Weder fad noch eintönig: Kann der öffentliche Sektor ein attraktiver Arbeitgeber sein?
In Österreich kommen 51 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus dem öffentlichen Sektor. Dies soll in gute Arbeit investiert sein – und das mit gutem Personal. Sanja Korac hat anhand von 27 internationalen Studien untersucht, welchen Blick junge Menschen und zukünftige ArbeitnehmerInnen auf eine Beschäftigung im öffentlichen Sektor haben.
Nehmen wir als Beispiel das Thema Cybersecurity, das auch viele Behörden betrifft. Gibt es genügend öffentlich Bedienstete, die hier gut ausgebildet sind?
Dieses Beispiel zeigt ein Grundproblem: Die Studien belegen, dass die Personen, die ein höheres Gehalt haben wollen, eher in die Privatwirtschaft gehen. Unter der Berufsgruppe der TechnikerInnen, die auch stark von der Wirtschaft nachgefragt werden, ist es schwieriger, den öffentlichen Sektor als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren. Bei uns ist das Gehalt der meisten öffentlich Bediensteten eine Sache von fixen Schemata. Anderswo, beispielsweise in den angelsächsischen Ländern, hat man versucht, leistungsorientierte Bezahlung einzuführen. Das funktioniert in manchen Bereichen, anderswo kann das aber gegenteilige Effekte haben: Bezahle ich einer Polizistin, die mehr Strafzettel verteilt, ein höheres Gehalt? Oder wie messe ich die Wirkung ihrer Leistung? Schwierig an monetären Anreizen ist auch, dass diese wieder auslaufen können. Wenn dann das Gehalt sinkt, fällt die Motivation mitunter ins Bodenlose.
Was kann der öffentliche Sektor an Anreizen bieten?
Vor allem nach der letzten Finanzkrise sehen wir, dass Arbeitsplatzsicherheit auch für junge Menschen ein wichtiger Faktor ist. Außerdem kann man über Weiterbildungsangebote öffentliche Jobs attraktiver machen.
Für viele gilt der öffentliche Sektor als fad und eintönig. Hat sich das auch in den Studien gezeigt?
Ja, wir wissen, dass Studierende oder junge potenzielle MitarbeiterInnen, die an abwechslungsreichen Aufgaben interessiert sind, eher in den privaten Sektor gehen. Ich glaube, da hat der öffentliche Dienst noch stark aufzuzeigen, welches breite Leistungsspektrum abgedeckt wird. Zusätzliche Abwechslung könnten auch Job-Rotation-Programme bringen.
Wer sind denn nun den untersuchten Studien zufolge die Menschen, die in den öffentlichen Sektor gehen?
Beim Blick auf internationale Ergebnisse lässt sich grob zusammengefasst sagen: Menschen, die einer Minderheit angehören, interessieren sich eher für eine solche Tätigkeit. Dies lässt darauf schließen, dass es der öffentliche Sektor geschafft hat, benachteiligte Gruppen zu fördern. Wenn es in der Familie Personen gibt, die schon im öffentlichen Dienst tätig sind, interessiert man sich auch eher dafür. Junge Männer und Frauen interessieren sich gleichermaßen für solche Jobs, was wohl damit zusammenhängt, dass die in den Fokus genommene Gruppe in der Regel noch keine Kinder hat und damit Aspekte wie Work-Life-Balance noch nicht so stark von Bedeutung sind. Höchst relevant ist aber die so genannte Public Service Motivation. Man sieht also, dass Personen im öffentlichen Sektor anders motiviert zu sein scheinen als die Angestellten in der Privatwirtschaft. Das trifft auch für diejenigen zu, die noch nicht ins Berufsleben eingestiegen sind.
Wodurch zeichnet sich dies aus?
Gemeint ist, dass es eine Form der altruistischen Motivation gibt.
Tatsächlich? Das Klischee „des Beamten“ ist aber weniger von Selbstaufgabe geprägt, als von penibler Einhaltung von Parteienverkehrszeiten zur Wahrung der eigenen Freizeit.
Der Ruf des faulen öffentlichen Sektors ist ein Problem der Länder, wo die Bürokratie ganz stark ist, beispielsweise in asiatischen Ländern, in Deutschland oder in Österreich. In den letzten Jahren wurde hier zwar bereits viel getan, um die Verwaltung bürgerInnenorientierter und die Prozesse effizienter zu gestalten. Aber das noch immer verhaftete negative Bild zeigt – es bleibt noch sehr viel zu tun. Die Idee der Public Service Motivation ist zwar aus Beobachtungen in Nordamerika entstanden, man hat aber für viele Regionen dieser Welt festgestellt: Ja, Beschäftigte im öffentlichen Sektor sind eher dazu bereit, zum Gemeinwohl beizutragen, soziales Mitgefühl zu zeigen, Politik mitzugestalten und dabei auch selbstaufopfernd zu agieren. Wobei man dabei betonen muss, dass der öffentliche Sektor viel in den Non-Profit-Bereich und auch in die Privatwirtschaft ausgelagert hat, wodurch Grenzen verschwimmen und man häufig nicht mehr von dem klassischen Beamten oder der klassischen Beamtin sprechen kann.
Hat der öffentliche Sektor einen Leidensdruck, was die Personalrekrutierung betrifft?
Fast überall versucht der öffentliche Sektor einzusparen. Dabei sind die Personalkosten in der Regel der größte Brocken. Vielerorts werden daher Posten nicht nachbesetzt bzw. nicht neu ausgeschrieben. Die Beschäftigten im öffentlichen Sektor in Österreich werden tendenziell älter und die Work-Force schrumpft. Der öffentliche Dienst muss sich aber auch immer mehr fragen, wie zukünftig erforderliche Kompetenzen abgedeckt werden. Zu Beginn des Gesprächs hatten wir als Beispiel die Cybersecurity-ExpertInnen. Dies betrifft aber auch viele andere Bereiche: So werden immer mehr Personen benötigt, die Ahnung von Datenanalyse im Sinne von Big Data haben. Der öffentliche Sektor muss auch gezielt ArbeitnehmerInnen ansprechen können, weil er es sich auch immer weniger leisten kann, starke Fluktuationen zu haben. Daher gibt es auch viel Interesse an unserer Wissenschaft und den Erkenntnissen.
Stichwort Führungskräfte: Nun ist anzunehmen, wenn man zur Chefin bestimmt ist, wird man auch seine eigene Chefin. Der öffentliche Sektor gilt gemeinhin nicht als Ort für aufstrebende Führungskräfte. Stimmt diese Wahrnehmung?
Die meisten Jungen sehen die Möglichkeiten, Führungsverantwortung zu übernehmen, im öffentlichen Sektor nicht. Besonders hier kann man aber gut gegensteuern und Möglichkeiten zur Weiterentwicklung und zum Aufstieg schaffen. Auch die Leitung von kleineren Projektgruppen bedeutet Führungsverantwortung.
In welchem Bereich lohnt es sich besonders, weiter zu forschen?
Ich glaube, wir wissen noch zu wenig über individuelle Faktoren, die für eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst ausschlaggebend sind. Hier die so genannten „Big Five“ der Persönlichkeitsmerkmale als Ausgangspunkt für Studien zu nehmen, könnte besonders lohnend sein.
Zum Abschluss die Frage: Sie, Frau Korac, sind im öffentlichen Sektor, also an einer Universität, tätig. Viele Vorteile fallen dabei aber flach, so ist das Berufsleben einer Wissenschaftlerin stark von Konkurrenz und Wettbewerb geprägt, insbesondere in der Spitzenforschung. Wodurch sind Sie denn motiviert, dies zu tun, wenn Sie doch anderswo viel mehr Geld verdienen könnten?
Geld spielt für mich wohl relativ gesehen eine geringere Rolle. Berufliche Weiterentwicklung ist für mich aber wichtig, und ich bin glücklicherweise in einem Vertrag, der mir dies ermöglicht. Wichtiger waren mir die Art der Tätigkeit und die Option, etwas zu bewegen. Ich glaube, dass viele Organisationen im öffentlichen Sektor aufzeigen können, was alles an Aufgabengebieten möglich ist, um das oft festgefahrene Image zu verändern.
für ad astra: Romy Müller
Zur Person
Sanja Korac ist Assistenzprofessorin am Institut für Öffentliche Betriebswirtschaftslehre. Sie forscht insbesondere zu Öffentlichem Rechnungswesen, Nonprofit-Management und Public Service Motivation.