Abstracts (29.6.2017)
Abstracts zu den Programmpunkten
Hier finden Sie alle Abstracts zu den Beiträgen. Die Abstracts sind nach Tracks bzw. chronologisch sortiert. Einen Überblick über das Programm finden Sie hier.
- Digitalisierung & Alltagspraktiken (10:15 – 11:15 Uhr, Hörsaal A)
- Digitalisierung & Unternehmenssteuerung (10:15 – 11:15 Uhr, Stiftungssaal)
- Lernen & Lehren 4.0 (11:15 – 12:15 Uhr, Stiftungssaal)
- Digitale Edition – kulturelles Gedächtnis (13:15 – 14:45 Uhr, Hörsaal A)
- Digitale Edition – kulturelle Praktiken (14:45 – 16:00 Uhr, Hörsaal A)
- Aspekte einer digitalen Geographie des Menschen (14:00 – 16:00 Uhr, Stiftungssaal)
- Weitere Angebote (Einzelvorträge und Diskussionsrunde)
Digitalisierung und Alltagspraktiken. Kulturwissenschaftliche Perspektiven auf den soziokulturellen Wandel
Zum Track
Koordinatoren: Ute Holfelder, Klaus Schönberger
Ein Forschungsschwerpunkt des Instituts für Kulturanalyse ist die Kulturwissenschaftliche Technikforschung, die sich zugleich als Alltagskulturforschung und Kontextwissenschaft versteht. Soziales Handeln wie auch die Produktion, Distribution und Rezeption zeitgenössischer populärer Kultur lassen sich heute ohne die mit der Digitalisierung verbundenen Praktiken und Handlungsmuster nicht mehr hinreichend verstehen. Infolgedessen wird digitale Technik in der Kulturanalyse als Querschnittsdimension betrachtet. Stichwörter wie Miniaturisierung, Veralltäglichung, Vervielfältigung oder Speicherung sind Spezifika, die immer mitgedacht und hinreichend berücksichtigt werden müssen. Hierbei steht der alltägliche Umgang mit digitaler Technik und der soziokulturelle Wandel im Mittelpunkt des Interesses, wobei der Akteursperspektive besondere Bedeutung zukommt. Ausgehend von den technischen Funktionalitäten digitaler Devices und Kommunikationsformen sowie ihrem soziotechnischen Enablingpotenzial nähert sich diese Kulturanalyse dem digitalen Artefakt und den alltäglichen Nutzungen über die Praktiken, Handlungs- und Deutungsmuster unter Berücksichtigung einer historischen Perspektive, die untersucht wie das Alte neu wird.
Medientechnik im Protestalltag (Marion Hamm, Institut für Kulturanalyse)
29. Juni 2017 | 10:15-10:30 Uhr | Hörsaal A
In der kurzen Zeitspanne zwischen Web 1.0 und Web 2.0 gehörten die Aktivist_innen einer weltweit vernetzten globalisierungskritischen sozialen Bewegung zu den „early adopters“ der neuen Informationstechnik. In zahlreichen international synchronisierten Protesten schufen sie eine bewegungseigene digitale Infrastruktur, in der neue multimediale Kommunikationspraktiken kollektiv entwickelt werden konnten. Der Beitrag diskutiert den Anteil dieser politisch motivierten Internetpioniere zur Veralltäglichung digitaler Kommunikation unter besonderer Berücksichtigung der Akteursperspektiven. Einerseits fanden viele ihrer Praktiken in veränderter Form Eingang in die heute gebräuchlichen kommerziellen sozialen Netzwerkplattformen. Andererseits konnte sich angesichts von Unternehmen wie Google, Facebook oder Microsoft die Vision einer von den Nutzer_innen selbst kontrollierten digitalen Infrastruktur nicht durchsetzen.
Kompetenzen für die Wissenskommunikation (Sandra Hölbling-Inzko, Institut für Kulturanalyse)
29. Juni 2017 | 10:30-10:45 Uhr | Hörsaal A
Informationen zu suchen und zu finden ist seit jeher einer der zentralen Beweggründe, das Internet zu nutzen. Immer bedeutender sind in den letzten Jahren jene Anwendungen und Formate geworden, in denen Nutzer/innen kollaborativ Inhalte für andere Nutzer_innen produzieren. Sind diese Angebote in Form von Fragen und Antworten organisiert, wie dies bei Question&Answer-Seiten (Q&A) der Fall ist, wird die Suche nach Wissenselementen um den Aspekt der Kommunikation erweitert. Die technologischen Bedingungen von Q&A-Seiten erfordern, dass die Nutzer/innen über eine Reihe von Kompetenzen verfügen, damit sie ihre Ziele erreichen können. Eine der zentralen Funktionen der Seite German Language innerhalb des Netzwerkes Stack Exchange, die im Kurzvortrag vorgestellt werden soll, ist die Editierfunktion. Das Editieren des eigenen Beitrages oder des Beitrages von anderen wird als ‚Wertsteigerung‘ des Inhalts angesehen, weil Fehler beseitigt, zusätzliche Wissenselemente eingeführt oder weiterführende Informationen gegeben werden. Eine Analyse der Beiträge und ihrer Versionsgeschichten zeigt aber, dass diese ‚Wertsteigerung‘ nicht immer für alle an der Kommunikation Beteiligten gleichermaßen klar ist und die Gültigkeit des Editierens Verhandlungssache ist. Der Kurzvortrag möchte mittels empirischer Beispiele zeigen, welche sprachlichen und technischen Kompetenzen notwendig sind, um erfolgreich an dieser Form von Wissenskommunikation teilnehmen und teilhaben zu können.
„Music to go“ – Digitalisiertes Musikhören mit Kopfhörern (Ute Holfelder, Institut für Kulturanalyse)
29. Juni 2017 | 10:45-11:00 Uhr | Hörsaal A
Musik hören ist im Digitalen Zeitalter einfacher geworden denn je zuvor: Mittels miniaturisierter technischer Geräte, insbesondere mp3-Player und Mobiltelefonen, ist es möglich, jederzeit und überall mobil Musik zu konsumieren. Dabei fungieren Kopfhörer als nahezu unersetzliche Hilfsmittel, auch unterwegs stets den eigenen Klang verfügbar zu haben. Der Beitrag zeigt, welche Implikationen mit dem mobilen Musikhören über Kopfhörer verbunden sind. In den Blick genommen werden insbesondere Fragen danach, in welchem Wechselverhältnis digitalisierte technische Artefakte, menschliche Körper und sinnliche Wahrnehmung zueinander stehen und wie sich Grenzen zwischen als öffentlich und privat konnotierten Räumen neu konstituieren.
Digitalisierung bäuerlicher Arbeit – Thesen zur Herausbildung eines agrarischen Postfordismus (Klaus Schönberger, Institut für Kulturanalyse)
29. Juni 2017 | 11:00-11:15 Uhr | Hörsaal A
In diesem Beitrag geht es um einen Aspekt des Wandels von Arbeit, der bisher kaum zur Kenntnis genommen wurde, zu dem bislang auch nur wenig Empirie vorliegt, der jedoch möglichst bald erforscht werden sollte: die Digitalisierung von bäuerlicher Arbeit und der damit verbundene Wandel von (Selbst)Bildern bäuerlicher Arbeit. Insofern wird hier ein Forschungsfeld angekündigt, das gerade auch für den von Abwanderung und zunehmender Hof-Aufgabe gekennzeichneten Alpen-Adria-Raum zentral ist. Die zunehmende Digitalisierung von Arbeit erfasst eben nicht nur Industrie und Dienstleistungen, sondern durchdringt auch die agrarische Arbeits- und Lebenswelt. In der bäuerlichen Produktion, beispielsweise im Stall, ebenso wie in der Distribution landwirtschaftlicher Erzeugnisse, kommt der digitalen Technik ein immer größerer Stellenwert zu. In diesem Zusammenhang muss sich eine Kulturwissenschaftliche Technikforschung, die die Nutzung neuer Informations- und Kommunikationstechnik in der bäuerlichen Arbeits- und Lebenswelt und die Selbst-Bilder der Akteur*innen qualitativ erheben will, auch damit beschäftigen, dass „körperliche Arbeit (…) in der agrarischen Welt die zentrale Voraussetzung der materiellen Existenzsicherung“ (Fliege 1998) war und ist. Die Kulturwissenschaftliche Technikforschung fragt in diesem Kontext nach Veralltäglichung digitaler Technik und auch nach den subjektiven Erfahrungen von Nutzer_innen. Die Art und die Intensität der Nutzungen liefern wiederum Hinweise auf mögliche längerfristige Veränderungen des bäuerlichen Arbeitshabitus oder agrarischer Lebensführungskonzepte im Übergang vom Fordismus zum Postfordismus.
Digitalisierung und Unternehmenssteuerung – Implikationen des Digitalen Wandels auf Forschung, Lehre und Praxis in der Unternehmenssteuerung
Zum Track
Wie in den Unternehmen generell hat der Digitale Wandel auch im Bereich der strategischen und operativen Unternehmenssteuerung (bzw. des Controllings) bereits heute massiven Einfluss auf das „tägliche Leben“. So hat die Möglichkeit der Nutzung der IT sowie des Internets als Wissensnetzwerk bzw. als Forum zum gegenseitigen Austausch die Abläufe in der Unternehmenspraxis aber auch in der Forschung zu diesen Themenfeldern verändert. In diesem Track sollen die weiteren Auswirkungen des digitalen Wandels auf die strategische und operative Unternehmensteuerung näher untersucht werden. Dabei soll zunächst der Frage nachgegangen werden, über welche Kompetenzen ManagerInnen, ControllerInnen und ForscherInnen im Themenfeld des Controllings verfügen müssen, um den digitalen Wandel gestalten bzw. erforschen zu können. Weiters geht es darum zu diskutieren, welche Analysemethoden ControllerInnen und ManagerInnen beherrschen sollten, um Daten intelligent miteinander zu verknüpfen und dadurch Chancen eventuell vor Mitbewerbern zu entdecken. Im Bereich der Forschung stellt sich die Frage, welche Auswirkungen der digitale Wandel auf Forschungsmethoden hat, die im Bereich der Unternehmenssteuerung angewendet werden.
Notwendige Kompetenzen für ControllerInnen im Hinblick auf den Digitalen Wandel – Eine Forschungs- und Lehragenda (Gernot Mödritscher, Friederike Wall, Institut für Unternehmensführung - Abteilung Controlling und Strategische Unternehmensführung)
29. Juni 2017 | 10:15-10:30 Uhr | Stiftungssaal
Die Diskussionen und Entwicklungen rund um das Thema Digitalisierung fokussieren oftmals auf die neuartigen Gestaltungsmöglichkeiten für Dienstleistungen in Richtung Kunde und Markt sowie auf die Prozesse der inner- und überbetrieblichen Leistungser-stellung. Weitergehend kann aber zudem beobachtet werden, dass gleichermaßen auch interne Dienstleister von dieser Entwicklung betroffen sind. Wenn das Controlling als solch ein interner Dienstleister bzw. Business Partner seine entscheidungsunterstützende Funktion in den aktuellen Kontextbedingungen für Unternehmen wahrnehmen möchte, so gilt es auch hier, das Internet bzw. neue IT-Systeme umfassend zu berücksichtigen. Es geht dabei beispielsweise um Steuerungsinformationen in Real-time aus Smart Factories, Big Data aus Kundendatenbanken, Predictive Forecasting, Reporting über verschiedene Schnittstellen, „Echtzeitsteuerung“ in Entscheidungsprozessen usw. In dem Beitrag sollen die Aufgaben¬stellungen, aktuellen Entwicklungslinien und notwendigen Kompetenzen für das Controlling bzw. die ControllerInnen aufgezeigt werden. Auf der Grundlage der Digitalisierung kann sich das Controlling stärker weg von eher vergangenheitsbezogener Erklärung und Analyse (deskriptiv und diagnostisch) hin zu einer Unterstützung bei der Real-time-Steuerung bis hin zu einer prediktiven Steuerung entwickeln. Für ControllerIn-nen geht es damit einerseits darum, die Digitalisierung in die Steuerungskonzepte einflie-ßen zu lassen und andererseits gilt es, die durch die Digitalisierung induzierten Trans-formationsprozesse im Unternehmen zu begleiten.
Business Intelligence und Analytics als Erfolgsfaktor für ControllerInnen im Zeitalter von Big Data (Christian Mitsch, Institut für Unternehmensführung - Abteilung für Controlling und Strategische Unternehmensführung)
29. Juni 2017 | 10:30-10:45 Uhr | Stiftungssaal
Business Analytics beschreibt die Anwendung mathematischer und statistischer Methoden zur Generierung neuer Erkenntnisse. Bestärkt durch die Existenz leistungsfähiger Hardware, agiler Konzepte der Virtualisierung von Ressourcen und neuer Techniken der Datenspeicherung, analyse und -aufbereitung, akzentuiert Business Analytics eine stärkere Ausrichtung auf eine quantitative, methodenorientierte Auswertung des Datenmaterials. Ein Haupttreiber für das steigende Interesse an Business Analytics ist dabei Big Data, was im Allgemeinen die Vorhaltung und Auswertung großvolumiger digitaler Datenbestände beschreibt. Um die Suche nach Regelmäßigkeiten zu vereinfachen, durchforsten ausgeklügelte Algorithmen die Datenbestände und erkennen dabei mit mathematischen Modellen Muster und Auffälligkeiten. Durch die Digitalisierung muss das Controlling neue agilere Ansätze und Konzepte entwickeln, um mit den schnell wachsenden IT-Infrastrukturen mithalten zu können. Mit Business Analytics steht deshalb dem Controlling ein erweiterter methodisch-technologischer Werkzeugkasten zur Verfügung. Ein zukunftsorientiertes Controlling sollte Analysen direkt auf den unverdichteten Rohdaten vornehmen können. Damit könnten Beziehungen und Abhängigkeiten in den Daten aufgespürt werden, die vielleicht bislang noch nicht bekannt waren.
Beiträge des digitalen Wandels zur Weiterentwicklung der analytischen Forschung im Bereich der Unternehmenssteuerung (Stephan Leitner, Institut für Unternehmensführung - Abteilung Controlling und Strategische Unternehmensführung)
29. Juni 2017 | 10:45-11:00 Uhr | Stiftungssaal
Seit mehreren Jahren zeichnet sich der Trend eines digitalen Wandels ab. Neben einem massiven Einfluss auf die Unternehmenspraxis kann auch davon ausgegangen werden, dass dieser Wandel nicht nur die Forschungsthemen, sondern auch die Forschungsmethoden im Bereich der Unternehmenssteuerung beeinflussen könnte. Den Ausgangspunkt des Impulsvortrags bildet eine Charakterisierung des Status-Quo der Forschungspraxis im Bereich der Unternehmenssteuerung. So zeichnet sich die analytische Forschung in diesem Bereich – insbesondere an der Schnittstelle zur Ökonomie – bspw. durch eine hohe theoretische Integration aus. Gleichzeitig kann aber auch beobachtet werden, dass der in der Unternehmenspraxis erzielte Impact vergleichsweise gering ausfällt. Dies wird zumeist auf die Schwächen traditioneller analytischer Methoden zurückgeführt. Die Möglichkeiten, die sich durch den digitalen Wandel für die Forschung in diesem Bereich ergeben, bieten jedoch die Chance, diese Schwächen zu überbrücken. Zeitgleich bringen diese Chancen auch neue (zumeist methodische) Anforderungen mit sich, denen Forscherinnen und Forscher in Zukunft gewachsen sein sollten. Der Vortrag konkretisiert mögliche Chancen, die sich aus dem digitalen Wandel für Forscherinnen und Forscher im Bereich der Unternehmenssteuerung ergeben, und diskutiert gleichzeitig auch die sich daraus ergebenden Herausforderungen.
Auswirkungen des digitalen Wandels auf die experimentelle Forschung im Bereich der Unternehmenssteuerung
29. Juni 2017 | 11:00-11:15 Uhr | Stiftungssaal
Experimente analysieren Aktionen einzelner Akteure oder kleiner Gruppen, um Erklärungen für Beobachtungen auf Organisations- bzw. Unternehmensebene zu finden. Im Bereich der Unternehmenssteuerung und des Controllings hat sich die anfangs eher unbekannte experimentelle Forschung in den letzten 40 Jahren erheblich verändert. Neben der Verlagerung des inhaltlichen Fokus von der Entscheidungsunterstützungs- zur Verhaltenssteuerungsfunktion des Controllings, modifizierten Verhaltensannahmen der Akteure und einem diversifizierten Rollenverständnis des Controllings in Unternehmen sind eine stärkere Verbreitung und die zunehmende Verflechtung der experimentellen Forschung mit archivarischen, analytischen und anderen empirischen Forschungsmethoden zu beobachten. Für die Zukunft ist zu erwarten, dass sich der Stellenwert der experimentellen Forschung im Bereich der Unternehmenssteuerung weiter erhöhen wird. Einen wesentlichen Beitrag dazu dürfte der digitale Wandel mit den sich eröffnenden Möglichkeiten der leichteren Zugänglichkeit, Verfügbarkeit und Gewinnung von Daten leisten. So erlauben es web-basierte Experimente beispielsweise, schwer erreichbare Probanden wie Führungskräfte und ControllerInnen (in größerer Zahl) anzusprechen, räumliche und ressourcentechnische Barrieren zu überwinden und Untersuchungen mit geringerem zeitlichen und monetären Aufwand durchzuführen sowie zu replizieren. Dadurch können etwa die häufig kritisierte fehlende Generalisierbarkeit, die externe Validität und die statistische Aussagekraft experimenteller Ergebnisse erhöht werden. Diese und weitere Vorteile des digitalen Wandels für die experimentelle Forschung im Bereich der Unternehmenssteuerung sind kritisch zu diskutieren.
Lernen und Lehren 4.0
Zum Track
Organisator/inn/en:
- Gertraud Benke, Institut für Unterrichts- und Schulentwicklung
- Martin Erian, Abteilung für Sprach- und Literaturwissenschaft
- Gabriele Frankl, OE eLearning
- Hans Karl Peterlini, Institut für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung
- Sofie Schratt-Bitter, OE eLearning
Die fortschreitende Digitalisierung verändert unser Leben, Lernen und Arbeiten erheblich (Wittpahl, 2017, Cernavin et al., 2016, Coupette, 2014). Neben erweiterten und neuen Möglichkeiten der Wissensaneignung, wie z. B. Lernvideos, Simulationen, Serious Games, Apps, MOOCs, Learning Analytics oder neue Dimensionen der grenzüberschreitenden Diskussion und Kollaboration u. a. durch Social Media (Frankl et al., 2016), erfordert der technologische Wandel auch veränderte Qualifikationen für die gesellschaftliche Teilhabe in einer digitalisierten Welt und lebenslanges Lernen (Blaschke, 2012). Die Lernorte Schule, Hochschule, Beruf und das Lebensalter danach werden maßgeblich davon beeinflusst (Roche, 2015). Der Bedarf an einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem „Lernen und Lehren 4.0“ (Bates, 2015), an tertiärer Weiterbildung zum Thema und an der Ausbildung von Studierenden zur „digital literacy“ (Stordy, 2015, Cochrane and Antonczak, 2015) ist entsprechend wichtig und drängend.
Dennoch fehlt es sowohl an pädagogisch-didaktischen Konzepten, um die Chancen des digitalen Lernens zu nutzen (Apel, 2017) als auch an empirischen Daten, wie ‚neue’ Medien und Tools auf Lernprozesse wirken, oder wie sehr soziale Medien tatsächlich in der Lage sind, Lernende zu aktivieren.
Im Workshop sollen Veränderungen des Lernens, Anforderungen an die „digital literacy“ und
Möglichkeiten der (Hochschul-)Lehre, diesen veränderten Anforderungen gerecht zu werden,
thematisiert sowie Potentiale digital unterstützten Lernens diskutiert werden.
Lernen und Lehren 4.0 & Digital Literacy: Ein Überblick (Gabriele Frankl, E-Learing-Service)
29. Juni 2017 | 11:15-11:30 Uhr | Stiftungssaal
Digitale Medien durchdringen Lernerfahrungen zunehmend, was plakativ mit dem Schlagwort „Lernen 4.0“ skizziert wird. Die Digitalisierung und die mit ihr wachsenden Möglichkeiten der Information, Kommunikation und Kollaboration wirken entsprechend auf die Lehre an (Hoch-) Schulen sowie auf die Kompetenzen, die von (Hoch-)SchulabsolventInnen gefordert werden und die für eine Teilhabe am konvergierenden gesellschaftlichen Leben, Lernen und Arbeiten an Bedeutung gewinnen (Wittpahl, 2017, Cernavin et al., 2016, Coupette, 2014). Digitale Technologien erweitern den Bildungskanon über sprachliche Inhalte hinaus und verändern grundlegend, was es bedeutet, bildungskompetent („literate“) zu sein (Stordy, 2015). Neben Kompetenzen zur Nutzung digitaler Technologien – auch, um lebenslang Zugang zu Bildung zu haben (Blaschke, 2012) – wird der kompetente Umgang mit Visualisierungen, Infografiken, (Lern-)Videos oder dynamischen Simulationen von Daten wichtiger (Fidler, 2016). Damit verbunden ist eine Veränderung unserer gewohnten Ausdrucks- und Darstellungsmöglichkeiten. Adaptive Testumgebungen sowie Learning Analytics und Big Data eröffnen darüber hinaus neue Möglichkeiten für die Evaluierung von Lernergebnissen, auch in Bezug auf Lehrinputs. Auf (Hoch-)Schulen kommt damit die Herausforderung zu, zu entscheiden und strategisch zu planen, wie Digitalisierung die (Hochschul-) Lehre verändern kann und soll und wie Lernenden als auch Lehrenden die (digitalen) Kompetenzen vermittelt werden können, die sie im Zeitalter der Digitalisierung so dringend benötigen.
Student Engagement Online im Spannungsfeld digitaler Kompetenzen und Sozialer Medien (Sofie Schratt-Bitter und Gabriele Frankl - E-Learing-Service)
29. Juni 2017 | 11:30-11:45 Uhr | Stiftungssaal
Lernen im Zeitalter der Digitalisierung bietet das Potential des vernetzten Lernens, z.B. durch die aktive Partizipation in sozialen Medien (Frankl et al., 2016). Digital kompetente Studierende sind lt. Meyers et al. (2013) bei der Erstellung von digitalen Informationen involviert und engagiert. Allerdings nimmt ein Großteil der Studierenden in sozialen Medien die passive Rolle der „KonsumentInnen“ ein (z.B. Cochrane and Antonczak, 2015). Forschungsbedarf besteht daher darin herauszufinden, inwieweit soziale Medien Student Engagement beeinflussen. Dieses Forschungsfeld wird von zahlreichen Faktoren beeinflußt, die derzeit nur ungenügend beschrieben sind, wie beispielsweise
- der Einfluss digitaler Kompetenzen Lernender und Lehrender auf das Engagement
- von Studierenden und Lehrenden (Online) sowie die Wechselwirkung zwischen
- beiden,
- der Einfluss von sozialen Medien auf das Lehren und Lernen insgesamt, d. h. auf
- Lernende und Lehrende, veränderte Rollenbilder bei Studierenden und Lehrenden,
- die ausreichende Differenzierung des Einsatzes sozialer Medien in der Lehre,
- geeignete pädagogisch-didaktische Konzepte für den Einsatz digitaler Medien (Apel, 2017).
Digitale Kompetenzen, wie z.B. die Fähigkeiten, sich kritisch in Sozialen Medien auszutauschen, sind für das Studium als auch die Berufswelt unabdingbar geworden (Blaschke, 2012, Cochrane and Antonczak, 2015). Fundierte Forschungsergebnisse zu Engagement sind essentiell in einer Gesellschaft, in der Lebenslanges Lernen die Grundlage für Leben, Lernen und Arbeiten bildet.
Surfen im Wunderland: Erfahrungsreflexionen über digitales Lernen in der Schule (Hans Karl Peterlini, Institut für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung)
29. Juni 2017 | 11:45-12:00 Uhr | Stiftungssaal
Am Beispiel zweier Vignetten und deren Ausfaltung in einer phänomenologischen Lektüre lotet der Beitrag Potenziale, Fragestellungen, Problematiken und Anforderungen in der realen Anwendung digitalen Lernens in der Schule aus. Der Beitrag orientiert sich an einem Lernbegriff, der über John Deweys Konzept von Lernen durch Erfahrung hinausgeht und Lernen als Erfahrung versteht (Meyer-Drawe, 2003, Schratz et al., 2012, Peterlini 2015, Baur and Peterlini, 2016). Vor diesem theoretischen Hintergrund verdichten die Vignetten miterfahrene Momente aus dem Computerraum in Schulen und bieten sie zur Reflexion an. Welches Lernen findet statt? Hält sich das Lernen an den Arbeitsauftrag oder schweift es ins Uferlose ab – und ermöglicht vielleicht gerade dadurch ein anderes Lernen jenseits von Vorgabe und Anleitung? Wie sind die Voraussetzungen für digitales Lernen an Schulen gegeben, wie wird es begleitet, welche Rahmungen, Vor- und Nachbereitungen bräuchte es? So versucht der Beitrag zwei auf den ersten Blick schwer zu vereinbarende Verständnisse von Lernen – das eine an leiblicher und lebensweltlicher Erfahrung orientiert, das andere auf technische Medien vertrauend – in eine zusammendenkende Reflexion einzubinden.
Revolution dringend erbeten! Schulische Qualitätsentwicklung zwischen Absichtserklärungen und (nicht nur) systemischen Hindernissen. Ein Praxisbericht (Martin Erian, Abteilung für Sprach- und Literaturwissenschaft)
Dass digitale Medien auch die Schule grundlegend verändern, zeigte sich nicht erst in jenen publizistischen Debatten, die wissenschaftlichen Perspektiven häufig mehr oder minder subjektive Blicke auf die Institution Schule in ihrer gesellschaftlichen wie kulturellen Bedeutung zur Seite stellten und deren Extrempositionen zwischen „Bildungsrevolution“ (Jörg Dräger) und „digitaler Demenz“ (Manfred Spitzer) breit rezipiert wurden. Erst reichlich spät positionierte sich Anfang 2017 die österreichische Bildungspolitik Anfang 2017 mit der umfassenden Digitalisierungsstrategie Schule 4.0.
Unbeachtet bleiben in den Debatten um die Modernisierung bzw. Revolutionierung schulischer Bildung und in der oft in Schlagworten verhafteten Auseinandersetzung um veränderte Rollenverständnisse häufig das Fehlen pädagogisch-didaktischer Konzepte und verbindlicher Zielsetzungen, die Notwendigkeit der Evaluierung und Entwicklung digitaler Kompetenzen von Lernenden und Lehrenden und die Möglichkeiten zur Ausgestaltung der Idee Schule 4.0 am jeweiligen Schulstandort. So verfolgt das Impulsreferat die Absicht, von Praxiserfahrungen ausgehend die Anforderungen an die Schule in den Bereichen System, Organisation und Unterricht in den Blick zu nehmen. Dabei werden Potenziale zur Sicherung und Entwicklung schulischer Qualität insbesondere auf Institutions- und Interaktionsebene (Ditton 2015) reflektiert.
Ditton, H., A. Müller 2015. Schulqualität. In: REINDERS, H. et al. (ed.): Empirische Bildungsforschung. Strukturen und Methoden. Wiesbaden: Springer, 121-134.
Dräger, J., R. Müller-Eiselt 2015. Die digitale Bildungsrevolution. Der radikale Wandel des Lernens und wie wir ihn gestalten können. München: Deutsche Verlags-Anstalt.
Spitzer, M. 2012. Digitale Demenz. Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen. München: Droemer.
„Chancen und Herausforderungen von digitalen Medien für Lernen und Lehren (Gertraud Benke, Institut für Unterrichts- und Schulentwicklung)
29. Juni 2017 | 12:00-12:15 Uhr | Stiftungssaal
Betrachtet man die internationale Forschung zum Einsatz von digitalen Medien im Unterricht, finden sich sehr gemischte Ergebnisse vor (etwa für Educational Games sh. Backlund and Hendrix, 2013). So zeichnen auch die PISA-Studien ein sehr ambivalentes Bild: Während früher Medienkonsum positiv mit Lernleistungen von 15-Jährigen korreliert, korreliert hoher Medienkonsum (bei den 15-Jährigen) negativ mit Lernleistungen, wobei hier verschiedenste Spiele und Zeit, die in Sozialen Medien verbracht wird, in einen Topf geworfen werden.
Die Heterogenität der Befunde kann allerdings nicht weiter verwundern: In einer sich ändernden Welt mit Kindern, deren Umwelt sich ständig verändert und die für eine sich entwickelnde Umwelt gebildet werden sollen, ist das Projekt des Findens des „guten Unterrichts“ grundsätzlich nie abschließbar. „Neue Medien“ stellen auch ein Element der sich ständig verändernden Umwelt dar. In der Didaktik verknüpft man mit den „neuen Medien“ die Erwartung an neue Möglichkeiten der Wissensvermittlung und Motivation. Neue Medien sind in all ihrer Dynamik aber selbst sehr heterogen und unterstützen unterschiedlichste Kompetenzen. Um die Auswirkungen des Einsatzes digitaler Medien besser zu verstehen, bedarf es daher zunächst eines Klassifikationsrahmens, der verschiedene Nutzungen digitaler Medien erfasst, die Voraussetzungen ihrer Verwendung beschreibt und ihr Potential für den Erwerb oder die Anwendung unterschiedlicher Kompetenzen aufzeigt.
Digitale Edition – kulturelles Gedächtnis
Zum Track
Das kulturelle Gedächtnis ist wesentlich für die Identitäts- und Kohärenzbildung sowie die Wissens- und Kompetenzvernetzung unserer Gesellschaft. Dazu muss es Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verbinden. Deswegen funktioniert es nur als Jahrhunderte überdauernde Langzeitunternehmung: Archivierung und Edition der Produkte vergangener und gegenwärtiger kultureller Praktiken sind absolut unerlässlich. Literatur zählt zu diesen herausragenden und zugleich singulären Produkten. Zugleich funktioniert das kulturelle Gedächtnis nur durch stetige, zukunftssichernde Erneuerung. Deswegen muss es sich den Herausforderungen des digitalen Zeitalters stellen. Die Beiträge des Tracks zeigen auf, wie die Digitalisierung sowohl das Entstehen von Literatur erfasst (am PC, im Internetblog …) als auch die Praktiken ihres Konservierens ― Bereitstellens ― Vermittelns in Archiv, Bibliothek und Edition. Die Beiträge zeigen, wie die digitale Edition dank Hyperlink die Genese von Literatur vermittel- und beforschbar macht, wie sich das Literaturarchiv als digitale Datenbank neu konzipieren muss, wie mittelalterliche Buchbestände dank Online-Plattform wieder zusammengeführt und erschlossen werden, wie sich dank Open Access und Open Source Wissen im Bereich Literatur demokratisieren und gesellschaftlich teilen lässt, welche neuen Tools und Programme zum Einsatz kommen bzw. entwickelt werden müssen. Aber sie zeigen auch Risiken auf, die durch digitale Quantifizierung, Standardisierung und Automatisierung entstehen ― z.B. die Degradierung der Singularität von Literatur, die Unterschätzung des humanen philologischen Zugriffs, die Überschätzung von Big Data und digitaler Langzeitarchivierung.
Archiv und Edition – zur Digitalisierung des kulturellen Gedächtnisses (Anke Bosse, Robert-Musil-Institut für Literaturforschung - Kärntner Literaturarchiv)
29. Juni 2017 | 13:15-13:30 Uhr | Hörsaal B
Jedes Archiv – auch das Kärntner Literaturarchiv des Musil-Instituts – hat den Auftrag zu bewahren, zu sichern und seine ‚Schätze‘ öffentlich zugänglich zu machen. Es ist per se Hüter des kulturellen Gedächtnisses und trägt zugleich zu dessen steter Erneuerung bei ― durch die Edition. Sie präsentiert das Unpublizierte der Öffentlichkeit. Zwei ‚turns‘ des 20. Jahrhunderts haben Archiv und Edition revolutioniert: 1) die Umorientierung vom fertigen Produkt Buch zum Prozess der Textgenese und 2) die Digitalisierung. Das zweidimensionale Buch erweist sich als inadäquat für die Darstellung der Genese, während die digitale Edition über Hyperlinkstrukturen die Genese und komplexe Schreibprozesse darzustellen vermag. Und umfängliche Datenmengen werden effektiv verschalt- und nutzbar. Neben der Hybridedition (Buch+digitales Medium) setzt sich heute die Internetedition durch. Sie kann nun selbst prozessual sein – als potenziell unendlich offene Struktur, permanent erweiterbar und veränderbar, bis hin zur interaktiven Einbeziehung der UserInnen im Open Access.
Das Musil-Institut/Kärntner Literaturarchiv stellt sich diesen Herausforderungen und bringt seit Herbst 2016 kontinuierlich erweiternd die Musil-Hybridausgabe heraus: die neue Buch-Gesamtausgabe der Musil-Werke in Kombination mit www.musilonline.at. Diese Plattform soll Modell stehen für weitere Internetpräsentationen der eigenen Bestände, deren Präsentation zur Diskussion gestellt wird.
Das Literaturarchiv und die digitale Welt (Elmar Lenhart, Robert-Musil-Institut für Literaturforschung - Kärntner Literaturarchiv)
29. Juni 2017 | 13:30-13:45 Uhr | Hörsaal B
Seiner Konzeption und Genese nach hat das Literaturarchiv wenig bis keine Anknüpfungspunkte mit der Welt des Digitalen. Es scheint sogar so zu sein, dass in diesen Institutionen der physische Raum die Konstitutionsbedingung Nummer 1 darstellt: Jahrhundertelang war man darauf fokussiert, an einem Ort Sammlungen der letzten originalen physischen Datenträger anzulegen, die Spuren dessen zu sichern, was Friedrich Kittler das „reale Register“ genannt hat, die Handschrift oder das Typoskript – diesen Signifikanten jedenfalls, der mit dem Körper des Autors/der Autorin in der letzten direkten Verbindung gestanden hat.
Heute und zukünftig hingegen ist die erste Herausforderung an das Literaturarchiv folgende: Literatur passiert kaum noch unabhängig vom virtuellen, digitalen Raum. Die ProduzentInnen von Literatur arbeiten mit digitalen Schreibgeräten, sie erstellen Webseiten und Blogs, veröffentlichen digitale Dokumente, die sie auf digitalen Medien erstellt haben. Wie sollen diese Dokumente zukünftig für die Nachwelt gesichert werden, in welchen Depots aufbewahrt, wie sollen literarische Dokumente zukünftig verzeichnet und archiviert werden?
Die zweite Herausforderung an das Literaturarchiv ist eine Folge der ersten: Mit dem Sog, mit dem die Digital Humanities auch das Archiv ergriffen haben, entstehen neue Forschungsfelder sowohl im Bereich der Edition wie in dem der klassischen Literaturwissenschaften, die eine Neukonzeption der „Datenbank Literaturarchiv“ bedingen.
Virtuelle Bibliothek Millstatt (Sabine Seelbach, Institut für Germanistik AECC)
29. Juni 2017 | 13:45-14:00 Uhr | Hörsaal B
Bibliotheken als Orte des Lesens gehören zu den bedrohten Arten. Wie sie in der Vergangenheit als Räume der Inspiration, der Wissensverarbeitung und -generierung gewirkt haben, ist schon jetzt nur unter erheblichem Aufwand zu rekonstruieren. Einer der größten Teilbestände der mittelalterlichen Bibliothek der UB Klagenfurt ist der des Benediktinerstifts Millstatt, der bedeutendsten mittelalterlichen Kulturstätte Oberkärntens. Der wechselvollen Geschichte des Klosters folgend, ist der Bestand seiner Bibliothek gegenwärtig über weite Teile Europas verstreut und immer wieder tauchen weitere, verlorengeglaubte Bücher der Millstätter Benediktiner an entfernten Orten wieder auf. Ziele des geplanten Projekts sind es, die bislang bekannten Buchbestände dieser Bibliothek nach modernen Prinzipien zu beschreiben, sie virtuell wieder zusammenzuführen und erstmals geschlossen sichtbar zu machen, eine flexible Online-Plattform zur weiteren Vervollständigung der Datenbasis zu schaffen und somit eine eingehende Erforschung der frühen Wissenschaftsgeschichte Millstatts zu ermöglichen.
Digital InHumanities – oder wie schützen wir das Singuläre vor Programmierung? (Walter Fanta, Robert-Musil-Institut für Literaturforschung - Kärntner Literaturarchiv)
29. Juni 2017 | 14:00-14:15 Uhr | Hörsaal B
Kulturelles Schaffen als ästhetisch-singuläre Hervorbringung ist durch den Zugriff der Wissenschaft, die vergleichend und normierend wirkt, ohnehin bedroht. Durch den Einzug der Digitalität in den Methodenreigen der Kulturwissenschaften verstärkt sich die Tendenz noch, ästhetische Qualitäten quantifizierenen Kategorien unterzuordnen: ein Schlüsselwort der Digital Humanities lautet BigData. Kritisches Hinterfragen müsste erlaubt sein: ob die Eingliederung von Kunstwerken in Bild- und Textdaten-Korpora zum Zweck programmgesteuerter quantitativer Analyse das Kunstwerk nicht degradiert?
Ich möchte in meinem Impulsreferat an Hand der digitalen Edition des Musil-Nachlasses, der von 2017 an am OpenAcess-Internet-Portal www.musilonline.at publiziert werden wird, zwei Problemzonen der Digital Humanities kritisch reflektieren: 1) Können Textdaten zu literarischen Manuskripten in automatisierter Weise erstellt und programmgesteuert migriert werden, oder ist nicht der nicht-digitale, humane philologische Blick auf das Manuskript allein entscheidend? 2) Ist der heute übliche Standard der Textauszeichnung literarischer Manuskripte mit XML/TEI wirklich schon die Lösung für das Problem der digitalen Langzeitarchivierung? Ich werde versuchen, die Gültigkeitsgrenzen des Dogmas XML/TEI auszuloten und auf mögliche Alternativen hinweisen.
„Angst vor der Maschine“? Risiken und Chancen der Digitalisierung (Rebecca Unterberger, Robert-Musil-Institut für Literaturforschung - Kärntner Literaturarchiv)
29. Juni 2017 | 14:15-14:30 Uhr | Hörsaal B
Zu Jahresbeginn hat das Bundeskanzleramt das Digital Roadmap Austria zur Veröffentlichung gebracht, das über aktuelle Herausforderungen und Aktivitäten orientiert, „damit die Digitalisierung für Österreich ein Gewinn werden kann“. „Digitaler Humanismus und die Demokratisierung von Wissen“ (Open Data, Open Source, Open Educational Ressources) soll(t)en demgemäß „einen Beitrag zu mehr faktenbasierten, öffentlichen Diskussionen und Reflexionen leisten“ und so „eine neue Aufklärung“ forcieren. Für den Bereich Medien, Zivilcourage und Kultur als einem der insgesamt zwölf skizzierten „Themenfelder“ steht für die kommenden Jahre „die Wieder- und Weiterverwendung kultureller Ressourcen“ zentral, für den Bereich Bildung „Medienbildung“. Die hierfür konzipierten „Maßnahmen“, über deren Finanzierung übrigens keine Auskunft gegeben wird, lesen sich – zumal aus der Perspektive potentieller ‚digitaler HumanistInnen‘/(Neo-)‚AufklärerInnen‘ – nicht zuletzt wie der Versuch, auf eine Skepsis, auf Berührungsängste mit den (neuen) Technologien zu reagieren, die so neu nicht sind („Angst vor der Maschine“ vor rd. einem Jahrhundert: Radio! Film!). Ein ‚Unbehagen‘ ist nicht ungerechtfertigt, schließlich sieht man sich bei Online-(Forschungs-)Plattformen vor zahllose Herausforderungen gestellt, die wohl bedacht sein müssen; aber auch auf Chancen, die die Digitalisierung für die wissenschaftliche Arbeitspraxis bereithält, wird der Kurz-Vortrag hinweisen.
Das stets parate Disparate: Literaturvermittlung im digitalen Zeitalter (Artur R. Boelderl, Institut für Germanistik AECC)
29. Juni 2017 | 14:30-14:45 Uhr | Hörsaal B
In seinem Plädoyer Petite Poucette [Kleine Däumlingin] (Paris 2012, dt. Erfindet euch neu!, Berlin 2013) vertritt der französische Wissenschaftshistoriker und Philosoph Michel Serres (geb. 1930) erfrischend offensiv und überraschend affirmativ die These, dass sich mit der Digitalisierung jene Neuerung endgültig realisiere, die mit der Schrift und dem Buchdruck begonnen habe und den Kern der Neuzeit ausmache: die radikale Trennung von Denken und Wissen. Endlich werde deutlich, was die pädagogischen Konzepte und Institutionen bisher eher verdeckt hätten: „Ich denke, ich erfinde, sofern ich mich vom Wissen, der Erkenntnis löse …“ (33) Sind die didaktischen Grundfragen „Was sollen wir vermitteln?“, „Wem sollen wir es vermitteln?“ und „Wie sollen wir es vermitteln?“ (19) durch die freie Verfügbarkeit des Wissens beantwortet, dann ginge es jetzt um die Erfindung von Vermittlungsformen, die nicht, wie die klassische Erkenntnis, von der Ordnung des Gleichen, sondern von der Gleich¬zeitigkeit des Ungleichen ausgehen, denn: „Das Disparate hat Vorteile, von denen sich die Vernunft nichts träumen lässt.“ (42)
Der Kurzvortrag greift die Serres‘ These zugrunde liegende Überzeugung auf, dass sich durch die Digitalisierung die Frage der Vermittlung von Wissen allgemein, insbesondere aber von Literatur ganz neu stellt, und diskutiert dies mit Blick auf einige zentrale Aspekte des Projekts MUSIL ONLINE (www.musilonline.at).
Digitale Edition – kulturelle Praktiken
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Koordinatorinnen: Ulrike Krieg-Holz, Doris Moser
Computer und Internet beeinflussen nachhaltig die Kommunikation in allen Bereichen unserer Gesellschaft. Daraus resultiert die Entwicklung neuer kultureller Praktiken, die sich aus verschiedenen geisteswissenschaftlichen Perspektiven untersuchen lassen. Impulse dazu sollen die Beiträge des geplanten Tracks geben, der sich etwa aus linguistischer Sicht mit Fragen der Analyse elektronisch vermittelter Kommunikationsformen sowie der Konstitution entsprechender Textsorten und Textmuster beschäftigt. Darüber hinaus geht es – am Beispiel von vernetzten Schreibprozessen im Online-Lese- und Schreiblabor WRILAB 2 – um die Chancen der Digitalisierung in Bezug auf das schulische und universitäre Schreiben sowie die daraus resultierenden didaktischen und methodischen Möglichkeiten für den Sprachunterricht.
Aus literaturwissenschaftlichem Blickwinkel werden zum einen kulturelle Praktiken betrachtet, die sich mit dem Begriff ‚Social Reading‘ verbinden: digitale Phänomene des Lesens, die der zeit- und ortsungebundenen Kommunikation über Bücher dienen und nicht ohne Folgen für das Lesekommunikationsverhalten außerhalb der digitalen Räume bleiben. Zum zweiten geht es um dynamische Prozesse in einem überregionalen virtualisierten Raum der minoritären Literatur. Denn neue Medien und digitale Kommunikationstechnologien intensivieren die interkulturelle Interaktion und dies verändert das rezeptive, partizipative und produktive Verhalten, wie im Falle deutsch- und slowenischsprachiger Texte bzw. AutorInnen gezeigt werden soll. Drittens werden Möglichkeiten ausgelotet, inwieweit epochen- bzw. zeitrelevante kulturelle und literarische Diskurse durch ein Maximum an Textzeugnissen, die kaum/nicht zugänglich sind (weil oft nur in publizistischen Foren veröffentlicht), wieder ins kulturelle Gedächtnis zurückgeholt und digital präsent gemacht werden können.
WRILAB 2 - Vernetztes Schreiben im Online-Lese- und Schreiblabor (Ursula Doleschal, SchreibCenter und Institut für Slawistik, Ursula Esterl, Institut für Germanistik AECC)
29. Juni 2017 | 14:45-15:00 Uhr | Hörsaal B
Computer und Internet haben das schulische und universitäre Schreiben verändert. Dank der neuen digitalen Medien eröffnen sich vielfältige Zugänge zum Schreiben und seiner Didaktik. Die Vorteile sind offensichtlich: einerseits schaffen sie motorische und kognitive Entlastung und ebnen den Zugang zum Schreiben, andererseits setzen sie an der Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen an, ermöglichen kreative Zugänge zu einer multimodalen Textproduktion und bieten Raum für kooperative Arbeitsformen.
Computer und Internet ermöglichen aber auch eine Vernetzung über räumliche und institutionelle Grenzen hinaus und eröffnen so für den muttersprachlichen, aber auch für den Zweit- und Fremdsprachenunterricht ganz neue Perspektiven.
Unter Bezugnahme auf die Erfahrungen mit dem vernetzten Schreiben im Online- Lese-und Schreiblabor WRILAB 2 soll zum einen der Frage nachgegangen, welche Vorteile und Besonderheiten das Schreiben digital zu bieten hat und wie sich diese didaktisch und methodisch nutzbar machen lassen. In einem zweiten Schritt sollen Möglichkeiten der Erforschung des Schreibprozesses im Kontext des digitalen Schreibens erörtert werden.
Textsorten und Textmuster digitaler Kommunikationsformen (Ulrike Krieg-Holz, Institut für Germanistik AECC)
29. Juni 2017 | 15:00-15:15 Uhr | Hörsaal B
Mit dem zunehmenden Einfluss der elektronisch vermittelten Kommunikation haben sich eigenständige Textsorten mit besonderen Formulierungsmustern entwickelt, die in den großen Korpora zur deutschen Sprache, wie dem DeReKo (Deutsches Referenzkorpus) nicht vorkommen. Dazu gehört etwa die Kommunikationsform ‚E-Mail‘, die zahlreiche Textsorten umfasst. Inhaltlich reicht dies von professionellen Textsorten wie Geschäfts- bzw. Verwaltungspost bis hin zu ganz persönlichen, informellen Interaktionen. Da die stilistische Ausformung dieser Textsorten ist äußerst unterschiedlich ist, bilden sie innerhalb einer einzigen Kommunikationsform eine sehr große Bandbreite der performativen Varianz ab. Am Beispiel der Kommunikationsform E-Mail sollen deshalb Fragen der (semi-)automatischen Analyse von computervermittelten Textsorten und ihren stilistischen Merkmalen diskutiert werden.
‚Social Reading‘ - Bücherlesen im Zeitalter der Digitalisierung Doris Moser, Katharina Perschak, (Institut für Germanistik AECC / FWF-Projekt „Literarische Bedeutungen aushandeln“)
29. Juni 2017 | 15:15-15:30 Uhr | Hörsaal B
Der Begriff „Social Reading“ beschreibt digitale Phänomene des Lesens und der Kommunikation über Bücher. Ob Foren, WhatsApp, Blogs oder Social Media wie Facebook und Instagram, das Internet ermöglicht ein Gespräch über Literatur über Zeit- und Ortsgrenzen hinweg. Diese neue kulturelle Praxis, der zahlreiche LeserInnen nachgehen, ist nicht ohne Folgen für das Lesekommunikationsverhalten außerhalb der digitalen Räume geblieben und sie stellt die literaturwissenschaftliche Rezeptionsforschung vor neue methodische Herausforderungen.
Dass dem Lesen eine soziale Komponente innewohnt, ist für die Literaturwissenschaft keine neue Erkenntnis. Interessant sind in diesem Zusammenhang vielmehr Beschaffenheit und Entwicklung der Formen und Strategien der (digitalen) Kommunikation über gemeinsame Lektüren. Vergleichende Untersuchungen von digitalen und analogen Lesegemeinschaften werden künftig zeigen, ob und wie digitale Medien das Leseverhalten sowie den Umgang mit Literatur beeinflussen und an welchen Schnittstellen sich digital und analog begegnen bzw. einander beeinflussen. Wie wir aus der Arbeit im laufenden FWF-Projekt wissen, bieten die technischen Möglichkeiten der Forschung zwar direkten Zugriff auf die Kommunikationsverläufe und das dabei entstehende ‚natürliche‘ Datenmaterial, aber Herausforderungen wie Datenfindung und –aufbereitung sowie Langzeitspeicherung sind dabei ebenso zu bewältigen wie die Öffnung des literaturwissenschaftlichen Methodenspektrums hin zu kommunikations-wissenschaftlicher Rezeptionsforschung und empirischer Buchwissenschaft.
Die digitale literarische Praxis der Kärntner SlowenInnen (Dominik Srienc, Robert-Musil-Institut für Literaturforschung - Kärntner Literaturarchiv / FWF-Projekt „Die zweisprachige literarische Praxis der Kärntner Slowenen nach der Einstellung des mladje 1991“, Karl-Franzens-Universität Graz)
29. Juni 2017 | 15:30-15:45 Uhr | Hörsaal B
Literaturwissenschaftliche Deutungen, die vom Konzept einer regional verankerten minoritären Literatur ausgehen, greifen im Hinblick auf die heutige zweisprachige literarische Produktion in und rund um Kärnten zu kurz. Die Literatur und die literarischen Institutionen der Kärntner Slowenen sind verstärkt Ziel interkultureller Interaktion; neue Medien und digitale Kommunikationstechnologien sowie die erhöhte Mobilität von Personen, Gütern und Kapitalien wirken sich verändernd auf das rezeptive, partizipative und produktive Verhältnis deutsch- und slowenischsprachiger Texte bzw. AutorInnen aus, die unter der Annahme eines überregionalen und transnationalen literarischen Interaktionsraum systematisch erfassbar scheinen.
Mit den digitalen Kommunikationstechnologien hat sich der Interaktionsraum der Literatur der Kärntner Slowenen virtualisiert und erweitert, nach innen und nach außen. Blogs, Schreibkollektive und Workshops literarischen Schreibens sprießen aus dem Boden. Auf der Basis des im FWF-Projekt erhobenen Materials, das elektronisch verwaltet wird, soll der Frage nachgegangen werden, ob und in welcher Form sich der digital turn auf das literarische Selbstverständnis der Kärntner SlowenInnen auswirkt. Welche Auswirkungen hat die Virtualisierung auf die Produktion, Partizipation und Rezeption im zunehmend virtuellen literarischen Interaktionsraum? Spiegelt sich die digitale literarische Praxis in den Archivbeständen der slowenisch bzw. mehrsprachig schreibenden AutorInnen im Kärntner Literaturarchiv wider? Wandert die Literatur in den digitalen Raum ab? Wie lassen sich die dynamischen Prozesse im überregionalen virtualisierten Raum integriert darstellen und erfassen.
Digitale Textarchive / Aufschreibe-Systeme zwischen philologischer Arbeit und kulturellem Gedächtnis (Primus-Heinz Kucher, Institut für Germanistik AECC, Martin Erian, Institut für Germanistik AECC FWF-Projekt „Transdisziplinäre Konstellationen“)
29. Juni 2017 | 15:45-16:00 Uhr | Hörsaal B
Das FWF-Projekt Transdisziplinäre Konstellationen in der österreichischen Literatur, Kunst und Kultur der Zwischenkriegszeit zielt durch systematische Re-Lektüre von Textzeugnissen auf eine Neugestaltung und Ausdifferenzierung des Epochenprofils, wobei bisher marginalisierte, de facto aber epochenspezifische und zugleich oft interdisziplinäre Fragestellungen (z.B. zu Alltagskultur, Inflationserfahrung, Antisemitismus, Körperbewusstsein, Technik, neue Intermedialitätserfahrungen) stärkere Berücksichtigung finden. Dies hat zwangsläufig eine Re-Formulierung des AutorInnen-, Text- und Themenkanons zur Folge. Besondere Aufmerksamkeit kommt dabei jenen Quellen zu, die bislang, weil nur oft nur in publizistischen Foren veröffentlicht, kaum zugänglich waren/sind und nun mit den Möglichkeiten digitaler Präsentation ins kulturelle Gedächtnis zurückgeholt werden können.
Dadurch soll nicht nur die im Hinblick auf die österreichische Zwischenkriegszeit randständige, wesentliche Phänomene ausblendende Literaturgeschichtsschreibung eine Öffnung erfahren, u.a. durch literarisch-kulturell-publizistische Diskurse, sondern auch die zu NutzerInnen gereiften LeserInnen neue Zugänge erhalten. In der Open-Access-Politik des Forschungsprojekts ist nämlich nicht nur eine Offenheit gegenüber der wissenschaftlichen Community festgeschrieben, sondern auch gegenüber einer interessierten Öffentlichkeit, die auf der Onlineplattform litkult1920er.aau.at uneingeschränkte Möglichkeiten zur Einsicht erhält. So versteht sich das entstehende digitale Textarchiv, das Primärquellen und Forschungsarbeiten vielfältig miteinander in Beziehung setzt, nicht nur als Orientierungsangebot durch die durch Digitalisierungsbestrebungen zugänglich werdenden Bestände, sondern auch als Bühne für eine interaktive wie selbstgesteuerte Auseinandersetzung mit kulturhistorischen Thematiken in hypertextueller Umgebung.
Aspekte einer Digitalen Geographie des Menschen
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Koordinatoren: Heike Egner, Peter Mandl – Institut für Geographie und Regionalforschung
Nahezu alle Aktivitäten des Menschen haben einen räumlichen Bezug und fallen damit in den Analyse- und Interessenbereich der wissenschaftlichen Geographie. Seit einiger Zeit liegen immer mehr geographisch lokalisierbare Daten (digitale Geodaten) vor, die Informationen über die Aktivitäten einzelner Individuen, teilweise in Echtzeit, liefern. Dies verändert nicht nur den Blick auf Räume, das Verstehen von Räumen sowie die Möglichkeiten der Raumaneignung, sondern es verändert letztlich das gesellschaftliche Miteinander.
Wie in anderen Wissenschaften auch ergeben sich daraus zwei in Teilen gegenläufige, in Teilen komplementäre Herausforderungen. Zum einen gilt es, die Wirkungen der Digitalisierung auf das Verhalten von Menschen zu verstehen, zum anderen erlauben die unter anderem durch dieses Verhalten generierten Datenmengen (Stichwort: Big Data) einen veränderten wissenschaftlichen Zugriff. Beide Aspekte handeln im Kern von dem Umgang mit Wissen: mit Wissen im Alltag und mit Wissen in der Wissenschaft. Für die Geographien schärft sich diese Frage auf Umgang mit räumlichem Wissen, das die traditionelle Forderung nach „räumlichem Orientierungswissen“ weit übersteigt.
In dem vorgeschlagenen Track werden folgende unterschiedliche Aspekte einer „Digitalen Geographie des Menschen“ präsentiert und diskutiert.
Raum-Zeit Konzepte, Geo-Daten und Modellansätze zur Analyse, Vorhersage und Optimierung räumlicher Prozesse (Peter Mandl, Institut für Geographie und Regionalforschung)
29. Juni 2017 | 14:00-14:15 Uhr | Stiftungssaal
Der Beitrag diskutiert die wechselseitige Beeinflussung und Abhängigkeit von (geographischer) Wissenschaft und digitaler Welt und fokussiert dabei auf (1) raum-zeitliche Aspekte, (2) Daten und (3) Modellansätze.
In der Geographie wurden (1) viele Raum-Zeit-Ansätze erarbeitet, die heute konzeptive Basis für Raum-Zeitanalysen und Vorhersagen auch einer digitalen Welt sein können. Was daraus zu lernen und abzuleiten ist, wird kurz aufgezeigt. (2) Zentraler Aspekt einer „Digitalen Geographie des Menschen“ sind Daten, die heute nicht nur strukturierte quantitative Daten umfassen, sondern auch „unstrukturierte“ Daten in Form von Texten, Bildern, Videos etc. Die Schemata offener, verlinkter oder bürgergenerierter räumlicher Daten sind wichtige Grundlagen für deren Strukturierung, Verknüpfung und Verarbeitung. (3) Überlegungen aus der „GIScience“ und der neuen „Spatial Data Science“ sind die Basis für Modellansätze, die mit den Daten über die Konzepte zur Problemlösung im digitalen Zeitalter beitragen.
Diese drei Aspekte des digitalen Zeitalters, Raum-Zeit-Konzepte, Daten und Modelle werden in einem abschließenden Anwendungsbeispiel zur Analyse, Vorhersage und Optimierung eines räumlichen Prozesses zusammengeführt, diskutiert und kritisch hinterfragt. Dabei wird klar, dass die Digitale Welt heute allgegenwärtig (ubiquitous) vorhanden und als modernes pragmatisches Informationsinstrumentarium sehr nützlich ist, wenn es richtig und kritisch eingesetzt wird. Was geographisches Denken dazu beitragen kann, wird in diesem Beitrag aufgezeigt und vorgeschlagen.
Die unerträgliche Leichtigkeit des digitalen Menschen (Anke Uhlenwinkel, Institut für Geographie und Regionalforschung)
29. Juni 2017 | 14:15-14:30 Uhr | Stiftungssaal
In der öffentlichen Wahrnehmung des digitalen Zeitalters lässt sich eine Polarisierung zwischen den Verheißungen „digitaler Lösungen“ und der Bedrohung durch „big data“ beobachten. Oftmals werden beide Aspekte von einer Person zum einen gelebt und zum anderen kritisiert. So entsteht das paradoxe Bild der Stasi, die von den Ausspionierten freiwillig bedient wird.
Weniger häufig wird die Frage diskutiert, ob die „digitalen Lösungen“ nicht eher das Problem als die Lösung sind. Dies gilt besonders dort, wo eine Inkompatibilität zwischen digitalen Lösungen und den gesellschaftlichen Systemen, in die sie eingebettet sind und hineinwirken, festgestellt wird. Beispiele wären u. a. rechtliche Vorgaben, Finanzmärkte oder die hier fokussierten Lehr-Lernsituationen.
Gezeigt werden kann bisher, dass die Nutzung digitaler Medien im Unterricht oftmals auf theoretisch überholten behavioristischen Lernmodellen beruht, dass die Nutzung digitaler Medien dementsprechend nicht immer zu dem erwarteten Lernerfolg führt und dass nur einige Lernstile von ihrer Nutzung profitieren, während andere benachteiligt werden. Ebenfalls beobachten lässt sich eine gedankliche Engführung, die real und metaphorisch betrachtet dazu führt, dass die Örtlichkeiten links und rechts der Navi-Strecke nicht mehr erschlossen werden und somit gerade die – meist theoretischen – Vernetzungen fehlen, die angesichts der sich entwickelnden Komplexität selbst im Alltag immer relevanter werden.
Neue Formen der Grenzziehung in einer entgrenzten Medienumwelt. Über intendierte und nicht-intendierte Grenzen. (Daniel Just, Institut für Medien und Kommunikationswissenschaft)
29. Juni 2017 | 14:30-14:45 Uhr | Stiftungssaal
Der Beitrag fragt „Wer kommuniziert da eigentlich mit wem?“, wenn Intermediäre (z.B. Social-Media-Plattformen) im Hybridmedium Internet zur Vernetzung und Diskussion, sowie zur Wissens- und Meinungsbildung genutzt werden, und zeigt auf, dass es sich hierbei oft um die Frage neuer Grenzen und Begrenzungen im digitalisierten Kommunikationsraum handelt. Hinsichtlich der Dynamik des Metaprozesses „Mediatisierung“ (Krotz 2007) wird zunächst der Begriff „Entgrenzung“ problematisiert. Mit dem Konzept der „De-Mediatisierung“ (Pfadenhauer/Grenz 2017) werden im nächsten Schritt Strategien der Widerständigkeit sowie Formen des medienbezogenen Grenzmanagements referiert. Im Folgenden wird darauf hingewiesen, dass der computervermittelte Kommunikationsraum sich aktuell keineswegs als „grenzenlos“ darstellt, sondern vielmehr das Potential für immer mehr Grenzziehungen und immer mehr Grenzregime in einer kaum zu überblickenden Mannigfaltigkeit bietet. Komplementär zum Konzept der De-Mediatisierung soll der Frage nachgegangen werden, welche Herausforderungen nicht-intendierte, algorithmische Grenzziehungen und Begrenzungen darstellen (Pariser 2011). Die Chancen und Risiken des Medienwandels erscheinen für den Menschen im Digitalen Zeitalter in diesem Licht als paradoxe Gleichzeitigkeit von Vernetzung und Isolation.
Literatur:
Krotz, Friedrich (2007): Mediatisierung: Fallstudien zum Wandel von Kommunikation. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Pfadenhauer, Michaela/Grenz, Tilo (Hg.; 2017): De-Mediatisierung: Diskontinuitäten, Non-Linearitäten und Ambivalenzen im Mediatisierungsprozess. Wiesbaden: Springer.
Pariser, Eli (2011): The Filter Bubble. What the Internet Is Hiding from You. London: Penguin Press.
Foren-Nutzer_Innen und die Qual der Wahl. Wissen als Herausforderung im digitalen Zeitalter (Stefanie Preiml, Institut für Geographie und Regionalforschung)
29. Juni 2017 | 14:45-15:00 Uhr | Stiftungssaal
In den Userforen Sozialer Medien, wie etwa den Onlineausgaben vieler Tageszeitungen, haben Nutzer_Innen nicht nur die Möglichkeit ihre Meinungen und Argumente mit anderen zu teilen, sondern es besteht auch die Möglichkeit, die von ihnen erstellten Userkommentare mit Hyperlinks zu versehen. Nutzer_Innen können so Verweise zu beliebigen Websites, beispielsweise zu Blogs oder zu unterschiedlichen Social-Media-Profilen erstellen und ihre Argumente und Meinungen mit Hilfe dieser Verweise bekräftigen. Das erstaunliche dabei ist, dass diese Verweise von Nutzer_Innen oftmals als glaubwürdige Ressource für Wissen behandelt werden, obwohl es in den wenigsten Fällen um Verweise auf Quellen handelt, die (wissenschaftlichen) Qualitätskriterien entsprechen.
In diesem Beitrag wird anhand von mehreren Beispielen gezeigt, auf welche Wissensressourcen und Informationen Nutzer_Innen verweisen und ob und welchen wissenschaftlichen Qualitätskriterien diese Ressourcen entsprechen. Die Praxis des Verweisens mittels Hyperlinks auf mögliche weiterführende Wissensressourcen offenbart in welchem Spannungsfeld sich Wissen – und damit auch Wissenschaft – zusammen mit Information sowie auch Meinung befinden. Die Beispiele schaffen Gelegenheit, um über mögliche Potentiale und vor allem über Herausforderungen eines digitalen Zeitalters nachzudenken.
Was wir von den Diskussionen um “Kritische Kartographie” für die Auseinandersetzung mit den Digitalen Geographien von heute lernen können (Moremi Zeil, Institut für Geographie und Regionalforschung)
29. Juni 2017 | 15:00-15:15 Uhr | Stiftungssaal
Die Geographie kann auf eine kontroverse Auseinandersetzung um die Rolle und Macht kartographischer Darstellungen zurückblicken. Angesichts einer gegenwärtigen Euphorie über die Verfügbarkeit und technische Manipulierbarkeit immer größerer Datenmengen gewinnt diese Debatte neuerliche Relevanz. Mit der Begeisterung über die gewonnenen Möglichkeiten im Umgang mit georeferenzierten Datensätzen geraten die Bedingungen ihrer Entstehung zunehmend aus dem Blick.
Durch die Rekapitulation zentraler Kritikpunkte, an einer weitestgehend positivistischen kartographischen Praxis, zeigt der Beitrag welche Einwände auch für die Digitalen Geographien von heute gelten. Daten sind weder selbsterklärend noch voraussetzungslos und dies gilt es umso mehr zu beachten, je stärker datengestützte Verfahren unsere täglichen Interaktionen prägen. Indem der Beitrag die Diskussionen um eine „Kritische Kartographie“ mit den Entwicklungen im Zeichen Digitaler Geographien in Beziehung setzt, sollen tendenziell unterbelichtete Aspekte datengetriebener Erkenntnissuche der allgemeinen Begeisterung zur Seite gestellt werden.
Digital Footprints im Tourismus. Eine Methode für Besuchertracking und Besucherlenkung in Schutzgebieten (Elena Smirnova, Institut für Geographie und Regionalforschung)
29. Juni 2017 | 15:15-15:30 Uhr | Stiftungssaal
Die Lenkung von Besucherströmen zählt zu den zentralen Aufgaben eines Schutzgebietsmanagements. Konventionelle Methoden für die Ermittlung der Anzahl und der Aufenthaltsorte von Besucher*innen, wie Zählung und Beobachtung, geben nur begrenzt Aufschluss über ihre räumliche und zeitliche Verteilung, sind organisatorisch sehr aufwendig und stellen allenfalls „Momentaufnahmen“ dar.
Im Beitrag wird eine Methode für Besuchertracking und Besucherlenkung auf der Grundlage von User-generated Data und Volunteered Geographic Information vorgeschlagen. Der Ansatz verbindet bestehende GIS-Analysen mit georeferenzierten User-generated Data und bindet zusätzlich offenen Geo-Daten ein, um das Tracking und die Lenkung von Besucher*innen in eher sensiblen touristischen Destinationen, wie etwa in Schutzgebieten, zu optimieren. Kernaspekt des vorgeschlagenen Ansatzes sind die von Besuchern selbst erzeugten und veröffentlichten Daten, z.B. georeferenzierte Fotos. Im Zuge einer Stichprobenanalyse von Flickr-Fotos aus dem Gebiet des Nationalparks Hohe Tauern für den Zeitraum von April bis September 2015 war es möglich, nicht nur die räumliche, sondern auch die zeitliche Verteilung von Besucherströmen zu verstehen. Die Resultate werden in Hinsicht auf die potenziellen Konflikte mit bestehenden Management und Besucherlenkungsplänen analysiert und es werden daraus Maßnahmen zur Besucherlenkung abgeleitet. Diese Maßnahmen können unter anderem das Monitoring und wenn notwendig auch die Anpassung der digitalen Darstellung der Raumausstattung des Schutzgebietes auf den Open-Source Plattformen beinhalten.
Zur Qualität und Vertrauenswürdigkeit von Citizen Science. Ein Vergleich von OpenStreetMap und amtlichen Geo-Daten (Janina Wolf, Institut für Geographie und Regionalforschung)
29. Juni 2017 | 15:30-15:45 Uhr | Stiftungssaal
Der Beitrag vergleicht die Qualität von Geo-Daten. Ausgehend von der Hypothese, dass von Expert_innen erhobene amtliche Daten prinzipiell „richtig“ sind, während von Freiwilligen (der „crowd“) erhobene Daten eine schlechtere Qualität im Hinblick auf Genauigkeit zeigen, kommt die Untersuchung zu einem sehr überraschenden Ergebnis.
Das Internet ermöglicht nicht nur den einfachen und kostengünstigen Zugang zu sehr vielen Informationen, vielmehr bindet es seit einigen Jahren verstärkt Nutzer_innen in die Erzeugung von Daten ein, oftmals bezeichnet als „Citizen Science“ oder „Crowdsourced Data“. Die Vorteile liegen auf der Hand: es ist eine effiziente und im Grunde kostenlose Methode, Geo-Daten aktuell zu halten und daraus erzeugte Karten auch noch attraktiver zu gestalten, da so die Interessen verschiedener Nutzungsgruppen abgebildet werden können. Gleichzeitig stellt sich jedoch die Frage nach der Vertrauenswürdigkeit derartiger Informationen, da es keine „Expertinnen und Experten“ sind, die Daten erheben und eintragen, sondern Laien ohne besondere Ausbildung, allein angetrieben von ihren spezifischen Nutzungsinteressen.
Der Beitrag unternimmt dazu einen visuellen und GIS-gestützten Vergleich in einem Testgebiet (Natura 2000 Europaschutzgebiet Lendspitz-Maiernigg) anhand von drei Datensätzen: Amtliche Geo-Daten der Landesregierung Kärnten, OpenStreetMap (OSM) als Quelle von crowdsourced Geo-Daten sowie eine eigene Kartierung des Testgebietes mittels eines Erhebungsbogens im Feld und anhand von Satellitenbildern (Orthofotos).
Zeitliche Herausforderungen und Verantwortung. Zwischen Nanosekunden und Echtzeitverfügbarkeit in der digitalen Welt und den geologischen Zeiträumen des Anthropozäns (Kirsten von Elverfeldt & Heike Egner, Institut für Geographie und Regionalforschung)
29. Juni 2017 | 15:45-16:00 Uhr | Stiftungssaal
Der Beitrag reflektiert die Herausforderungen der Verantwortungsübernahme vor dem Hintergrund unterschiedlicher Zeitläufe: zwischen den geologischen Zeitdimensionen der Diagnose des Anthropozäns und der Echtzeitverfügbarkeit der digitalen Welt.
Die fortschreitende Digitalisierung verändert nicht nur die Arbeitsabläufe und den Alltag, sondern auch Entscheidungsprozesse und die damit einhergehende Verantwortungsübernahme, sowohl von Individuen als auch von Gruppen. Wir haben uns daran gewöhnt, dass Algorithmen und Bots uns die Entscheidungen überall da abnehmen, wo aufgrund der Reaktionszeit vermeintliche Verluste entstehen (z.B. Börse) und menschliche Reaktionszeiten längst als zu langsam für die Prozesse erscheinen. So entstehen zunehmend gesellschaftliche Zusammenhänge, für die niemand mehr zur Verantwortung gezogen werden kann, aber jeder in Echtzeit zur Verfügung stehen soll.
Dem gegenüber stellen uns die sog. großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts) mit globalen Umweltwandel den damit einhergehenden gesellschaftlichen Transformationsprozessen vor Fragen, die Entscheidungen verlangen, deren Erfolg oder Misserfolg sich erst in einigen Jahrzehnten oder Jahrhunderten zeigen wird. Mit der Diagnose des Anthropozäns scheint sich der Verantwortungszeitraum von uns Menschen noch zu erweitern. Dies erfordert eine neue Verantwortungsübernahme in geologischen Zeitdimensionen, die vor dem gleichzeitig ablaufenden Schrumpfen der Zeit in der digitalen Welt als ein krasser Widerspruch erscheint.
Weitere Angebote
Das Subjekt im Netz - Sehnsüchte nach Sichtbarkeit im digitalen Zeitalter (Christina Schachtner, Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft)
29. Juni 2017 | 11:30-11:45 Uhr | Hörsaal B
Es mehren sich die Selbstprofile, die Online-Selfies, die Bildergalerien, die Videos auf den Blogs, Websites und in den sozialen Netzwerken. Die digitale Technik bleibt den menschlichen Subjekten nicht äußerlich. Sie animiert, fordert, verlockt zur Selbstdarstellung; sie verbündet sich mit tiefen Sehnsüchten und Ängsten. Sie schürt den Kampf um Aufmerksamkeit. Dieser Vortrag rückt die digital gestützte Selbstinszenierung junger Netzakteur_innen und Blogger_innen ins Zentrum. Er stellt Strategien der Selbstinszenierung dar, fragt nach den zugrunde liegenden Motiven und analysiert das Wechselspiel zwischen den Subjektivierungspraktiken und der Logik digitaler Technik. Er wirft die Frage auf, ob es unter der Regie digitaler Medien weltweit zu einer Zunahme narzisstischer Phänomene kommt. Darüber hinaus blendet er die aktuellen gesellschaftlich-kulturellen Wandlungstendenzen ein und versucht, das Geschehen im Netz auf die damit verbundenen Herausforderungen zu beziehen. Technologische Innovationen, so die These, gehen Hand in Hand mit einem sozialen Wandel, der sich auch in veränderten Subjektivierungsprozessen widerspiegelt.
Die Analyse erfolgt aus einer medien- und kulturwissenschaftlichen Perspektive. Sie speist sich aus den Ergebnissen der FWF-Studie „Subjektkonstruktionen und digitale Kultur“, in die Netzakteur_innen aus sieben europäischen Ländern, aus vier arabischen Ländern und aus den USA einbezogen waren.
Zunehmende Automatisierung – Verteilte Verantwortlichkeit (Florian Saurwein & Tobias Eberwein, Institut für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung (CMC) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt)
29. Juni 2017 | 11:45-12:00 Uhr | Hörsaal B
Gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen werden zunehmend durch Digitalisierung, Robotik, Algorithmen und künstliche Intelligenz geprägt. Algo-Trading wickelt den Hochfrequenzhandel an den Börsen ab. Informationsvermittlung erfolgt durch Algorithmen in Suchmaschinen und sozialen Medien. Selbstfahrende Autos, selbststeuernde Energieversorgung und selbstorganisierte Produktionsnetzwerke der Industrie 4.0 verweisen auf zukunftsträchtige Anwendungsfelder.
Die Anpassung von Rechtsgrundlagen, Verantwortungsstrukturen und Governance- Maßnahmen hinkt dem Automatisierungstrend jedoch hinterher. Von Risiken und fehlender Regulierung ist der Mensch im digitalen Zeitalter sehr unmittelbar betroffen. Wer haftet, wenn selbstfahrende Autos Fußgängerinnen verletzen? Wer zeichnet verantwortlich für verhetzende Aussagen von Chat-Bots? Wie wird verhindert, dass automatisierte Entscheidungssysteme Menschengruppen diskriminieren? Wichtige Verantwortungs-, Haftungs- und Regulierungsfragen sind noch ungeklärt.
Ein explorativer Aufriss zu Governance- und Verantwortungskonzepten zeigt vielfältige Akteure, die in Fragen der Verantwortlichkeit involviert sind: von Nutzern (Eigenverantwortung) und Technologien (Accountability-by-Design) über Unternehmen (Corporate Social Responsibility), Experten (Algorithmic Auditing) und Journalismus (Accountability Reporting) bis zum Staat (Meta-Accountability). In Summe verweisen die unterschiedlichen Akteure und Konzepte auf eine “verteilte Verantwortlichkeit” (Distributed Accountability) im Bereich von Algorithmen, Robotik und künstlicher Intelligenz.
Allerdings sind Formen, Zusammenwirken und Implikationen einer Verteilung von Verantwortlichkeit bislang nicht hinlänglich erfasst. Dies bietet Raum für weiterführende interdisziplinäre Forschung zu Verantwortungsfragen im Kontext des Automatisierungstrends an der Schnittstelle von Informatik, Soziologie, Ethik, Wirtschafts-, Politik- und Kommunikationswissenschaft.
Digitalisierte Gesellschaft: Wie sich Arbeit und Berufsbilder in der Dienstleistungsgesellschaft zu einer Gig-Ökonomie wandeln (Dieter Bögenhold, Institut für Soziologie)
29. Juni 2017 | 12:00-12:15 Uhr | Hörsaal B
Das zwanzigste Jahrhundert war auch das Entstehen von ungeheuren Produktivitätsfortschritten und der Entwicklung von Arbeiten außerhalb des unmittelbar herstellenden Bereichs („blue collar“), weshalb auch von einem Dienstleistungsjahrhundert (Bögenhold 1996) gesprochen werden kann. Als Daniel Bell 1973 sein Buch über die Postindustrielle Gesellschaft (Bell 1973) vorlegte, die zwischen einem tertiären, quartären und quintären Wirtschaftssektor unterschied, erschien dieses vielen damaligen Zeitgenossen doch etwas zu gewagt. Der in den letzten 25 Jahren sich vollzogene Prozess der Digitalisierung hat freilich sich bis dahin abzeichnenden Veränderungen ausgesprochen stark dynamisiert und entsprechende Prognosen übertroffen. Die Digitalisierung beeinflusst unsere täglichen Lebens- und Arbeitsgewohnheiten, revolutionierte ganze Branchen, schaffte diverse neue Berufe und Berufsbilder, Firmen und Anwendungsfelder und Vernetzungen. Die Dynamisierung der Wirtschaft in Verbindung auch mit einer digitalisierten Globalisierung brachte Formen von Schnelllebigkeit, denen zufolge frühere Gewissheiten nicht mehr gelten. Der Beitrag wird sich mit der Thematik theoretisch und ideengeschichtlich beschäftigen und Daten und Diskussionen aus neueren Publikationen über die sogenannte GIG-Economy präsentieren, die einen fundamentalen Wandel des Verhältnisses von Arbeit, Beruf, Arbeitskontrakt und Beschäftigungsstabilität thematisieren. Das schließt auch ein, einen Blick auf die Entwicklung von Freiberuflern und selbständiger Erwerbsarbeit zu werfen, wo sich permanent neue Konfigurationen von kurz- und mittelfristigen Arrangements ergeben, die uns auch als Konsumenten in digitalisierter Form neue Angebote an digitalisierter Unterhaltung geben.
Der Einfluss von IT-Instrumenten zur Unterstützung der internen und externen Zusammenarbeit auf den Innovationserfolg – eine empirische Untersuchung (Dietfried Globocnik, Department of Innovation Management and Entrepreneurship, Erich Schwarz, Department of Innovation Management and Entrepreneurship, AAU, Carsten Schultz, Christian Albrechts University of Kiel, Institute for Innovation Research)
29. Juni 2017 | 13:15-13:30 Uhr | Stiftungssaal
Die Informationstechnologie (IT) wird in Literatur und Praxis als Erfolgsfaktor für Innovationsaktivitäten diskutiert, obgleich empirische Evidenz bislang nicht gegeben ist. Bisherigen Studien belassen zwischen IT-Einsatz und Performanz eine „black-box“. Es fehlt eine theoretische Fundierung der Mechanismen, durch die IT-Infrastrukturen den Innovationserfolg begünstigen. Unsere Forschungsarbeit adressiert diese Forschungslücke.
Konzeptionell differenzieren wir zwischen solchen IT-Instrumenten, die einerseits den internen Informationsfluss und die Teamzusammenarbeit unterstützen, und andererseits die Zusammenarbeit mit externen Partnern fördern. Die IT-Unterstützung des internen und externen Informationsflusses verbessert das Marktverständnisses, welches in weiterer Folge die Performanz des Innovationsprogramms erhöht.
Empirisch testen wir unser Mediationsmodell in einer industrieübergreifenden Stichprobe von Innovationsprogrammen aus 93 Unternehmen mit 712 Respondenten (Multi-informant design) mittels PLS-Strukturgleichungsmodellierung. Die empirischen Befunde liefern starke Unterstützung für unser konzeptionelles Modell. Mittels Prüfung von diversen Kontrollvariablen zeigen wir, dass die identifizierten Effekte über unterschiedliche Branchen hinweg stabil sind.
Der Mensch im Digitalen Zeitalter - Ein Beitrag zur strukturierten ethischen Reflexion des geplanten Forschungsschwerpunktes an der AAU (Larissa Krainer - Institut für Soziale Ökologie, Martin G. Weiß - Institut für Philosophie, Matthias Wieser - Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft)
29. Juni 2017 | 13:30-13:45 Uhr | Stiftungssaal
Für den vorgeschlagenen Initiativschwerpunkt an der AAU schlagen wir eine strukturierte ethische Reflexion im Sinne einer begleitenden Forschung vor, die möglichst alle Beteiligten (zumindest punktuell) und möglichst alle Perspektiven des Themenbereichs, die an der AAU verfolgt werden, integrieren soll. Dabei würden wir gerne die folgenden Aufgaben übernehmen:
- Identifikation ethischer Dimensionen, die sich aus den Perspektiven des Themenbereichs, die an der AAU verfolgt werden, ergeben
- Aufarbeitung des jeweiligen State of the Art der philosophischen bzw. medien- und kommunikationswissenschaftlichen Diskurse und Zurverfügungstellen derselben (via Publikationen und Conference Proceedings)
- Koordination des kontinuierlichen Reflexionsprozesses durch regelmäßige Abhaltung von Reflexionsworkshops
- Dokumentation / Publikation der Ergebnisse (Fokus Ethik und damit verbunden, kollektive/verteilte Handlungsträgerschaft, vorzugsweise in Kooperation mit KollegInnen der AAU)
- Ansiedelung und weiterer Ausbau des Interdisciplinary Media Ethics Centers ander AAU (http://www.oeaw.ac.at/cmc/research/media-accountability-media-change/interdisciplinary-media-ethics-center-imec/. Das IMEC ist derzeit ein Projekt am Institute for Comparative Media and Communication Studies der ÖAW und der AAU (http://www.oeaw.ac.at/cmc/home/) und wurde am 10. Dezember 2015 in Wien gegründet, derzeitige Leitung: Larissa Krainer. Näheres siehe: https://www.aau.at/blog/erhoehter-reflexionsbedarf-durch-wandel-der-medien-interdisziplinaeres-zentrum-fuer-medienethik-gegruendet/)
- Abhaltung von regelmäßigen Fachtagungen an der AAU bzw. der ÖAW (zweijährlich)
- (Medien)ethische Begleitforschung zum geplanten Initiativschwerpunkt (Teilnehmende Beobachtungen von Veranstaltungen, Interviews mit ForscherInnen an der AAU, regelmä-ßige Rückkoppelungen im Rahmen der Reflexionsworkshops an der AAU)
Diskussionsrunde: „Immer Ärger mit DiDi!“? Chancen, Risiken und Fragerichtungen einer Digitalen Didaktik (Barbara Klema/Gerhild Zaminer, Hajnalka Nagy, Markus Pissarek, Jürgen Struger, Artur R. Boelderl)
29. Juni 2017 | 16:15-17:15 Uhr | Stiftungssaal
Diskutierende:
Barbara Klema/Gerhild Zaminer, Hajnalka Nagy, Markus Pissarek, Jürgen Struger
Moderation:
Artur R. Boelderl
Digitale Medien als integrativer Bestandteil des Alltags von Kindern und Jugendlichen stellen eine Herausforderung für den Deutschunterricht dar, insofern sie Kulturtechniken wie Lesen und Schreiben beeinflussen. Damit ist auch die Deutschdidaktik gehalten, ihre Konzepte zu überdenken. Die bislang oft praktizierte Gegenüberstellung „neuer“ und „alter“ Medien scheint dabei ebenso verzichtbar, wie eine eindeutige Trennung zwischen den Bereichen Literatur-, Sprach- und Mediendidaktik zunehmend problematisch wird. Kann der Deutschunterricht in der Ubiquität anderweitiger digitaler Angebote der digitalen literalen Lebenswelt der Jugendlichen gerecht werden, ohne darüber seine zentrale Aufgabe zu vergessen: SchülerInnen mittels Sprache mündig und handlungsfähig zu machen? Zu erörtern gilt es u. a. folgende Aspekte: (1) Wissen abrufen und/oder vermitteln? Soll Wissensvermittlung als Entwirrung oder als erneute Vernetzung gedacht werden? Inwieweit ist Wissen „Allgemeingut“ und wie wird es mein eigenes? (2) Wie kann man SchülerInnen für die Unterschiede zwischen Lesehandlungen in verschiedenen Medien sensibilisieren? Diese Frage impliziert ein Umdenken, was „Lesen“ heißt, erfordert aber auch ein Nachdenken darüber, was Texte in unterschiedlichen Medien sind und leisten. (3) Mit der Digitalisierung bilden sich neue Formen des Erzählens und somit auch der Identitäts- und Sinnstiftung heraus. Erlaubt Literatur Jugendlichen auch im digitalen Medium, Prozesse der Konstruktion von Welt und Selbst kritisch zu reflektieren?
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