Vom Einfluss der Literatur auf unsere Vorstellung von Liebe: Online-Tagung „Liebe & Ökonomie. Literarische Aushandlungen“
Welchen Einfluss hat die Literatur darauf, wie wir uns Liebe vorstellen? Welche Formen von Leidenschaft werden auf den Märkten und im Konsum aufgeboten? Und was bedeutet es, wenn vom Eros oder Kalkül eines literarischen Textes gesprochen wird? Diesen Fragen wird eine Online-Tagung unter dem Titel „Liebe & Ökonomie. Literarische Aushandlungen“ von 12. bis 14. November 2020 nachgehen. Veranstalter ist das Institut für Germanistik an der Universität Klagenfurt.
Als lebensweltliche Phänomene, literarische Konstruktionen und Begriffe stehen „Liebe“ und „Ökonomie“ im Dialog oder verschließen sich voreinander, treten in Beziehung und trennen sich wieder, gehen immer wieder ein Verhältnis ein. Die Vorträge der Tagung legen ihren Fokus auf die Befunde und Beteiligungen der Literatur – im Spannungsfeld zwischen Höhenkammtexten und Unterhaltung, entlang historischer Markierungen und Entwicklungen und als Bestandsaufnahme der Gegenwart.
„Liebe hat Konjunktur – nicht nur als romantisches Ideal oder soziale Norm, die unsere privatesten zwischenmenschlichen Beziehungen reguliert, nicht nur als beständig vermarktetes Versprechen auf ein geglücktes Leben, sondern auch als Gegenstand philosophischer sowie kultur- und sozialwissenschaftlicher Reflexion“, so Paul Keckeis, Gerda E. Moser und Viktoria Walter, die die Tagung organisieren.
Von Alain Badious „Lob der Liebe“ bis zu Slavoj Zizeks „love is evil“, von der Poetik der Liebe bis zu ihrer Soziologie verdankt die Interdependenz zwischen Liebe und Ökonomie ihre besondere Aktualität nicht zuletzt der Tatsache, dass die „wechselseitige Durchdringung von Kapitalismus, Sexualität, Geschlechterverhältnissen und Technologie“ unter den Bedingungen der „hypervernetzten Moderne“ (Eva Illouz) besonders deutlich zu Tage tritt. Seit Niklas Luhmann, der die These formuliert hat, dass die Liebe eine Erfindung der Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts gewesen sei, die unsere „westlichen“ Vorstellungen von Sexualität und Lust, Beziehung und Familie präge, stützt sich gerade die Soziologie der Liebe immer wieder auch auf die Literatur; etwa, um die Historizität ihres Gegenstands zu veranschaulichen oder um zu zeigen, dass das Konzept der romantischen Liebe keine besondere anthropologische Plausibilität besitze.
Ausgehend von der Beobachtung, dass sich literarische Texte nicht in der Affirmation oder Subversion bestehender gesellschaftlicher und diskursiver Ordnungen erschöpfen, sondern ebendiese Ordnungen auch selbst stiften, stabilisieren oder dekonstruieren können, soll im Rahmen der Tagung eine literaturwissenschaftliche Revision der spannungsreichen Konstellation Liebe & Ökonomie unternommen werden.
Dabei schließen die Referent*innen an Arbeiten u.a. von Joseph Vogl (Kalkül und Leidenschaft. Poetik des ökonomischen Menschen, 2002), Franziska Schößler (Femina Oeconomica. Arbeit, Konsum und Geschlecht in der Literatur, 2017) und Annemarie Opp (Liebe und Konsum. Ästhetik und Poetik eines Zusammenhangs, 2019) an und fragen: Welche ästhetischen und politischen Potenziale entfalten sich in fiktionalen Ausgestaltungen des Spannungsfelds Liebe & Ökonomie? Wie konstruiert und hierarchisiert oder dynamisiert die Literatur jene Oppositionen – Kalkül und Leidenschaft, Sparsamkeit und Opulenz, Nüchternheit und Rausch, Sicherheit und Freiheit –, die Liebe und Ökonomie gleichermaßen strukturieren? Welche Nuancierungen, Verflechtungen, Widersprüche oder historischen (Dis-)Kontinuitäten werden in Texten lesbar, die sich in dieses Spannungsverhältnis eingeschrieben haben?