Wie beeinflussen Instagram und YouTube die individuelle Selbstsorge?
Spornen die Bilder und Videos von sportlichen Körpern auf den sozialen Plattformen dazu an, selbst Workouts zu praktizieren und Gutes für sich zu tun oder erzeugen sie Stress? Anna Aschbacher hat untersucht, welche Rolle diese Medien für die individuelle Selbstsorge spielen. Für ihre Arbeit wurde sie nun gestern, am 22. November 2022, mit dem Würdigungspreis des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung ausgezeichnet.
Stählerne Muskeln, die unter braungebrannter Haut erkennbar sind, strahlende Gesichter: Fitspiration-Influencer*innen gibt es auf Instagram und YouTube zuhauf. Sie präsentieren ihre Körper und die Workouts, die dem zugrunde liegen. Sie propagieren gesunde Ernährung, die häufig ganz bestimmten Paradigmen folgt. Auf der anderen Seite gibt es die, die nicht minder publikumswirksam den Körperkult in Frage stellen: Der nach den Normen angeblich nicht-perfekte Körper wird mit Body-Positivity in ein positives Licht gerückt und über Trends wie Instagram-vs.-Reality werden Körperideale sowie bearbeitete und unauthentische Körperdarstellungen in Frage gestellt.
Anna Aschbacher ist Absolventin des Masterstudiums „Medien, Kommunikation und Kultur“ und hat sich in ihrer Masterarbeit mit der Bedeutung von Instagram und YouTube für die individuelle Selbstsorge beschäftigt. Die Grundlage dafür bildeten die Theorien des Soziologen Michel Foucault zur Selbstsorge, die auf die Antike zurückgehen. „Für römische und griechische Philosophen bedeutete die sogenannte Sorge um sich, dass man sich durch diverse Selbstpraktiken mit sich selbst beschäftigt, um eine Beziehung zu sich selbst aufzubauen und, um sich um die Gesundheit der Seele zu kümmern. Zu den Selbstpraktiken zählten unter anderem auch körperliche Übungen“, erzählt Anna Aschbacher. Damit schlägt sie auch die Brücke von Sokrates, Seneca und Epikur hin zu den Influencer*innen der Gegenwart. „Betreibt man Fitness, Sport und Yoga für sich selbst und die eigene Gesundheit, fällt dies unter Selbstsorge. Tut man es, um andere mit den Muskeln und schlanken Körpern zu imponieren, erzeugt die Ausrichtung an Idealen eher negative Verhaltensmuster und Stress“, so Anna Aschbacher weiter.
Anna Aschbacher hat Interviews durchgeführt und eine umfassende Medienanalyse angestellt. Ihre Proband*innen haben ein Medientagebuch geführt, das Anna Aschbacher ausgewertet hat. Zudem wurden Visualisierungen angefertigt und kurze Fragebögen ausgefüllt. Ihre Erkenntnisse waren durchaus überraschend, wie sie uns erzählt: „Ich bin davon ausgegangen, dass Fitspiration-Beiträge einen starken Einfluss darauf haben, dass Medienrezipient*innen den Körpernormen entsprechen wollen. Es zeigte sich aber: Der Trend geht eher in Richtung Selbstsorge, wie sie von Foucault verstanden wurde.“ Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper hinterfragt also die medialen Darstellungen häufig kritisch. Selbst unter Fotos von perfekten Körpern steht in den Bildunterschriften dazu Widersprüchliches zu lesen: Man solle auf sich hören, seine Grenzen kennen, den eigenen Körper schätzen. Die medialen Gegenbewegungen zu den extremen Fitness-Idealen erfreuen sich großer Beliebtheit.
Die heute 24-jährige Anna Aschbacher kam als First-Generation-Studierende aus Rennweg am Katschberg nach Klagenfurt, um hier zu studieren. Nach Abschluss des Masterstudiums hat sie nun an der Abteilung für Marketing und Internationales Management eine Stelle als Universitätsassistentin angetreten. In den kommenden Jahren wird sie sich dort mit den Dimensionen von Work-Life-Balance und ihren Auswirkungen auf die Arbeitsproduktivität im Kontext der modernen Arbeitswelt befassen. Als Angehörige der Generation Z vereint sie die aktuell vieldiskutierten Widersprüche auch in ihrer Arbeits-Persönlichkeit. Anna Aschbacher ist zielstrebig und konsequent, will nicht nur alles schnellstmöglich, sondern auch bestmöglich erledigen, gleichzeitig sollten eigene Bedürfnisse und Prioritäten nicht vernachlässigt werden: „Auch ich bin der Meinung, dass man Erwerbsarbeitszeit reduzieren kann, wenn man es sich finanziell leisten kann. So hat man mehr Zeit für sich, für Familie und Freunde, für alles, was einem persönlich wichtig ist und was man gerne tut.“ Auch als junge*r Wissenschaftler*in sei das Spannungsfeld zwischen endless work, work-life balance und den eigenen hohen Ansprüchen an sich und seine Leistung herausfordernd, erzählt sie uns. Sie zieht das Fazit: „Wann immer ich mich Herausforderungen gestellt, intensiv und konsequent gearbeitet habe, habe ich auch gesehen, dass es sich gelohnt hat.“ Eine Anerkennung für diese Leistung wird ihr nun mit dem Würdigungspreis des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung zuteil, der ihr am 22. November 2022 verliehen wurde.
Auf ein paar Worte mit … Anna Aschbacher
Was motiviert Sie, wissenschaftlich zu arbeiten?
Diversen Fragestellungen nachzugehen, Zusammenhänge zu erkennen, Sichtweisen und Verhaltensmuster von Menschen zu erkennen und einen Beitrag zu gesellschaftlichen Problemen/Herausforderungen zu leisten.
Was machen Sie morgens als Erstes?
Sprüche aus meinen Kalendern lesen.
Machen Sie richtig Urlaub? Ohne an Ihre Arbeit zu denken?
Grundsätzlich schon – es gelingt mal mehr und mal weniger.
Wen betrachten Sie als größte Wissenschaftler*in in der Geschichte und warum?
Es gibt sehr viele wichtige Wissenschaftler*innen, welche wichtige gesellschaftliche Beiträge leisteten bzw. leisten und je nach Kontext ist es ein*e andere*r.
Was macht Sie wütend?
Lügen, Unterstellungen und Ungerechtigkeit.
Und was beruhigt Sie?
Gute Neuigkeiten, Dinge von der To-Do-Liste abhaken und Me-Time.
Wovor fürchten Sie sich?
Ich fürchte mich vor wenigen Dingen, denn es gibt immer einen Weg, wie man selbst schwierige Situationen meistern kann. Furcht schränkt ein und macht unsicher.
Worauf freuen Sie sich?
Auf gemeinsame Zeit mit netten Leuten. Und auf gutes Essen.