere Qualität auszeichnet, sowie die Preiseinstiegshandelsmarke als untere Qualitätslinie. Somit kann der Handel auf individuelle Vorlieben der Konsumentinnen und Konsumenten eingehen und einen außergewöhnlichen Produktnutzen bieten.
Gibt es ein klassisches Händlersortiment?
So was gibt es. Die Marken unterscheiden sich dahingehend, ob es sich um eine Handelsmarke – das sind die Eigenmarken der Händler – oder eine Herstellermarke – das sind alle Markenartikel – handelt und auf welcher Qualitätslinie sie positioniert sind. Das Sortiment von Schokolade reicht etwa von der Premiumherstellermarke Lindt bis zur Standardherstellermarke Ritter Sport und wird um die Handelsmarken erweitert.
Verspüren Verbraucher nicht oft den Wunsch nach Abwechslung und probieren andere Produkte aus?
Ja. Das ist eine Chance, um Premiumhandelsmarken einzuführen. Dabei spricht man vom Variety Seeking, das Streben nach Abwechslung und Interesse für Neuartiges sowie einer höheren Preiszahlungsbereitschaft. Von diesen Kunden-Eigenschaften profitieren die Handelsmarken.
Wo werden bevorzugt Premiumhandelsmarken noch eingeführt?
Bei Produkten mit größeren Kaufabständen, wie etwa beim Waschmittel. Kürzere Kaufabstände führen zu einer höheren Preissensitivität. Milch als Grundnahrungsmittel wird täglich gekauft, über den Preis ist man gut informiert und man greift weniger zu Premiumprodukten. Die ausgewerteten Studien belegen auch, dass Produkte im höheren Preissegment dort eingeführt werden, wo bereits Standardhandelsmarken vorhanden sind und diese Marken von Kunden akzeptiert werden. Die Qualitätswahrnehmung und die Aufwertung der Premiumhandelsmarke werden von der Präsenz von günstigeren Handelsmarkenalternativen positiv beeinflusst. Dieser Vergleich ermöglicht es, dem teureren Produkt eine bessere Qualität zuzuschreiben.
Wie kann man sich den typischen Käufer oder die Käuferin einer Premiummarke vorstellen?
Sie sind vor allem wenig preissensitiv und serviceorientiert. Sie bevorzugen eher Händler mit einem hochpreisigen Image. Die „Nur der Preis zählt“-Mentalität steht nicht mehr im Vordergrund. Es wird großer Wert auf Freundlichkeit des Personals, eine kompetente Beratung sowie auf eine übersichtliche Ladengestaltung gelegt. Breitere Gänge und ein höherwertiges Erscheinungsbild sind jedenfalls kaufentscheidend.
Kann die Einstellung zum Premiumprodukt beeinflusst werden?
Ja. Gerade bei hochpreisigen Produkten bedient man sich Corporate Social Responsibility – CSR – Maßnahmen. Beispielsweise die CSR-Botschaft durch den Aufdruck auf der Verpackung „hergestellt aus natürlichen und regionalen Zutaten“ schafft einen gewissen Mehrwert des Produkts, indem die Expertise und Innovationsfreudigkeit des Händlers betont wird.
Wie sollten die Produkte gekennzeichnet sein?
Da gibt es grundsätzlich zwei Ansätze. Beim Store-banner-Branding befindet sich das Logo des Händlers auf den Produkten, und so kann der Eigentümer der Marke durch die Kundin eindeutig zugeordnet werden. Wohingegen Hofer mit der Schokoladen-PremiumhandelsmarkeMoser Roth beispielsweise eine Individualmarke führt. Premiumhandelsmarken zeichnen sich allgemein durch ein innovativeres Verpackungsdesign aus, um eine höhere Produktqualität zu signalisieren.
Aufgrund der höheren Verkaufspreise liegt die Vermutung nahe, höhere Gewinne mit Premiummarken zu erzielen.
Nicht unbedingt. Im prozentualen Vergleich ist der Unterschied zwischen Standard- und Premiumsegment nicht besonders hoch. Wenn jedoch die absolute Gewinnspanne der einzelnen Qualitätslinien betrachtet wird, so zeigt sich sehr wohl, dass Premiumhandelsmarken aufgrund der hochpreisigen Positionierung höhere Margen aufweisen.
Belasten dann die Premiumhandelsmarken nicht die etablierten Handelsmarken?
Es können Kannibalisierungseffekte zulasten der unteren Handelsmarkenlinien auftreten und es kommt zu Marktanteilsverschiebungen. Sind jedoch die Standard- und Preiseinstiegslinien fest etabliert, können Marktanteilsverluste verkraftet werden. Der Händler hat nun die Möglichkeit, sein Sortiment aufzuwerten und so einen absoluten höheren Stückgewinn zu erzielen. Es darf nur nicht zu einer Gefährdung einer etablierten Marke führen, denn dann müsste die unrentable Premiumhandelsmarke wieder aus dem Sortiment entfernt werden. In Abwägung aller Risiken und Chancen lassen sich Premiumprodukte durchaus als zweischneidiges Schwert betrachten.
für ad astra: Lydia Krömer
Zur Person
Holger Roschk ist Universitätsprofessor für Dienstleistungsmanagement am Institut für Organisation, Personal- und Dienstleistungsmanagement.
Er hat gemeinsam mit Katharina Kobler und Julia Hagel den Erkenntnisstand aus 23 Studien der letzten zehn Jahre über Premiumhandelsmarken zusammengefasst.
Der wissenschaftliche Beitrag wurde im Marketing ZFP-Journal of Research and Management (2015, Heft 4) veröffentlicht.