Was hat gesellschaftliche Verantwortung mit der Attraktivität als Arbeitgeber*in zu tun?

Sandra Diehl und Isabell Koinig, die am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft forschen und lehren, befassen sich mit Aspekten von Corporate Social Responsibility. Dazu gehört auch die Frage, wie sich das sozial verantwortungsvolle Handeln seitens Arbeitgeber*in auf die Rekrutierung auswirkt.

Wie sind die Themen Corporate Social Responsibility und Personal miteinander verknüpft?

Sandra Diehl: Aus Studien wissen wir, dass es für Konsument*innen, aber auch für Mitarbeiter*innen wichtig ist, dass Unternehmen Gutes tun und nachhaltig verantwortungsvoll handeln.

Isabell Koinig: Corporate Social Responsibility (CSR) ist ein Thema, womit sich Unternehmen heute verstärkt auseinandersetzen. Sie tragen es nach innen, zu den Angehörigen des Unternehmens, und gleichzeitig kommunizieren sie ihre Werte nach außen, etwa um neue Mitarbeiter* innen anzuwerben. Vor dem Hintergrund des intensiven Wettbewerbs um talentierte Arbeitskräfte gewinnt diese Kommunikation zunehmend an Bedeutung.

Welche Erkenntnisse gab es dazu in den letzten Jahren?

Koinig: In den letzten zehn Jahren konnten wir eine deutliche Werteverschiebung beobachten. Heute sind Unternehmen gefordert, sich in ihrem Handeln immer mehr nach den Bedürfnissen der Mitarbeiter*innen zu richten. Junge Menschen treten mit konkreten Ansprüchen an ihre Arbeitgeber*innen heran.

Diehl: Unsere Studien belegen, dass die Kommunikation zu Werten und zur gelebten gesellschaftlichen Verantwortung vor allem glaubwürdig sein muss. Wo dies gelingt, wird CSR nicht nur zum Erfolgsfaktor für das Unternehmen, sondern führt auf der individuellen Ebene zu organisational pride, also dazu, dass Mitarbeiter*innen stolz darauf sind, für das Unternehmen zu arbeiten, und sich stärker mit dem Unternehmen identifizieren. Analog dazu steigen die Arbeitszufriedenheit und das persönliche Gefühl des Wohlbefindens.

Koinig: Umgekehrt kann ein Mangel an Glaubwürdigkeit oder ein Nichtidentifizieren dazu führen, dass die Zufriedenheit der Mitarbeiter*innen abnimmt und die Bereitschaft steigt, sich nach anderen Arbeitgeber*innen umzusehen.

Diehl: Auch für das Unternehmen ergeben sich Vorteile, etwa die stärkere Bindung der Mitarbeiter*innen, die die Wechselbereitschaft der Arbeitskräfte und damit die Fluktuation im Unternehmen senkt, ein erhöhtes Vertrauen in das Management sowie die Bereitschaft, mit anderen Personen positiv über das Unternehmen zu sprechen.

Um welche Werte handelt es sich und wie werden sie kommuniziert?

Koinig: Unternehmen setzen immer mehr auf Werte, die sie nach innen und außen kommunizieren, und beeinflussen damit, wie sie als Arbeitgeber*in oder als Marke aufgefasst werden. Wichtig ist die wertschätzende Form der Kommunikation, denn damit bringen Unternehmen zum Ausdruck, dass ein Betrieb mit seinen Mitarbeiter*innen steht und fällt. Eine zentrale Perspektive in diesem Zusammenhang ist organisational health – die betriebliche Gesundheit –, die davon ausgeht, dass Mitarbeiter*innen die wichtigste Ressource im Unternehmen sind und dass der Unternehmenserfolg leidet, wenn diese nicht wertgeschätzt und in ihrer persönlichen Entwicklung gefördert werden.

Diehl: Viele Unternehmen bilden Werte wie Familien- und Umweltfreundlichkeit oder Gesundheitsorientierung bereits in ihren Stellenausschreibungen ab. Arbeitgeber*innen, die mehr Flexibilität hinsichtlich Arbeitszeit und -ort anbieten, können so ihre Attraktivität steigern. Gerade jüngere Personen legen viel Wert darauf, einen sinnstiftenden Job mit einem ausreichenden Maß an Freizeit zu bekommen, und suchen nach einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Berufs- und Privatleben.

 

„Es reicht nicht, wenn Unternehmen sich Werte wie Toleranz oder Offenheit für Diversität auf die Fahnen schreiben, diese aber nicht authentisch leben.“
(Sandra Diehl, rechts im Bild)

 

Können CSR-Maßnahmen auch danebengehen?

Diehl: Es reicht nicht, wenn Unternehmen sich Werte wie Rücksicht auf die Umwelt, Toleranz oder Offenheit für Diversität auf die Fahnen schreiben, diese aber nicht authentisch leben und nachhaltig im Unternehmen verankern. Ein Beispiel: Als das Unternehmen Volkswagen in der Unternehmenskommunikation Unterstützung für die Fridays-for-Future-Bewegung zum Ausdruck brachte, wurde rasch der Vorwurf des Greenwashings laut: Im Nachklang des umweltschädigenden Dieselskandals wirkte das Bekenntnis des Unternehmens zum Umweltschutz alles andere als glaubhaft.

Welche aktuellen Trends beobachten Sie in Ihrer Forschung?

Diehl: Ein neuer Trend wird als Corporate Social Advocacy bezeichnet. Der Unterschied zu CSR besteht darin, dass Unternehmen zu teils kontrovers diskutierten gesellschaftspolitischen Themen öffentlich Position beziehen, sei es „Black Lives Matter“, die amerikanische Präsidentschaftswahl 2020 oder das Recht auf die gleichgeschlechtliche Ehe. Unternehmen wie Nike oder Starbucks verwenden ihren hohen Bekanntheitsgrad und ihre weitreichenden Plattformen, um – gestützt durch Social-Media-Instrumente wie #hashtags – eine breite Öffentlichkeit zu erreichen, Diskussionen anzukurbeln und zur Bewusstseinsbildung beizutragen.

Koinig: Auch ein Boykott kann eine Positionierung sein. Als dem Unternehmen Facebook vorgeworfen wurde, dass es nicht beherzt genug einschreitet, wenn Nutzer*innen ihre Postings dazu verwenden, Hass im Netz zu verbreiten, entschlossen sich einige Unternehmen dazu, keine Werbung mehr auf Facebook zu schalten.

Welche Rolle spielen die sozialen Medien?

Koinig: Wichtig sind in diesem Zusammenhang vor allem gut durchdachte Cross-Media-Strategien, die es den Unternehmen ermöglichen, optimale Online-/Offline-Kanäle für die Kommunikation mit dem Zielpublikum zu wählen. Bei der jüngeren Generation sieht man deutlich, dass Instagram mit den so genannten green influencers intensiv für CSR-Kommunikation genutzt wird.

Diehl: Erfolg kommt oft gerade dann, wenn man alternative Wege geht. Es gibt Unternehmen, die der Herausforderung auf unkonventionelle Weise und mit einer Prise Humor begegnen, wie die Fluggesellschaft Eurowings: Sie suchte 2018 mit der wortspielerisch frechen Kampagne ‚It’s a match‘ und dem Slogan ‚Bei uns kannst du landen‘ auf der Dating-App Tinder nach Personal, sorgte damit für große mediale Aufmerksamkeit und konnte gezielt Bewerber*innen ansprechen, die gerne unterwegs und häufig online sind.

Was sind Ihre Top Tipps für die Arbeitgeber*innen der Zukunft?

Diehl: Die Positionierung als sozial verantwortliches Unternehmen, die Rücksichtnahme auf die Gesundheit der Mitarbeiter*innen im Rahmen von healthy leadership im Unternehmen sowie das Angebot von flexiblen Arbeits(zeit)modellen.

Koinig: Die Maßnahmen sollten möglichst genau auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter*innen zugeschnitten sein und sollten auf eine authentische Art und Weise Wertschätzung ausdrücken. Gleichzeitig sollte die Strategie im Einklang mit den Werten des Unternehmens und der Gesellschaft stehen und kontinuierlich evaluiert und angepasst werden.

für ad astra: Karen Meehan