Von Stromleitungen, die Daten transportieren
Power Line Communication (PLC) nutzt Stromkabel zur Datenübertragung. Ob PLC die Zukunft des Internet ist und die Übermittlung von Daten revolutionieren wird, erläutert Andrea M. Tonello, Professor am Institut für Vernetzte und Eingebettete Systeme.
Der größte Vorteil von Power Line Communication ist schnell erklärt: Stromnetze und -leitungen gibt es fast überall. Werden diese auch zum Datentransfer genutzt, erspart man sich die Installation von zusätzlichen Datenübertragungskabeln. Es ist also nicht verwunderlich, dass PLC eine international bereits weit verbreitete Technologie ist. „Laut Umfragen zur Marktdurchdringung sind Heimnetzwerke derzeit der Haupteinsatzbereich für PLC, weil sie High-Speed-Netzwerke innerhalb von Gebäuden ermöglicht“, erklärt Andrea Tonello.
Intelligente Messgeräte
Ein anderes, aufstrebendes Anwendungsgebiet für PLC sieht Tonello im Smart Metering, also dem Messen des Stromverbrauchs bei gleichzeitiger automatischer Datenübermittlung sowohl an den Netzbetreiber als auch an den Verbraucher. „Bis 2020 sollen in Europa 240 Millionen und in Nordamerika 150 Millionen Smart Meter – also intelligente Stromzähler – implementiert sein. Dazu kommt eine rasant steigende Zahl intelligenter Wasser- und Gaszähler. PLC wird daher eine immer wichtigere Rolle spielen“, schildert Andrea Tonello. Vorreiter am Smart Meter-Sektor in Europa ist Italien. Dort wurde ein technisch und wirtschaftlich überzeugendes Modell erarbeitet, das zeigt, wie vorteilhaft die automatische Zählerstandsmeldung und -abrechnung, die kontinuierliche Überwachung des Energieverbrauchs der Haushalte und die dadurch mögliche Umsetzung von dynamischen Tarifplänen zur Förderung einer effizienteren Energienutzung über den Tag ist.
PLC erlaubt es, große Datenmengen von Stromzählern und Sensoren zu sammeln und mit Analyse- und Verarbeitungszentren auszutauschen. Dies wiederum, so Tonello, habe eine effektivere Kontrolle und proaktive Wartung, höhere Sicherheit und Effizienz, bessere Planung und Ausführung sowie höhere Kundenzufriedenheit zur Folge. Mittels PLC wird Kontakt zu Sensoren in Umspannwerken hergestellt und so der Systemzustand des Stromnetzes überwacht, Fehler werden schneller erkannt und im Bedarfsfall isoliert.
Internet aus der Steckdose?
Mit der Powerline-Technologie einher geht die Prägung des Begriffs „Internet aus der Steckdose“. Allerdings ist die Anbindung von Verbraucherhaushalten an die Server von Internetprovidern via Stromkabeln kein Hoffnungsmarkt. Tonello:„Die Bereitstellung von Internet-Services mit Hilfe von PLC wird keine signifikante Anwendung finden, da der Markt bereits von drei anderen Technologien dominiert wird: Digital Subscriber Line, also DSL, WLAN und Glasfaser. Wohl aber wird PLC in der vernetzten Welt, dem so genannten Internet-of-Things (IoT), eine große Rolle spielen, wenn durch Datenaustausch zwischen Geräten, Objekten und Menschen neue intelligente Services verfügbar werden.“ Weil kostengünstig, könnte das Internet über PLC aber in Entwicklungsländern oder Gebieten ohne Telekommunikationsinfrastruktur erfolgreich sein, so Tonello weiter.
Vielfältige Einsatzgebiete für PLC
Andrea Tonello sieht zukünftig viele Anwendungsmöglichkeiten für die PLC-Technologie: die Vernetzung lokaler Heim- und Gebäudenetzwerke, industrielle Sensornetzwerke und Smart Grids, Netzwerke in Smart Cities, wie z. B. zur Kontrolle der Straßenbeleuchtung und zur Erfassung von Sensordaten, die der Überwachung von Verkehr, Menschen, Wetter, Luftqualität und Ähnlichem dienen. Für Anwendungen auch in Fahrzeugen sei PLC zwar vielversprechend, erfordere aber mehr Forschung und eine gemeinsame Anstrengung von Automobilindustrie und PLC-ExpertInnen, um eine technisch ausgereifte und kostengünstige Lösung zu konzipieren.
Im Labor für Eingebettete Kommunikationssysteme an der AAU führen Andrea Tonello und sein Team zahlreiche Tests durch und entwickeln Prototypen. „Es wird viel Forschung auf dem Gebiet der PLC betrieben, schließlich gibt es noch eine Reihe von offenen Fragen, so zum Beispiel Algorithmen zum Herausfiltern von Interferenz oder Rauschen oder das Designen innovativer elektronischer Geräte zur Injektion und Extraktion von PLC-Signalen.“ Der Einsatz von PLC zur Übermittlung von Sensordaten ist für Tonellos Forschungsgruppe von großem Interesse. „Mit meinem Team konzipiere ich neue Methoden, um die Netztopologie nachzuvollziehen und zu kartieren. Bereits verfügbare PLC-Modems sollen zukünftig dazu genutzt werden, Störungen in Stromnetzen zu diagnostizieren und eventuell vorhandene Kabelschäden zu identifizieren. Ich würde diesen neuen Forschungsbereich als ‚PLC for sensing and diagnostics‘ bezeichnen, und obwohl wir schon einiges an Licht in dieses Forschungsgebiet gebracht haben, gibt es noch viel zu tun.“
für ad astra: Katharina Tischler-Banfield
Zur Person
Andrea M. Tonello ist Professor für Embedded Communication Systems am Institut für Vernetzte und Eingebettete Systeme der AAU. Seine Forschungsinteressen konzentrieren sich auf drahtlose und Power Line Kommunikation, Smart Transportation und Smart Grids. Aktuell ist er Vorsitzender des IEEE Technical Committee on Power Line Communications. Er studierte Elektrotechnik an der Universität Padua, wo er 2002 im Fach Telecommunication Engineering promovierte. Im Jahr 2013 erhielt er die „Italian Full Professor Habilitation“.