Arbeit und Freizeit: 20 % sind auch im Urlaub für Arbeitgeber erreichbar

Digitale Medien und Kommunikationsmittel und ihre Rolle im Berufsalltag stehen im Mittelpunkt einer Studie, die am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt durchgeführt wurde. Caroline Roth-Ebner untersuchte in ihrer Habilitationsschrift unter anderem wie die Grenzen zwischen privaten und beruflichen Lebensbereichen immer mehr aufweichen.

Für die Studie hat Roth-Ebner den Bereich der Digicom-Arbeit ausgewählt. Damit sind Arbeitsfelder gemeint, in denen Kommunikation mit digitalen Medien zentrale Tätigkeiten darstellen. Digicom-ArbeiterInnen stammen aus unterschiedlichen Berufen und Beschäftigungsverhältnissen und sind in ihrer Arbeit meist örtlich und zeitlich flexibel. In den 20 Interviews mit Digicom-Arbeiterinnen und –Arbeitern und einer Online-Befragung unter 445 Personen, die digitale Medien in ihrer Arbeit nutzen, wurde deutlich, dass durch die „Mediatisierung“ der Arbeit die Grenzen zwischen beruflichen und privaten Lebensbereichen so stark verschwimmen können, dass diese kaum noch wahrgenommen werden. So wird das frühmorgendliche und spätabendliche Checken von E-Mails von vielen genauso wenig als Arbeit gesehen wie der verpflichtende Besuch von Abendveranstaltungen des Arbeitgebers oder das Lesen von Fachlektüre abends im Bett.

Gearbeitet wird bei den örtlich flexiblen Digicom-Arbeiterinnen und –arbeitern dort, wo es am effizientesten ist: im Büro, zu Hause, im Grünen, unterwegs (Bahn, Flugzeug, Auto,…), im Kaffeehaus oder im Hotel. Aber auch örtlich gebundene ArbeitnehmerInnen erledigen oftmals im Rahmen von Überstunden Arbeit zu Hause. Die orts- und zeitunabhängige Nutzungsmöglichkeit digitaler Medien fördert diese Arbeitsweise. So geben 44 Prozent der Befragten an, digitale Medien würden ihnen dabei helfen, ihren Arbeitsort flexibel zu gestalten.

Nicht nur die örtliche, sondern auch die zeitliche Flexibilität trägt dazu bei, dass die befragten Personen ein beträchtliches Ausmaß an Mehrarbeit leisten, häufig auch an Wochenenden. Hinzu kommt noch, dass sowohl die Mehrheit der interviewten Digicom-ArbeiterInnen als auch über die Hälfte der Online-Befragten angeben, ständig erreichbar zu sein; jedeR Fünfte sogar im Urlaub.

Gleichzeitig geben nur drei Prozent an, die Erreichbarkeit über die Arbeitszeit hinaus würde unternehmensseitig von ihnen erwartet. „Dies ist ein bemerkenswertes Resultat, das auf die scheinbare ‚freiwillig‘ geleistete Erreichbarkeit hinweist“, erläutert Caroline Roth-Ebner. „Oftmals wird die Erreichbarkeit von den Unternehmen nicht direkt eingefordert, sondern subtiler ausgedrückt, zum Beispiel durch die Ausstattung der ArbeitnehmerInnen mit statusträchtigen Smartphones bzw. Tablet-PCs, wodurch sich die Arbeitenden dem Unternehmen gegenüber verpflichtet fühlen.“ Schon die Tatsache, für ein Unternehmen erreichbar zu sein, hat Auswirkungen auf das Wohlbefinden in der arbeitsfreien Zeit – selbst dann, wenn das Unternehmen diese Möglichkeit der Kontaktaufnahme nicht wahrnimmt.

Die Studie zeigt, dass die entgrenzten Arbeitsbedingungen sowohl positiv als auch negativ aufgenommen werden. Eine 45-jährige Wissenschaftlerin betont, dass digitale Medien und deren flexible Nutzungsweisen die Voraussetzung dafür sind, dass sie trotz Kinder, Hund und Haus ihrer Erwerbsarbeit nachgehen kann. Eine andere Befragte hingegen empfindet die dauernde Erreichbarkeit und Verfügbarkeit belastend, da sie sich in der Freizeit nicht hundertprozentig auf ihr Kind, und während der Arbeitszeiten nicht vollkommen auf die Arbeit konzentrieren kann.

Um dieses Auflösen der Grenzen vorzubeugen sieht Caroline Roth-Ebner vor allem beim Gesetzgeber Handlungsbedarf. Gesetzliche Bestimmungen zur Thematik der Erreichbarkeit müssen (weiter) entwickelt werden und in Unternehmen verbindlich umgesetzt werden.

 

Listenbild: Fotolia © motorradcbr

 

 Caroline Roth-Ebner (Foto: Birgit Writze)

Caroline Roth-Ebner (Foto: Birgit Writze)