Wie können wir schlechte Nachrichten besser vermitteln?
Claudia Kitz ist Doktorandin am Institut für Organisation, Personal und Dienstleistungsmanagement. Sie untersucht den sensiblen Komplex rund um die Überbringung schlechter Nachrichten und identifiziert praktische Lösungsansätze für den betrieblichen Kontext.
Das Überbringen schlechter Nachrichten ist von allen Seiten betrachtet eine Bürde – für überbringende wie für empfangende Personen und nicht selten für Menschen im Umkreis, auch wenn sie nicht unmittelbar betroffen sind. Selbst die Ebene der Organisation oder des Industriesektors kann von missglückter Kommunikation erschüttert werden, beispielsweise wenn diese in Reputationsschäden mündet oder medial ausgeschlachtet wird.
Die große Breite und Tiefe des Themas „Schlechte Nachrichten am Arbeitsplatz“ erlaubt eine Vielzahl an Forschungsansätzen, erschwert aber gleichzeitig die Festlegung einer allgemeingültigen Definition dessen, was eine schlechte Nachricht ausmacht. Manche Forschungsgruppen spezialisieren sich auf kritische Anmerkungen im Kontext der jährlichen Mitarbeiter*innengespräche. Im beruflichen Alltag werden wir immer wieder mit unangenehmen oder enttäuschenden Nachrichten konfrontiert, die unterschiedlich negativ behaftet sind und auch jeweils andere Konsequenzen entfalten. Die relativ betrachtet eher seltene Erfahrung eines Kündigungsgesprächs ist demnach nicht gleichzusetzen mit der Information, dass der bevorstehende Urlaub storniert werden muss, weil ein Kundenprojekt aus dem Ruder läuft, oder mit der milden Kritik einer suboptimalen Arbeitsleistung.
Das Kündigungsgespräch ist ein klassisches Beispiel und findet wie viele unangenehme Gespräche oft hinter verschlossenen Türen statt. Diese Situationen sind schwer beobachtbar und lassen aus forschungsethischen Gründen keine Experimente zu. Die Forschungsmethoden ziehen daher hypothetische Szenarien heran, sogenannte Vignettenstudien, die kausale evidenzbasierte Schlüsse erlauben. Wo der Zugang zu Daten aus dem Feld schwer oder unmöglich ist, sind in den letzten Jahren Online-Panels immer stärker in das Blickfeld der Forschenden gerückt und bieten – im Vergleich zu Felddaten – eine ähnlich robuste Datenqualität. Teilnehmer*innen aus aller Welt, die online an den Studien teilnehmen, werden von Kitz aufgefordert, sich in einem Gedankenexperiment vorzustellen, sie müssten jemandem die Botschaft einer Kündigung mitteilen und werden gefragt, wie sie diese Nachricht liefern würden und wie sich das Überbringen auf sie auswirkt.
In manchen Professionen, zu denen etwa Ärzt*innen und Polizist*innen gehören, wird die sorgfältige Vorbereitung auf schwierige Gespräche bereits in der Ausbildungsphase verankert. Führungskräfte mit Personalverantwortung in Betrieben erhalten hingegen im Regelfall keine Ausbildung dazu und werden in ihrer Suche nach forschungsbasierten praktischen Anleitungen nicht fündig.
Im Setting „Arbeitsplatz“ wäre dies laut Kitz dringend notwendig, denn im Idealfall sollte es gelingen, eine kritische Anmerkung zur Leistung zu vermitteln, ohne die Arbeitsmotivation negativ zu beeinflussen, Gefühle der ungerechten Behandlung hervorzurufen oder kontraproduktives Arbeitsverhalten auszulösen. Anders ausgedrückt: Ungeachtet der Senderichtung (Stichworte top down, bottom up oder 360°-Feedback) soll das Gespräch möglichst effektiv geführt werden, damit die zugrunde liegende Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter*in keinen Schaden nimmt. In einem interdisziplinär ausgerichteten systematischen Review untersucht Kitz, wie das Thema in anderen Disziplinen behandelt wird und welche praktischen Anleitungen bereits entwickelt wurden, die für den Managementbereich nutzbar sein könnten.
Die Medizinforschung hat längst erkannt, dass Praktiker*innen im Feld darauf vorbereitet werden müssen, eine gravierende Diagnose auszusprechen oder Angehörigen die Nachricht über den Tod von Patient*innen zu überbringen. Aus dieser Problematik heraus entstanden praktische Anleitungen für medizinisches Personal. Die empirische Forschung unterstreicht die Wirkkraft dieser Instrumente: Sie helfen dem Personal, nicht vor schwierigen Gesprächen zurückzuschrecken, sondern sich hinreichend ausgebildet und vorbereitet zu fühlen, weil sie anhand von Protokollen Schritt für Schritt durch das Gespräch geleitet werden.
Da die Bürde der Überbringung dazu führen kann, dass Sender*innen zu stark auf sich selbst fokussieren und den Empfänger*innen nicht ausreichend Zeit und Raum lassen, die Nachricht zu verdauen, setzen die Protokolle genau hier an: Der Gesprächsrahmen wird mit Rücksichtnahme auf Patient*innen gewählt, Begleitpersonen werden eingeladen, das Vorwissen des Gegenübers wird erfasst und man klärt ab, wie viele Details Betroffene über ihre Krankheit erfahren wollen, da dies individuell sehr unterschiedlich sein kann. Bei der Wissensvermittlung wird darauf geachtet, dass klar und in kleinen Informationseinheiten sowie auf Augenhöhe kommuniziert wird. Oft bedeutet das einen Verzicht auf medizinische Fachausdrücke und ein wiederholtes Innehalten, um sicherzustellen, dass Patient*innen den Informationen folgen können. Durch empathische Aussagen und Körpersprache werden Verständnis und Unterstützung signalisiert. Den Abschluss bilden eine Zusammenfassung des Gesprächs und ein gemeinsamer Plan über das weitere Vorgehen. Diese definierten Schritte haben sich quer über die verschiedenen Bereiche der Medizin als sehr hilfreich erwiesen, denn damit verläuft die Gesprächsführung deutlich effektiver, was wiederum durch Rückmeldungen von Nachrichtenempfänger*innen bestätigt wird: Sie fühlen sich gehört, verstanden und empathisch behandelt.
Wie oder an wen schlechte Nachrichten kundgetan werden, hängt – auch das zeigt die medizinische Forschung – unter anderem von kulturellen Faktoren ab. So werden zum Beispiel in manchen Ländern Asiens schwerwiegende Diagnosen wie Krebserkrankungen nicht den Patient*innen selbst, sondern den Angehörigen überbracht. Ist ein älterer Mensch von Krankheit betroffen, werden die erwachsenen Kinder informiert und haben auch darüber zu entscheiden, ob und wie der Befund an die betroffene Person kommuniziert wird. Gesichtsverluste – oder präziser: deren Vermeidung – spielen bei der Überbringung schlechter Nachrichten in östlichen Ländern eine wichtige Rolle, während dieser Aspekt in der westlichen Welt weniger stark wiegt. Hier konnte Kitz andere Dynamiken und Schutzmechanismen beobachten, etwa die Tendenz, Gesprächsinhalte positiv zu verzerren, um das Gegenüber nicht zu kränken oder bloßzustellen.
Kitz, eine gebürtige Kärntnerin, absolvierte die Ausbildung zur Kindergarten- und Hortpädagogin in Klagenfurt und nahm anschließend ein Psychologiestudium an der Alpen-Adria-Universität auf. Direkt auf das Bachelorstudium folgte der Master mit Vertiefungen u. a. in der Arbeits- und Organisationspsychologie. Noch während des Masterstudiums arbeitete Kitz in Projekten zur Suizidprävention und zum Thema Depression und war als Werksstudentin bei Infineon in Villach beschäftigt. Hier kam sie erstmals mit dem Thema ihrer Dissertation in Berührung, da es im Industrieprojekt konkret um das Überbringen von schlechten Nachrichten ging. Kitz durchforstete die bestehende Literatur in ihrer Suche nach evidenzbasierten Hinweisen für die betriebliche Praxis, musste aber bald feststellen, dass hier eine Forschungslücke klafft. Ihre beruflichen Erfahrungen mit Themen, die als unangenehm charakterisiert werden und über die nicht gerne gesprochen wird, sowie ihr großes persönliches Interesse, forschungsbasiert Anleitungen für die Praxis zu entwickeln, führten zur Wahl des Dissertationsthemas.
Claudia Kitz plant, ihre Dissertation im Winter 2022/23 zum Abschluss zu bringen. Besonders wertvoll erwies sich aus ihrer Sicht die Aufnahme in das Young-Scientists-Mentoring-Programm der Universität Klagenfurt. So konnte sie mit ihrer Mentorin Laurie Barclay, einer führenden Expertin in der Fairness-Forschung, bereits einen Artikel in Co-Autorenschaft verfassen und wurde eingeladen, im Sommer 2022 als Organisatorin und Vortragende ein Symposium in den USA mitzugestalten. Barclay, von der University of Guelph in Ontario, lud Kitz in ihr internationales Netzwerk ein, dessen Mitglieder das Thema negative news aus unterschiedlichen Blickwinkeln untersuchen. Den regen Austausch mit Forscher*innen in aller Welt und die Unterstützung ihrer Kolleg*innen am Institut für Organisation, Personal und Dienstleistungsmanagement weiß Kitz besonders in der Endphase ihrer Forschungsarbeit sehr zu schätzen. Wie die Reise nach dem Doktorat weitergehen wird, ist derzeit offen. Die Arbeit im wissenschaftlichen Setting mit engem Praxisbezug macht ihr viel Freude und die Motivation, in diesem Bereich weiterzuarbeiten, ist groß.
für ad astra: Karen Meehan
Auf ein paar Worte mit … Claudia Kitz
Was motiviert Sie, wissenschaftlich zu arbeiten?
Spannende Fragestellungen zu bearbeiten, die zur Lösung von Herausforderungen in der Praxis beitragen können.
Verstehen Ihre Eltern, woran Sie arbeiten?
Das ist einer der positiven Aspekte am Thema, jede*r findet schnell einen Anknüpfungspunkt.
Was machen Sie morgens als Erstes?
E-Mails beantworten, danach einen Kaffee.
Machen Sie richtig Urlaub? Ohne an Ihre wissenschaftliche Arbeit zu denken?
Das gelingt eher selten.
Was bringt Sie in Rage?
Ungerechtigkeit selbst oder durch andere zu erleben.
Und was beruhigt Sie?
Musik aus den 60ern und 70ern.
Worauf freuen Sie sich?
Das Doktorat demnächst abzuschließen.