Was die Weltanschauung mit der Windkraft verbindet
ad astra hat mit Nina Hampl über Windkraft und die Hintergründe der sozialen Akzeptanz von erneuerbaren Energietechnologien gesprochen.
Die Dichte und Häufigkeit von Windkraftanlagen variiert in Österreich stark. Woran liegt das?
Gesetzliche Rahmenbedingungen werden jeweils auf Länderebene geregelt. In Kärnten etwa wird vorgeschrieben, dass eine Anlage im Umkreis von 40 Kilometern nicht sichtbar sein darf. Das macht die Errichtung von Windkraftanlagen nahezu unmöglich. Topographie und Wettermuster spielen auch eine Rolle. Offene, flache Regionen mit günstigen Windverhältnissen eignen sich besonders gut, was in Österreich zu einem deutlichen Ost-West-Gefälle führt: Während in Niederösterreich und im Burgenland über 1.000 Anlagen Strom produzieren, gibt es in Kärnten nur zwei Anlagen. Weiter westlich, in Salzburg, Tirol und Vorarlberg, gibt es bis heute keine Windturbinen.
Sie sind Co-Autorin einer Studie zu erneuerbaren Energien, die jährlich etwa 1.000 Haushalte zu diesem Themenfeld befragt. Wie kam es zum Stimmungsbarometer und welches Ziel verfolgen Sie damit?
Die Idee habe ich aus St. Gallen mitgebracht. An der dortigen Universität hat Rolf Wüstenhagen 2011 einen jährlichen Bericht ins Leben gerufen. Der Fragebogen, der damals für die Schweiz entwickelt wurde, ließ sich mit Anpassungen gut übertragen. Ziel ist es, auch im Sinne der Politikberatung, die Auswirkungen von gesellschaftlichen Veränderungen und politischen Akzentsetzungen im Bereich erneuerbarer Energien jährlich zu erheben und zu analysieren. Die Resultate werden seit 2015 verschiedenen Interessensgruppen, Expertenkreisen, wie auch der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.
Welche Trends konnten Sie bereits identifizieren?
In den letzten drei Jahren hat die Bereitschaft von Haushalten, in Photovoltaikanlagen oder Stromspeicher zu investieren, zugenommen. Bei der Datenanalyse für den aktuellen Bericht zeigte sich, dass die positive Haltung gegenüber Windkraft tendenziell zunimmt, während die Akzeptanz von großen Photovoltaikanlagen leicht zurückgeht. Tendenzen und Trends erkennt man also bereits nach relativ kurzer Zeit.
Beim Ausbau neuer Energiegewinnungsformen wird oft viel Zeit und Mühe investiert, um bei der lokalen Bevölkerung Zustimmung für geplante Anlagen zu gewinnen. Reicht das für die Akzeptanz?
Intensive Öffentlichkeitsarbeit ist zweifellos sehr wertvoll. Es ist allerdings nicht so, dass mehr Information alleine zu höherer Akzeptanz führt. Wir haben uns mit der Akzeptanz von Windparks und großräumigen Photovoltaikanlagen beschäftigt, die einen tiefen Eingriff in die Landschaft darstellen. Wir konnten feststellen, dass die (Nicht-)Akzeptanz vor allem von sozialpsychologischen Konstrukten beeinflusst wird, die mit der Person als soziales Wesen und dem kulturellen Kontext zusammenhängen. Diese Faktoren gilt es bei der Planung und Umsetzung von Anlagen in Zukunft zu berücksichtigen.
Sie haben sich gemeinsam mit Ihrem Kollegen Robert Sposato mit der sozialen Akzeptanz im Detail beschäftigt – welche Einblicke konnten Sie dabei gewinnen?
Unsere Untersuchungen stützen sich auf ein Dreiecksmodell, welches das Zusammenspiel von drei Dimensionen abbildet – der soziopolitischen, der Markt- und der lokalen Akzeptanz. Auf der Ebene der lokalen Akzeptanz identifizierten wir drei Konstrukte, die jeweils für sich, aber auch gemeinsam einen wesentlichen Einfluss auf die soziale Akzeptanz ausüben, nämlich Überzeugungen, Motive und kulturell- spezifische Weltanschauungen. Um „Weltanschauung“ zu messen, haben wir eine auf der so genannten Cultural Theory of Risk basierende Skala verwendet. Über die eigentlichen Ergebnisse hinaus zeigte sich, dass sich diese Skala nur bedingt auf europäische und österreichische Kontexte übertragen lässt. Hier konnte also ein Mehrwert in Form eines methodischen Beitrags zur Messbarkeit von Weltanschauung generiert werden.
Es gibt auch die gegensätzlichen Phänomene „not in my backyard“ und „please in my backyard“. Welche Erklärung steckt dahinter?
ForschungskollegInnen konnten vielerorts eine U-förmige Kurve beobachten: Akzeptanz ist anfangs hoch, dann kommen konkrete Projekte ins Spiel, Investitionen stehen an oder Installationsarbeiten beginnen. Hier bremst die lokale Bevölkerung und äußert Bedenken zu Auswirkungen von Schall, Infraschall, Schattenwurf oder Eisfall – schließlich werden diese hohen Türme zwecks optimierter Windverarbeitung mit beachtlichen Rotorblättern ausgestattet – für manche wirkt das bedrohlich. Nach der Umsetzung steigt die Akzeptanz wieder, man merkt: „Es ist doch kein Problem, wir sehen es zwar, aber wir hören es nicht und es stört uns nicht.“ Umfragen zeigen, dass die Akzeptanz gerade in Bereichen mit bestehenden Windkraftanlagen besonders hoch ist.
Welche Anreize gibt es, die Akzeptanz auf lokaler Ebene zu steigern?
Oft werden lokale Einnahmen generiert. Betreiber zahlen eine Pacht, die der Gemeinde zugutekommt, Fußballplätze oder Schulen werden renoviert. Lokale Wertschöpfung wirkt sich positiv auf die Akzeptanz aus. Auch ist die Einbindung der Bevölkerung wesentlich. Hierfür gibt es verschiedene Modelle, die von einer Mitbestimmung im Planungsprozess bis zu einer finanziellen Beteiligung reichen. Es gibt aber Leute, die beispielsweise eine Technikabneigung haben oder grundsätzlich gegen Windkraft sind. Diese Menschen kann man auch mit Bürgerbeteiligungsmodellen nicht umstimmen.
Wie stark ist der Autarkiegedanke und wie wichtig ist Österreichern der Umwelt- bzw. Klimaschutz?
In Österreich steht der Umweltgedanke an erster Stelle. Der wirtschaftliche Nutzen, die größere Unabhängigkeit von Energielieferanten und eine erhöhte Versorgungssicherheit spielen neben Autarkiebestrebungen eine Rolle. Wenn man zudem lokal Strom erzeugt, unterstützt man damit eine stärkere lokale Wertschöpfung. Zwar sind mit der Errichtung Kosten verbunden, aber anders als bei fossilen Energieträgern sind Wind, Wasser und Sonne gratis und unerschöpflich.
Die Regierung hat sich das Ziel gesetzt, die Stromerzeugung bis 2030 weitgehend zu dekarbonisieren. Ist das umsetzbar?
Eine Studie der TU Wien zeigt, dass wir technisch in der Lage sind, Österreich bis 2030 gänzlich mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu versorgen. Ein weiterer Ausbau setzt politische und gesellschaftliche Akzeptanz dieser Anlagen voraus, und es ist unklar, ob das tatsächlich von der Bevölkerung mitgetragen wird. Das gesamte Portfolio an erneuerbaren Energietechnologien – von Wind- und Wasserkraft über Photovoltaik und Geothermie bis hin zu Biomasseanlagen – kann so gestaltet werden, dass es ausgleichend wirkt. So kann an windstillen Tagen ebenso wie zu Spitzenlastzeiten die Versorgungssicherheit gewährleistet werden.
für ad astra: Karen Meehan
Zur Person
Nina Hampl ist seit Juni 2015 (Stiftungs-) Professorin für Nachhaltiges Energiemanagement am Institut für Produktions-, Energie- und Umweltmanagement. Sie forscht u. a. zur sozialen Akzeptanz erneuerbarer Energietechnologien.