Von falschen Freunden in den Sprachwissenschaften
Seit über 20 Jahren verbindet die Alpen-Adria-Universität Klagenfurt und die Nationale Technische Universität Charkiv in der Ukraine eine fruchtbare Partnerschaft. Ein Resultat dieser Zusammenarbeit ist ein russisch-deutsches Wörterbuch besonderer Art.
Eine Billion im Deutschen (10¹²) ist im US-Amerikanischen eine trillion, und eine US-Amerikanische billion ist eine deutsche Milliarde (10⁹). Ital. caldo heißt dt. nicht kalt, sondern warm. In Aussprache (und Schreibweise) ähnlich oder sogar gleich, finden sich „lexikalische Parallelen“ zwischen vielen Sprachen und können sich in ihrer Bedeutung auch erheblich unterscheiden – dann werden sie zu „falschen Freunden“. Tilmann Reuther (Institut für Slawistik, AAU) und Vladimir Dubichinskij (NTU Charkiv) beschäftigen sich mit lexikalischen Parallelen zwischen der russischen und deutschen Sprache und haben gemeinsam ein Wörterbuch herausgegeben.
Wörter, die auf Russisch und Deutsch gleich oder ähnlich lauten, werden einander gegenübergestellt. „Diese Wörter können drei Eigenschaften besitzen: Sie haben entweder völlig verschiedene Bedeutungen, oder sie haben die gleiche Bedeutung, oder sie haben nur teilweise gleiche/verschiedene Bedeutungen“, erläutert Tilmann Reuther. Um eine überschaubare Menge an interessanten Wörtern zu gewinnen, beschränkten sich die Wissenschaftler auf russische und deutsche Substantive und schlossen Wörter mit gleicher Bedeutung und veraltete Wörter aus. Übrig blieben noch immer an die 2.000 lexikalische Einheiten, die analysiert und schließlich zu 1.750 Wörterbucheinträgen zusammengestellt wurden – jeweils mit einer Bedeutungsangabe und einem Beispiel der Verwendung im modernen Russischen und Deutschen.
Der Vorläufer dieses Buches ist ein im Jahr 1972 in Moskau erschienenes deutsch-russisches Wörterbuch „falscher Freunde“. „Die Wörter und die Beispieltexte darin stammen allerdings aus der Belletristik, weshalb wir umso mehr auf die moderne Sprache geachtet und versucht haben, griffige Beispiele zu finden, die den Wert des Wortes in der modernen Sprache widerspiegeln“, führt Reuther aus.
Die Zielgruppe des Buches sind russischsprechende Personen, die Deutsch lernen wollen, Lehrkräfte des Deutschen und Russischen als Fremdsprache, DoktorandInnen und Studierende, die eine der beiden Sprachen an Hochschulen studieren, sowie PhilologInnen, LinguistInnen und ÜbersetzerInnen. „Das Buch wird bereits beim Sprachunterricht an der NTU Charkiv und in Seminaren an der AAU eingesetzt“, so Reuther.
Auf dieser Basis wollen Reuther und Dubichinskij nun auch ein ukrainisch-deutsches Wörterbuch lexikalischer Parallelen erstellen. Bis vor kurzem war das Russische die dominierende Unterrichts- und Wissenschaftssprache in der Ukraine. Immer mehr löst die ukrainische Sprache nun das Russische als Bildungssprache ab.
Zur Person
Tilmann Reuther ist Professor für russische Sprachwissenschaft am Institut für Slawistik. 2012 erhielt er das Ehrendoktorat der Nationalen Technischen Universität Charkiv.
für ad astra: Katharina Tischler-Banfield