Weisheit in Partnerschaften: Partner*in als Entwicklungschance sehen
Wie sollte eine Partnerschaft gestaltet sein, damit sie die Partner*innen in ihrer Weisheitsentwicklung unterstützt? Diesen und anderen Fragen von Weisheit in Partnerschaften geht Irina Auer-Spath in ihrer Dissertation nach.
„Im Wisdom Lab am Institut für Psychologie beschäftigen wir uns unter der Leitung von Judith Glück damit, wie sich Weisheit bei Menschen entwickelt und wie sie sich im Alltag manifestiert. Mein Schwerpunkt sind die zwischenmenschlichen Interaktionen und die Frage: Wie wirken langjährige Partnerschaften auf die Entwicklung von Weisheit?“, erklärt uns die Doktorandin Irina Auer-Spath.
Grundsätzlich sei Weisheit eine Frage der Entwicklung. Man werde in der Regel nicht von einem Tag auf den anderen weise, sondern es ist ein fortlaufender lebenslanger Prozess, in dem sich Weisheit herausbildet. Diese Form der Entwicklung sei in manchen Partnerschaften aber nicht immer unbedingt erwünscht, so Irina Auer-Spath: „Eine sehr offene Partner*in, die einen empathischen Umgang hat, kann bei der persönlichen Weiterentwicklung eine unterstützende Rolle spielen. Es ist also weniger die Gefahr zu sehen, sondern eine Balance zu suchen, wie viel Freiheit und wie viel individuelle und gemeinsame Entwicklung möglich ist.“
Eine wichtige Rolle spiele auch der Wirkfaktor Bindung: „Gerade bei langjährigen Partnerschaften hat die Bindungssicherheit, die die Partner*in zur Verfügung stellt, wahrscheinlich einen großen Einfluss darauf, wie wir Ressourcen entwickeln. Eine sichere Bindung ist eine gute Ausgangsbasis, um sich auszuleben und zu explorieren.“ Grundlage dafür ist es, der Partner*in aufmerksam und empathisch zu begegnen und offen gegenüber den Ideen der Partner*in zu sein. Irina Auer-Spath erklärt bezugnehmend auf das Selbstexpansionsmodell, das unter anderem danach fragt, inwiefern man die Ressourcen der Partner*in auch als die eigenen ansehen kann: „Wir sehen in unseren Ergebnissen, dass weise Menschen die Eigenschaften und Stärken der Partner*in eher auch als ihre eigenen Ressourcen wahrnehmen und sich so quasi ‚erweitern‘. Weise Menschen nehmen die Partner*in eher als Chance für die eigene persönliche Entwicklung wahr.“
Viel Entwicklung steckt auch in dem bisherigen Lebensweg von Irina Auer-Spath. Sie absolvierte nach der Schule die Lehre zur Heilmasseurin und holte erst später die Abendmatura in Salzburg nach. Dann kehrte sie nach Klagenfurt zurück, wo sie Psychologie im Diplomstudium absolvierte und nun ihr Doktoratsstudium betreibt. Dazwischen hat sie geheiratet und zwei Kinder bekommen. Ihre Dissertation will sie demnächst abgeschlossen haben und dann sowohl in der Forschung als auch in der Praxis arbeiten. „Das Interesse am Menschen stand bei meinen Stationen immer im Vordergrund“, erzählt sie uns. Aktuell ist Irina Auer-Spath Psychotherapeutin in Ausbildung unter Supervision im Feld der Konzentrativen Bewegungstherapie.
Auf ein paar Worte mit … Irina Auer-Spath
Was motiviert Sie, wissenschaftlich zu arbeiten?
Ich bin grundsätzlich eher neugierig und habe mit meiner Art, immer allen Dingen auf den Grund zu gehen, sie verstehen zu wollen und keine Angst zu haben, Fragen zu stellen, bestimmt schon so einige meiner Mitmenschen zur Verzweiflung gebracht. Die Wissenschaft ist eine gute Möglichkeit, um diese Eigenschaft beruflich auszuleben und sinnvoll zu nutzen.
Verstehen Ihre Eltern, woran Sie arbeiten?
Ich denke, zu meinen Forschungsthemen an sich haben sie nach 45 Jahren Ehe bestimmt einen ganz eigenen Zugang. Auf jeden Fall sind die Gespräche mit ihnen immer sehr spannend und hilfreich.
Um die Frage aber eine Generation weiterzudenken: Die Gespräche mit meinen Kindern (7 u. 10) über ihre Sicht auf Weisheit und zwischenmenschliche Beziehungen sind ebenfalls sehr unterhaltsam, aber durchaus auch spannend und inspirierend für mich.
Was machen Sie im Büro morgens als Erstes?
Ehrlich gesagt, den Wasserkocher einschalten. Mit einer guten Tasse Tee in der Hand sehe ich der täglichen Aufgabenliste ein wenig gelassener entgegen.
Machen Sie richtig Urlaub? Ohne an Ihre Arbeit zu denken?
Sagen wir mal so, ich mache richtig Urlaub, ohne an meine To-do-Liste zu denken. Meine Forschungsthemen haben es so an sich, dass ein völliges Wegdenken davon im Alltag wohl kaum gelingen kann. Das Nachdenken darüber empfinde ich aber nicht als anstrengend oder zeitraubend. Ganz im Gegenteil, oft bringt mich die persönliche Auseinandersetzung damit auf neue Ideen und motiviert mich, über gewisse Dinge noch einmal neu oder anders nachzudenken.
Was bringt Sie in Rage?
Da gibt es nicht besonders viel. Wenn ich mich ärgere, dann am ehesten über mich selbst, weil mir etwas nicht so gelingt, wie ich es gerne hätte. Anderen Menschen gegenüber bin ich da deutlich geduldiger.
Und was beruhigt Sie?
Lange Spaziergänge, schöne Musik, und (wie schon erwähnt) eine gute Tasse Tee.
Wer ist für Sie der*die größte Wissenschaftler*in der Geschichte und warum?
Ich glaube, dass es nicht eine*n Einzelnen gibt, die*der diesen Titel verdient. Die Summe von alle dem, was Wissenschaft in jedem einzelnen Fachbereich leistet ist einfach faszinierend und inspirierend.
Wovor fürchten Sie sich?
Ich weiß nicht, ob fürchten das richtige Wort ist, aber zurzeit gibt es bestimmt einige Entwicklungen auf der Welt, die ich besorgniserregend finde.
Worauf freuen Sie sich?
Da gibt es viele Dinge, die mir einfallen würden. Beruflich gesehen sind es zurzeit Dinge wie Präsenzlehre und „echte“ Meetings, da mir der direkte Kontakt und Austausch mit Studierenden und Kolleg*innen in den letzten Semestern schon sehr gefehlt hat.