Warum wer wie spendet
Janet Kleber erklärt im Gespräch mit ad astra, wie man aus sozialpsychologischer Sicht auf Spendenaufrufe reagiert und welchen Einfluss das Zahlenverständnis darauf hat.
Warum spendet der Mensch?
Es gibt mehrere Gründe, warum man sich prosozial verhält. Das eine sind natürlich egoistische Motive: Wenn man mit Leid konfrontiert wird, fühlt man sich oft selber schlecht, und etwas Gutes zu tun, bietet einem die Möglichkeit, sich selbst wieder besser zu fühlen. Auf der anderen Seite gibt es die Idee, dass Menschen tatsächlich altruistisch handeln können, dass sie anderen etwas Gutes tun wollen, ohne eigenen Nutzen daraus zu ziehen. Beide Motive werden von Forschungsergebnissen gestützt und können daher grundlegende Ursachen für das Spendenverhalten sein. Die Empathie-Altruismus-Hypothese von Batson besagt zum Beispiel, dass altruistisches Handeln durch Empathie hervorgerufen werden kann. Wohingegen Cialdini in seinem Negative-State-Relief Model davon ausgeht, dass eher das eigene Wohlbefinden Auslöser für prosoziales Handeln ist.
Gibt es eine typische „Spender-Persönlichkeit“?
Es gibt natürlich Menschen, die eher die Tendenz haben, anderen etwas Gutes zu tun, was unter anderem mit persönlichen Werten und Normen zusammenhängt. Die Forschung unterscheidet zwischen prosozialen und individualistisch eingestellten Personen. Je individualistischer man eingestellt ist, desto mehr denkt man nur an sich selbst. Prosozial eingestellte Menschen erachten Fairness und Kooperation wichtiger als den persönlichen Profit, und das zeigt sich dann in einer höheren Spendenbereitschaft. Das ist aber nur ein Beispiel, es gibt unterschiedliche Forschungsergebnisse zum Einfluss von Persönlichkeitseigenschaften auf Prosozialität. Auch soziodemografische Daten spielen eine wichtige Rolle. Beispielsweise nimmt die Spendenbereitschaft mit steigendem Alter zu, und Frauen sind grundsätzlich auch öfter bereit zu spenden. Generell kann man aber von keiner „Spender-Persönlichkeit“ sprechen, weil das Spendenverhalten auch durch verschiedene situative Faktoren beeinflusst wird.
Woran forschen Sie genau?
Wir schauen uns an, wie Menschen auf verschiedene Spendenaufrufe, die man ihnen präsentiert, reagieren. Das größte Medium, um Spenden zu sammeln, sind Aufrufe wie Mailings, Plakate, Briefe oder die Nachrichten. Wir untersuchen beispielsweise, wie verschiedene Bilder oder Zahlen im Spendenkontext wirken. Wenn auf der Welt etwas Schlimmes passiert, sind es vor allem Zahlen, die kommuniziert werden. Wenn man größere Katastrophen betrachtet, das Erdbeben in Mexiko oder ein Tsunami, dann hören wir immer zuerst von den Zahlen, von Hunderttausenden, die nun obdachlos oder gestorben sind. Unsere Frage ist dabei, wie Menschen solche Zahlen verarbeiten und wie sie auf diese Zahlen reagieren.
Was sind die Ergebnisse dazu?
Was die Wirkung von Zahlen betrifft, wissen wir, dass es vom Zahlenverständnis jedes Einzelnen abhängt, wie er die Zahlen wahrnimmt. Wenn eine Hungersnot eine Million Kinder betrifft und man kann mit einer Spende von zehn Euro einem einzelnen Kind helfen, dann führt das bei Menschen mit einem guten Zahlenverständnis eher dazu, dass sie denken, dass ihre Spende überhaupt nichts wert ist, sondern dem Tropfen auf den heißen Stein gleicht. Das einzelne Kind wird in Relation gesetzt zur Gesamtanzahl von Betroffenen – ein Kind von 1.000.000 entspricht lediglich 0,0001 Prozent, was eine Spende als nicht besonders effektiv erscheinen lässt. Menschen mit einem schlechteren Zahlenverständnis vergleichen die Zahlen nicht, sondern fokussieren eher auf das Individuum, reagieren emotional und denken: „Das ist ein Kind, dem kann ich helfen, das ist gut.“
Wie eng arbeiten Sie mit NGOs bzw. mit der Praxis allgemein zusammen?
Wir schauen uns hauptsächlich humanitäre Hilfe, soziale Projekte, Tierschutz und Umweltschutz an und arbeiten da mit verschiedenen NGOs zusammen. Das Ziel der Zusammenarbeit ist zum einen die Optimierung der Spendenaufrufe der NGOs, und zum anderen gibt es uns die Möglichkeit, tatsächliches Verhalten im Feld zu beobachten. Die genaue Untersuchung der Elemente wie etwa Bild und Text im Spendenaufruf und der zugrundeliegenden psychologischen Treiber von Spendenentscheidungen ermöglicht den NGOs, die Erkenntnisse für die Gestaltung zukünftiger Kampagnen zu nutzen.
Können Sie sagen, wie ein perfekter Spendenaufruf aussehen sollte?
Schwer. Die erste Frage wäre, wofür man Geld sammelt. Bei Spenden für humanitäre Hilfe und auch Umwelt- oder Tierschutz konnte die Forschung zeigen, dass die Offenlegung der Overheadkosten einer NGO hilfreich ist, weil sie angibt, wie effektiv eine Organisation arbeitet. Die NGO sollte also transparent kommunizieren, wie viel Geld der Spende in die Verwaltung und wie viel tatsächlich in das Projekt fließt. Bei Naturkatastrophen oder Dingen, die akut passieren, sind die Leute grundsätzlich viel bereiter zu spenden als bei fortwährenden Problemen. Notwendig ist eine Spende ja in beiden Fällen, wenn sich Menschen aber etwas nicht vorstellen können, wie z. B. jeden Abend hungrig ins Bett zu gehen, dann spenden sie dafür auch nicht. Andere Forschungsergebnisse zeigen, dass besonders bei der Darstellung der Opfer mehr Informationen nicht immer besser sind. Wenn man ein identifiziertes Kind zeigt und sagt: „Das ist Sarah, Sarah braucht Ihre Hilfe“, dann tendieren die Leute dazu mehr zu spenden als wenn man sagt: „Das ist Sarah, Sarah braucht Ihre Hilfe, und Sarah ist eines von hunderttausend Kindern, die auch Ihre Hilfe benötigen.“
für ad astra: Theresa Kaaden
Zur Person
Janet Kleber promovierte 2014 in Angewandter Sozialpsychologie an der Universität Wien und arbeitet als Assistenzprofessorin an der Abteilung für Sozialpsychologie der AAU. Sie beschäftigt sich mit den Ursachen von
prosozialem Verhalten (z. B. Spenden), den Einfluss numerischer Fähigkeiten auf Entscheidungen und Themen der Konsumentenpsychologie.