Wien und seine Gewässer: Eine turbulente Umweltgeschichte
Die Geschichte Wiens wurde lange von der Donau und ihren Zubringern geprägt. Viele der Bäche sind heute verschwunden, die Donau fließt reguliert weit weg vom Zentrum. Eine Ausstellung im Wiener Stadt- und Landesarchiv zeigt die Wiener Umweltgeschichte.
Heute liegt Wiens Zentrum nicht an der Donau, sondern am Donaukanal. Dieses Gewässer war einer von vielen Armen in einem dynamischen Gemenge von Wasser und Land, das die Donau im Wiener Raum seit der letzten Eiszeit geformt hatte. Der damalige „Wiener Arm“ war eine Lebensader für die Stadt, friedlicher als der Hauptstrom, von dem man besser einen Respektabstand hielt. Hier landeten Donauschiffe mit Obst und Baumaterial aus Ober- und Niederösterreich, von hier wurde Fisch zu den Märkten gebracht. Donaukanal, der untere Lauf des Wienflusses und der Ottakringer Bach spielten zudem eine Rolle für die Stadtbefestigung.
Seit dem 16. Jahrhundert versuchten Landesherr und Stadtregierung immer wieder, die wilde Donau zu zähmen und zu regulieren. Nur eine reiche Residenzstadt konnte sich das leisten, denn nahezu jeder Eingriff in die Flusslandschaft hatte unerwünschte Nebenwirkungen, die kostspielige weitere Eingriffe nötig machten. Bislang wurde vorwiegend die Donau selbst beforscht, doch jüngste Ergebnisse zeigen, wie wichtig die kleineren Wasserläufe waren. So sind etwa viele Wienerwaldbäche heute unverzichtbarer Teil der Kanalisation, die als wirksame Maßnahme gegen die Cholera ihren Anfang nahm.
Der Wienfluss ist der größte Wiener Donauzubringer und bedeutsam für die gewerbliche und industrielle Entwicklung Wiens. Heute zum Teil überwölbt und aus dem Stadtbild verschwunden, wurde er bis zum Ende des 19. Jahrhunderts vielfältig genutzt. Für die Holzschwemme und die vielen Mühlen war er eine energetische Ressource. Das Wasser entsorgte häusliche und gewerbliche Abwässer, reinigte aber auch Wäsche und gefärbte Textilien. Gerbereien, Essigfabriken aber auch ein großes Schlachthaus nutzten und verschmutzten das Wasser. Bereits im Mittelalter wurde das Wasser der Liesing in Mühlbächen ausgeleitet. Die umfassende Regulierung der Liesing erfolgte zwischen 1939 und 1963/77. Doch großflächige Eingriffe in die Gewässerlandschaft der Liesing sind weit älter. Das sumpfige Gebiet zwischen Alterlaa und Inzersdorf wurde bereits vor 1755 entwässert, um es landwirtschaftlich besser nutzen zu können.
Doch ist das eine Erfolgsgeschichte? Ausstellungsmacherin Verena Winiwarter mahnt zur Vorsicht: „Die Dynamik der Natur wird niemals aufhören. Am Ende wurden die WienerInnen durch das Wasser ebenso diszipliniert wie sie es disziplinierten. Wir sind nunmehr gezwungen, zu erhalten, was unsere Vorfahren gebaut hatten, um sich von den Zwängen der Natur zu befreien, das schränkt uns ein.“
Ausstellung: Wien und seine Gewässer. Eine turbulente Umweltgeschichte. Eröffnung am 10. September 2015 um 17 Uhr im Vortragssaal des Wiener Stadt- und Landesarchivs (Wien 11, Gasometer D, 4. Archivgeschoß); ANMELDUNG ERFORDERLICH: post [at] archiv [dot] wien [dot] gv [dot] at oder 01400084815!