Narzissmus in den Chefetagen
Neid am Arbeitsplatz kann unterschiedliche Ursachen haben: die Unternehmenskultur, knappe Ressourcen im Unternehmen, die eigene Persönlichkeit oder aber der vorherrschende Führungsstil. Eine Studie zeigt nun die Wechselwirkungen von Neid, kontraproduktivem Arbeitsverhalten und narzisstischen Führungskräften.
Wie sollte der oder die „ideale“ Vorgesetzte sein?
Wertschätzend und gerecht gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Lob und Anerkennung aussprechen, wenn es angebracht ist. Studien zeigen, dass beispielsweise ein transformationaler Führungsstil, d. h. Führungskräfte, die ihre MitarbeiterInnen miteinbeziehen, in Prozesse inkludieren und eine gemeinsame Vision verbreiten, günstig ist, da die MitarbeiterInnen in diesem Arbeitskontext zufrieden und motiviert sind.
Dennoch führen Vorgesetzte unterschiedlich. Sie haben den narzisstischen Führungsstil näher erforscht.
Genau. Dieser Stil kennzeichnet sich durch eher ausgrenzendes, nicht mitarbeiterorientiertes Führungsverhalten. Narzisstische Führungskräfte verbuchen gerne Erfolge oder Ideen anderer als ihre eigenen und interessieren sich kaum für die Wünsche und Interessen anderer. Machtstreben, Selbstzentriertheit und eine gewisse Rücksichtslosigkeit prägen ihr Verhalten.
Welche Folgen hat dieses Verhalten in einem Unternehmen?
Es kann sich unterschiedlich auswirken. Oft führt dieser wenig wertschätzende Umgang zu so genanntem „schwarzen“ Neid. Das ist ein sehr destruktives Gefühl: Ich möchte das haben, was der andere hat, sei es eine Eigenschaft oder etwas Materielles. Zugleich werte ich den anderen ab und gönne ihm das nicht. Das kann es sowohl auf horizontaler Ebene geben, also unter Kolleginnen und Kollegen, als auch auf vertikaler Ebene gegenüber der Führungskraft.
Und „schwarzer“ Neid entsteht vor allem bei narzisstischen Führungspersönlichkeiten?
Nicht nur, aber bei unserer empirischen Studie haben wir beobachtet, dass bei narzisstisch wahrgenommenen Führungskräften „schwarzer“ Neid entstanden ist. Wogegen wertschätzender und inkludierender Führungsstil eher „weißen“ Neid erzeugt hat. Bei „weißem“ Neid möchte ich zwar auch das haben, was eine andere Person hat, allerdings bewundere ich diese Person und möchte gerne ein wenig wie sie sein. Diese positive Form von Neid motiviert mich, mich zu verbessern. Ich denke, die Kunst ist es als Führungskraft, nur den „weißen“ Neid entstehen zu lassen.
Welche anderen Auswirkungen hat narzisstischer Führungsstil noch?
Eine Folge daraus kann, muss aber nicht, kontraproduktives Arbeitsverhalten sein, das bedeutet, der Mitarbeiter bzw. die Mitarbeiterin versucht, den Unternehmensinteressen oder der Führungskraft zu schaden. Dabei handelt es sich um verschiedene Verhaltensweisen, die durchaus aggressiven Charakter haben können – oft auch als eine Art Rache. Die betroffene Person hat das Gefühl, unfair behandelt worden zu sein, und sieht es als moralisch legitim an, zurückzuschlagen – mit den Mitteln, die ihr zur Verfügung stehen.
Welche können das sein?
Das fängt an bei Kopierpapier, das mit nach Hause genommen wird, oder besonders langen Pausen bis hin zu Absentismus. In vielen Fällen richtet es sich nicht direkt gegen den Chef oder die Chefin, sondern gegen das Unternehmen als Ganzes. Da wird dann gelästert mit dem Ziel, dem Ruf des Unternehmens zu schaden. Mobbing kann oft auch dazugezählt werden. So ein Verhalten wird nicht ausschließlich durch den Führungsstil des Vorgesetzten hervorgerufen, aber Führungspersonen können hier viel richtig oder falsch machen.
Ist der narzisstische Führungsstil erfolgreich?
Es gibt auch andere Führungsstile, wie den autoritären oder den vorhin erwähnten transformationalen. Aber narzisstische Personen sind aus ihrer Sicht oft erfolgreich, weil sie ein sehr selbstbewusstes Auftreten haben. Oftmals verfügen sie auch über positiv konnotierte Charaktereigenschaften, die sie in Führungspositionen gebracht haben. Sie sind zielstrebig, rhetorisch versiert, charismatisch. Das große Problem ist, sie sind meist nur an sich selbst und ihrem persönlichen Erfolg interessiert. Narzisstische Führungskräfte haben wenig bis kein Interesse an einem guten Betriebsklima oder wertschätzendem Umgang im Unternehmen.
Wie geht man mit diesen Personen am besten um?
Es ist schwer, sich so einer Persönlichkeit entgegenzustellen und sie direkt zu konfrontieren. Das bedarf viel Mut und Zivilcourage, da man als unterstellter Mitarbeiter oder Mitarbeiterin in einem Abhängigkeitsverhältnis steht und seinen Arbeitsplatz nicht verlieren will.
Welche Empfehlung geben Sie Unternehmen im Umgang mit solchen Führungskräften?
Am besten gar nicht erst einstellen! Aber wie schon erwähnt, nicht nur der Führungsstil ist für Neid und kontraproduktives Verhalten verantwortlich. Ich würde Unternehmen und Führungskräften empfehlen, Strukturen zu schaffen, die Neid gar nicht aufkommen lassen können. Es sollte vermieden werden, bestimmte Personen zu bevorzugen oder zu wenig Wertschätzung zu zeigen. Denn „schwarzer“ Neid kommt immer dann auf, wenn Menschen das Gefühl haben, sie werden ungerecht behandelt.
Kann man narzisstische Personen im Bewerbungsgespräch erkennen?
Das ist nicht einfach, vor allem weil es sich meist nur um narzisstische Züge handelt. Narzissmus an sich ist eine Persönlichkeitsstörung, von der es unterschiedliche Schattierungen und Ausprägungen gibt. Zudem treten narzisstische Menschen häufig sehr professionell, kompetent und selbstbewusst auf. Woran es aber mangelt, ist die empathische Orientierung am Anderen. Das ist in einem einfachen Bewerbungsgespräch schwer zu erkennen.
Warum sollten sich Unternehmen über Führungsstile Gedanken machen?
Die Forschung zeigt, dass beim transformationalen Führungsstil die Arbeitsplatzzufriedenheit, die Motivation und der Output besonders hoch sind. MitarbeiterInnen sind zufrieden, wenn sie das Gefühl haben, dass sie gehört werden und wichtig sind.
für ad astra: Katharina Tischler-Banfield
Zur Person
Nilüfer Aydin ist seit Februar 2014 Professorin für Sozialpsychologie an der Alpen-Adria-Universität. Sie habilitierte 2011 an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München. Ihre Forschung beschäftigt sich vor allem mit den Folgen sozialer Ausgrenzung, antisozialem Verhalten und Fragestellungen aus der Stereotypen- und Vorurteilsforschung.