US-Wahlen: Wie Medien das politische Klima aufheizen
Für europäische Beobachter:innen ist sie nur schwer zu fassen: Die stark polarisierte Medienwelt und ihr Einfluss auf den US-Wahlkampf. Im Interview wirft Matthias Karmasin, Kommunikationsforscher und Direktor des Instituts für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der Universität Klagenfurt, einen Blick darauf, wie Milliardäre wie Elon Musk – der gerade Millionen an potentielle Trump-Wähler:innen verschenkt – ihre Medienplattformen nutzen, um sich politisch einzumischen. Was dabei deutlich wird: Entscheidend in der politischen Kommunikation ist das Geschäftsmodell, das hinter Social-Media-Plattformen steht.
Die politisierte und polarisierte Medienlandschaft in den USA ist aus europäischer Perspektive schwer zu verstehen, insbesondere in Zeiten des Wahlkampfs, wo sich Milliardäre über ihre Medienkanäle in den Wahlkampf einmischen. Worin unterscheidet sich das US-amerikanische Mediensystem vom europäischen?
Das Mediensystem in den USA ist nicht direkt mit jenem in Europa vergleichbar. Ein wesentlicher Unterschied ist, dass die beiden großen politischen Lager – Demokraten und Republikaner – schon immer sehr profilierte Medien hatten, die historisch in ihrer Lagerzugehörigkeit verwurzelt sind. Besonders illustrativ ist hier etwa Fox News, aber auch die sogenannten „sozialen“ Medien sind zu nennen. Die klare Unterstützung von Elon Musk, dem Besitzer des Online-Dienstes X (ehemals Twitter), für Donald Trump spielt in diesem Kontext eine sehr relevante Rolle.
Und die öffentlich-rechtlichen Sender?
Karmasin: Deren Bedeutung istin den USA weitaus geringer als in Europa. Auch der Medienkonsum ist landesweit gesehen sehr unterschiedlich. Während es einerseits Qualitätsmedien wie die New York Times oder die Washington Post gibt, ist das Angebot in anderen Landesteilen deutlich eingeschränkter – bis hin zu „news deserts“. Diese Unterschiede sind wichtig zu verstehen, wenn man über Medieneinfluss im Wahlkampf spricht.
Und: Fundraising und die Rolle privater Geldgeber:innen in der politischen Kommunikation waren in den USA schon immer wichtiger als in Europa, wo die staatliche Parteienfinanzierung mehr Gewicht hat. In der Geschichte der USA haben sich Großindustrielle, Prominente und auch Medienmacher:innen immer wieder eindeutig auf die oder andere politische Seite gestellt.
Bleiben wir noch kurz beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Wie hat sich dessen Rolle in den USA verändert?
Karmasin: Öffentlich-rechtliche Medien, etwa die TV-Senderkette PBS bzw. NPR, haben in den USA historisch eine immer geringe Rolle gespielt. Sie stammen aus dem Bildungsbereich (educational media) und es gibt kein stabiles Finanzierungssystem für Public Broadcasting. Die Struktur als Zusammenschluss von über 300 lokalen Sendern unterscheidet sich daher wesentlich vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk in europäischen Ländern. Public Broadcasting führt in den USA eher ein Nischendasein, vor allem mit starkem regionalen Bezug.
Dies gilt umso mehr für die jüngere Generation, die Bewegtbild vor allem über mobile Endgeräte konsumiert und dabei stark auf Social-Media-Plattformen setzt. Diese Plattformen sind bekanntermaßen auf die Maximierung von Werbeerlösen und Datensammlung ausgerichtet, was sie extrem anfällig für Manipulationen macht.
Laut einer aktuellen US-Studie ist Verschwörungsdenken unter Jugendlichen umso verbreiteter, je mehr sie soziale Medien nutzen. Wie kann man diesem Trend entgegenwirken?
Das ist eine sehr wichtige Frage. Eine Arbeitsgruppe der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, hat sich in einer Stellungnahme mit den Gefahren von Social Media für liberale Demokratien beschäftigt und kommt zu dem Schluss: Ja, Social Media fördern Verschwörungsdenken und haben eine hohe Manipulationsanfälligkeit. Das liegt aber weniger an den moralischen Überzeugungen der Betreiber, sondern an den Geschäftsmodellen dieser Plattformen. Diese zielen darauf ab, die Verweildauer der Nutzer:innen zu maximieren, was am besten durch Emotionalisierung und Polarisierung gelingt. Es geht also darum, dass die Algorithmen darauf programmiert sind, Nutzer:innen möglichst lange zu binden – unabhängig von der Faktentreue – was wiederum die Verbreitung von Falschinformationen und Verschwörungsmythen begünstigt. Die einfache – und in Wirklichkeit komplizierte – Antwort lautet also: Dann müssen diese Geschäftsmodelle geändert werden.
Emotionalisierung ist also Teil des Geschäftsmodells?
Das ist in der Medienwelt kein neues Phänomen, aber in einer digitalisierten Welt verstärkt es sich. Wir sollten die Diskussion jedoch nicht zu stark personalisieren. Es geht weniger um die Präferenzen von Plattformbesitzern wie Elon Musk oder Mark Zuckerberg, sondern um das zugrundeliegende Geschäftsmodell, das auf Rentabilität durch Werbung und Datensammlung basiert. Radikale Minderheiten, die Lügen und Hass verbreiten, werden von den Algorithmen bevorzugt, weil sie die Interaktionen und die Verweildauer auf den Plattformen erhöhen. Deren Meinung wird also amplifiziert.
Welche Rolle spielen soziale Medien im US-amerikanischen Wahlkampf?
Die USA sind seit jeher in zwei große politische Lager gespalten – Demokraten und Republikaner. Doch durch die Vorwahlen, besonders bei den Republikanern, konnten die radikalen Flügel dank der sogenannten sozialen Medien ihre Anhänger:innen stark mobilisieren. Dadurch setzten sich oft Kandidat:innen durch, die extreme Positionen vertreten. Die sozialen Medien haben diese Radikalisierung und Mobilisierung beschleunigt, was zu einer weiteren Polarisierung der politischen Landschaft geführt hat. Das hat letztlich auch Auswirkungen auf die Wählerschaft. Also ja, sie spielen von Anfang bis Ende eine große Rolle.
Was müsste getan werden, um diese Radikalisierung zu stoppen?
In den USA hängt vieles von der nächsten Präsidentschaftswahl ab. Europa hat bereits begonnen, Plattformen durch Gesetze wie den Digital Markets Act und den Digital Services Act stärker zu regulieren. Auch die Förderung von Medienkompetenz ist entscheidend, damit die Menschen besser zwischen Fakten und Fiktion unterscheiden können. Ein weiterer wichtiger Punkt: der Schutz von Kindern und Jugendlichen. In einigen Ländern wie Frankreich und Belgien wird bereits eine Altersgrenze von 13 Jahren für soziale Netzwerke diskutiert. Letztlich muss die Infrastruktur der Demokratie wieder stärker in öffentliche Hände zurückgeführt werden.
Das Interview wurde von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften geführt und am 22. Oktober 2024 auf der Website veröffentlicht.
Zur Person
Matthias Karmasin ist Professor am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft der Universität Klagenfurt (AAU) sowie Direktor des Instituts für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung der ÖAW und der AAU. Seit 2021 ist er wirkliches Mitglied der ÖAW.