Chefkoch mit Team in der Küche

Wie lernen Geflüchtete an Schulen?

Wenn Kinder und Jugendliche aus ihrer Heimat flüchten müssen, unterbrechen sie ihre Bildungswege. Zwei Forschungsteams an der Universität Klagenfurt begleiten Schulklassen an Kärntner Schulen, die das „Lernen zwischen Flucht und Ankunft“, so der Projekttitel, erleichtern sollen.

Die Höhere Lehranstalt für Wirtschaft & Mode (WIMO) in Klagenfurt führt den Lehrgang „Übergangsstufe für Flüchtlinge“ für jugendliche AsylwerberInnen über 15 durch, die nicht mehr schulpflichtig sind. Zusätzlich gibt seit 2017 den Schulversuch „Vorlehre“ in Zusammenarbeit mit der HAK und der HTL1 in Klagenfurt, der die jungen Menschen auf einen Lehrplatz vorbereitet.

Den beiden Forschungsteams der Universität Klagenfurt geht es darum, mehr Wissen über das Lernen der geflüchteten Jugendlichen zu generieren und so zu zukünftigen Unterrichtsmodellen positiv beizutragen. Barbara Klema, Deutschdidaktikerin am Institut für Germanistik, interessiert sich vor allem für die Rahmenbedingungen für den Spracherwerb der jungen Menschen. Ihr Credo: Deutsch soll nicht (nur) als Bildungssprache, sondern vor allem als Berufssprache gesehen und vermittelt werden. (siehe Interview)

Das Forschungsteam des Instituts für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung, bestehend aus Jasmin Donlic, Daniela Lehner und Hans Karl Peterlini (sowie Jennifer Steiner als Studienassistentin) möchte neue Erkenntnisse zu inklusivem und sozialem Lernen gewinnen. „Lehrerinnen und Lehrer stehen heute vor neuen Herausforderungen. Die Heterogenität in den Schulklassen hat durch Migrations- und Fluchtbewegungen eine zusätzliche Komplexität erfahren. Um jetzt tätigen bzw. zukünftigen Lehrkräften ein gutes Handwerkszeug zur Bewältigung von Problemen und zur Nutzung von Chancen mitzugeben, brauchen wir mehr Wissen über das Lernen in diesen Kontexten“, erläutert Projektleiter Hans Karl Peterlini. Das Projekt wurde 2017 gestartet und läuft noch bis Ende 2019.

Ziel ist es unter anderem, verdichtete Beschreibungen signifikanter Momente im Unterrichtsgeschehen zu erarbeiten. Diese sollen dann in der Lehramtsausbildung für eine Verfeinerung der Wahrnehmung von förderlichen und hemmenden Situationen für personales und soziales Lernen, für Inklusion, für globales Lernen und Friedensbildung genutzt werden. Projektmitarbeiter Jasmin Donlic führt dazu weiter aus: „Die Bildungsverläufe der betroffenen Jugendlichen sind häufig durch Flucht, Migration und Globalisierung unterbrochen bzw. von Ortswechseln bestimmt. Wir fragen uns, wie sich diese Diskontinuität auf die Bildungskarrieren auswirkt.“ Die Erkenntnisse zu den Bildungsverläufen würden in der Folge dabei unterstützen, gezielte Bildungsangebote für diese Jugendlichen zu entwickeln und anzubieten.

Nachgefragt

Frau Klema, was ist das Ziel der Vorlehre?
Ziel ist es, dass die Jugendlichen am Ende eine reelle Chance haben, einen Lehrplatz zu finden. Dazu erwerben sie berufliche Praxis und verbessern ihre Deutschkenntnisse. In Bezug auf die Sprache geht es darum, von Niveau A1 auf B1 zu kommen.

Welche Praxis bieten die Schulen dafür an?
Die SchülerInnen erhalten jede Woche jeweils mehrere Stunden Unterricht in unterschiedlichen Berufsfeldern: In der WIMO ist das Küche & Service, in der HAK Wirtschaft und Officemanagement und in der HTL sind sie in den Werkstätten. Es wird also auf konkrete Berufspraxis vorbereitet.

Sie fokussieren dabei auf die Sprachförderung. Wer außer den DeutschlehrerInnen ist an den Schulen dafür verantwortlich?
Grundsätzlich gilt: Sprachförderung passiert nicht nur im Fach Deutsch, sondern in allen Fächern. Ich habe im letzten Jahr den Unterricht in den Schulen beobachtet und dabei gesehen, dass die Lehrerinnen und Lehrer sehr vernetzte Lernstrukturen zwischen den Fächern anbieten.

Was bedeutet das konkret?
Die berufliche Praxis wird stark mit dem Sprachenlernen im Deutschunterricht verbunden. Das scheint mir auch ein zentrales Erfolgsrezept zu sein. Beispielsweise werden Vokabeln, die im Kochunterricht benötigt werden, zusammengetragen und in den Deutschunterricht mitgenommen, wo dann die Grammatik dazu vermittelt werden kann. Diese enge Zusammenarbeit scheint die Schülerinnen und Schüler in ihren Fortschritten stark zu unterstützen.

Gibt es ähnliche Modelle auch anderswo?
Ja, meine Recherchen haben gezeigt, dass es beispielsweise in Hamburg im Rahmen der so genannten Ausbildungsvorbereitung für MigrantInnen für die duale Ausbildung (AvM-Dual) ähnliche Sprachförderungskonzepte gibt.

Wie ergeht es Migrantinnen und Migranten ganz generell an unseren Schulen? Wie funktioniert Sprachenlernen in diesen Kontexten?
Wie bereits gesagt: Sprachenlernen findet in allen Fächern und zu jeder Zeit statt. Die SchülerInnen leisten permanent Spracharbeit: Sie reflektieren, vergleichen, übersetzen, spielen mit ihren Sprachkompetenzen. Von Seiten der Lehrerinnen und Lehrern werden viele Elemente aus dem sprachsensiblen Unterricht verwendet. Das heißt, es werden mehr visuelle Hilfestellungen gegeben, es wird mehr wiederholt. Die Schülerinnen und Schüler haben mehr Zeit, um zu einer richtigen Formulierung zu gelangen. Mir wäre aber darüber hinaus besonders wichtig, dass man die Berufssprache Deutsch mehr in den Mittelpunkt rückt.

Warum ist das so wichtig?
Die Schülerinnen und Schüler sollen lernen, was sie konkret in der Praxis brauchen. Das ist für sie ungemein motivierend. Dieses Wissen verhilft ihnen später auch zu einer rascheren Integration am Arbeitsplatz. Dahinter steht ein Perspektivenwechsel: Es geht nicht nur um die Bildungssprache, sondern um die Berufssprache. Meine Vision ist es auch, diesen Grundsatz in den Lehrplänen der Berufsschulen und berufsbildenden Schulen zu verankern. In Deutschland gibt es schon solche Modelle, beispielsweise in Bayern.

Finden tatsächlich mehr dieser Jugendlichen in der Folge einen Lehrplatz?
Obwohl sie gut auf die Berufspraxis vorbereitet sind, bleibt dies leider häufig schwierig. Das hat vor allem mit äußeren Rahmenbedingungen zu tun. Wirtschaftstreibende sind leider oft nicht bereit, Lehrlinge mit Migrationshintergrund aufzunehmen. Hier gibt es noch viel Entwicklungspotenzial.

Wie ist die Stimmung im Lehrkörper an diesen Schulen?
Ich nehme die Lehrerinnen und Lehrer als überaus engagiert und idealistisch wahr. Sie leisten herausragende Arbeit. Die Bedingungen für ihre Arbeit werden zum Teil schwieriger und es wirken viele Faktoren in diesen Klassen zusammen, die von außen auf die Schulen einprasseln. Ich sehe es als meine Aufgabe, zum wissenschaftlichen Fundament dieser Arbeit beizutragen, zu fördern, zu stützen und zu unterstützen. Gemeinsam wollen wir so zu nachhaltigen und optimierten Modellen des Sprachenlernens finden, die auch großflächiger ausrollbar sein sollen.

für ad astra: Romy Müller

Zur Person

Barbara Klema absolvierte ihr Lehramtsstudium Deutsch und Psychologie/Philosophie an der Universität Graz und schloss dort auch den Universitätslehrgang Deutsch als Fremdsprache ab. Nach einem Unterrichtspraktikum war sie von 2003 bis 2011 Lektorin für Deutsch an der Hokkaido Universität und an der Kyushu Universität in Japan. Seit 2012 ist sie Lehrerin an der Höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe in St. Veit an der Glan. Zusätzlich ist sie an der Abteilung für Fachdidaktik des Instituts für Germanistik forschend tätig. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Mehrsprachigkeit, Spracherwerb und Sprachenpolitik.

Barbara Klema