Wenn Eltern die Kraft ausgeht

Für den Großteil der Eltern sind Stress und Erschöpfung keine unbekannten Zustände. Wenn die notwendigen Ressourcen allerdings fehlen, um mit Stressfaktoren umgehen zu können, kann dies in einem Eltern-Burnout resultieren. Diesem relativ neuen und unerforschten Thema widmet sich Gesundheitspsychologin Heather Foran in ihrer Forschungstätigkeit.

Wenn man auf das Thema Burnout zu sprechen kommt, denken die meisten Menschen in erster Linie an einen körperlichen und mentalen Erschöpfungszustand, der von einer Überbelastung im Arbeitsalltag herrührt. Burnouts, die im Zusammenhang mit der Erziehung der eigenen Kinder auftreten können, sind erst seit kurzem in den Fokus der Forschung gerückt.

„Ich habe in den letzten Jahren an einer Reihe von Studien über die Erziehung von Kindern und die Vorbeugung von emotionalen Problemen oder Verhaltensproblemen bei Kindern mitgewirkt. Dabei waren für mich vor allem die Familiensysteme interessant und wie sich der Stress der Eltern auf die psychische Gesundheit der Kinder, aber auch die ihrer Eltern auswirken kann. In einigen Fällen entwickelt sich aus dem chronischen Stress ein elterliches Burnout“, erklärt Heather Foran ihre Motivation für das Forschungsthema.

Die Symptomatik des Eltern-Burnouts ist ähnlich dem eines Job-Burnouts und umfasst ebenso drei Dimensionen. Die erste ist eine überwältigende Erschöpfung, bei der keine Kraft mehr aufgebracht werden kann, um die Elternrolle zu erfüllen. Bei der zweiten Dimension geht es um eine emotionale Distanzierung, die die Eltern- Kind-Interaktion auf ein Minimum reduziert. Der betroffene Elternteil macht nur noch das Nötigste für sein Kind. Die dritte Dimension kennzeichnet sich dadurch, dass Eltern keine Erfüllung mehr in ihrer Elternrolle finden und keine Zeit mehr mit ihren Kindern verbringen wollen. Der Übergang zu einer klinischen Depression ist manchmal fließend, wie Foran ausführt: „Man ist nicht nur körperlich und psychisch müde, sondern hat auch keine Energie mehr für Dinge, die einem früher Spaß gemacht haben. Das sehen wir als ein Symptom einer Depression.“ Eine internationale Studie, an der Heather Foran mitgearbeitet hat, hat in 42 Ländern auf der ganzen Welt die Häufigkeit und kulturellen Unterschiede von Eltern-Burnout untersucht. Foran und zwei ihrer Doktorand*innen, Katharina Prandstetter und Hugh Murphy, haben im Rahmen dieser Studie Daten von 185 österreichischen Eltern gesammelt.

Bei der Analyse von kulturellen Werten in den beteiligten Ländern sticht ein Ergebnis besonders hervor. In Ländern mit stärker ausgeprägtem Individualismus ist die Wahrscheinlichkeit höher, an einem Eltern-Burnout zu leiden. Heather Foran erläutert dazu: „Der Gedanke, alles selbst machen zu können, dass man alle Entscheidungen selbst in der Hand hat und dass man immer die eigene Wahl hat, kann dazu führen, dass man sich nicht genug Unterstützung holt, wenn man sie braucht.“ Österreich liegt hier im Mittelfeld, was bedeutet, dass es beispielsweise weniger individualistisch und weniger Burnout gefährdet ist als die USA und das Vereinigte Königreich, die im oberen Bereich der Skala rangieren.

Faktoren wie die Anzahl und das Alter der Kinder, ob es sich um Alleinerziehende, Zwei-Eltern-Familien oder Mehr-Generationen-Familien handelt, wurden ebenfalls in der Studie erfasst und untersucht. Die bisherigen Daten lassen darauf schließen, dass Individualismus tatsächlich eine größere Rolle beim Eltern-Burnout spielt als jedes andere bisher untersuchte Merkmal.

Der Anteil an betroffenen Eltern lag in dieser internationalen Untersuchung zwischen acht und 36 Prozent, wobei die Gründe für diese weite Spannbreite noch näher untersucht werden müssen. Bei einer von Heather Foran publizierten Studie litten 1,6 Prozent der Befragten an einem Eltern-Burnout. Sie fügt aber hinzu: „Ich glaube nicht, dass diese Zahl alle Dimensionen des elterlichen Burnouts wiedergibt. Es gibt Menschen mit sehr schwerwiegenden Ausprägungen, aber natürlich auch welche mit leichteren Verläufen. Um gezielte Unterstützungs- und Präventionsangebote bereitstellen zu können, ist es wichtig, das gesamte Spektrum mitzudenken.“

Aufbauend auf den Daten der internationalen Studie veröffentlichten Foran, Prandstetter und Murphy kürzlich eine Studie, in der sie die Zusammenhänge zwischen Gewalt in der Partnerschaft, Geschlechterrollen und Unzufriedenheit in der Partnerschaft und deren Beziehung zum elterlichen Burnout untersuchen. Foran dazu: „Es ist wichtig, die Rolle, die die Paarbeziehung auf den elterlichen Stress haben kann, zu erkennen.“

Als wir danach fragen, wie man einem Eltern-Burnout vorbeugen kann, erklärt Foran, dass es um das Gleichgewicht zwischen Herausforderungen und Stressfaktoren und den zur Verfügung stehenden Ressourcen und Unterstützungsangeboten geht. „Genau deshalb ist die COVID- 19-Pandemie so eine Herausforderung. Einige der wichtigsten Ressourcen, die Eltern zur Verfügung stehen, nämlich Großeltern und andere Familienmitglieder, sind plötzlich weggefallen. Das hat die Situation für Eltern stark verschlimmert.“

Damit Stress und Überforderung nicht überhandnehmen, sollten Eltern oft genug an sich und die eigenen Bedürfnisse denken, meint Foran: „Selbstfürsorge, Entspannung und weiterhin Dinge zu tun, die ihnen Spaß machen, sind wichtige Präventionsmaßnahmen. Außerdem sollten Eltern den Anspruch, die perfekte Mutter oder der perfekte Vater zu sein, aufgeben. Diese Art von Perfektionismus abzulegen, ist etwas, das Eltern helfen würde.“

In diesem Zusammenhang spielen Scham und Stigmatisierung gleichfalls eine we- sentliche Rolle. „Niemand muss sich schämen oder schlecht fühlen, wenn er um Unterstützung bittet, weil er einmal eine Auszeit braucht. Sich Zeit für sich selbst, für Freund*innen oder für den Partner zu nehmen, bedeutet nicht, keine Zeit mit seinen Kindern verbringen zu wollen“, sagt Heather Foran und führt weiter aus, dass Eltern nach diesen Pausen die Zeit mit ihrem Kind mehr genießen und sich das positiv auf die Eltern-Kind-Beziehung auswirkt.

Wenn Eltern sich allerdings ständig überfordert fühlen, neigen sie oftmals schneller zu Wutausbrüchen, die zu harten Erziehungsmaßnahmen führen. Mitunter kann sich die Situation auch in die andere Richtung entwickeln und darin resultieren, dass Kinder vernachlässigt werden. Beide Enden des Spektrums sind laut Foran möglich. Deshalb ist es wichtig, dass Eltern in Stresssituationen über die notwendigen Fähigkeiten verfügen, zu erkennen, wann sie eine Pause brauchen.  Heather Foran ist Universitätsprofessorin für Gesundheitspsychologie am Institut für Psychologie. Die Bewertung von Erziehungsmaßnahmen ist der Schwerpunkt ihrer Arbeit und wird durch das Programm Horizon 2020 der Europäischen Kommission finanziert. In den letzten Jahren hat sie im Rahmen des „RISE“-Projekts sechs randomisierte Studien in südosteuropäischen Ländern durchgeführt. Die Ergebnisse werden im kommenden Jahr veröffentlicht. Sie forscht auch zu Familie und Gesundheit, Gewalt in Familien, Digital Health und Public Health.

für ad astra: Katharina Tischler-Banfield

Zur Person


Heather Foran ist Universitätsprofessorin für Gesundheitspsychologie am Institut für Psychologie. Die Bewertung von Erziehungsmaßnahmen ist der Schwerpunkt ihrer Arbeit und wird durch das Programm Horizon 2020 der Europäischen Kommission finanziert. In den letzten Jahren hat sie im Rahmen des „RISE“-Projekts sechs randomisierte Studien in südosteuropäischen Ländern durchgeführt. Die Ergebnisse werden im kommenden Jahr veröffentlicht. Sie forscht auch zu Familie und Gesundheit, Gewalt in Familien, Digital Health und Public Health.



Heather Foran | Foto: photo riccio