Die Donau: Vom wilden Gebirgsfluss zur Lebensader für die Großstadt
Im Projekt ENVIEDAN werden die langfristigen Dynamiken und Effekte des Zusammenspiels zwischen Fluss und Mensch am Beispiel der Geschichte der Wiener Donau (1500-1890) erfasst. Ergebnisse wurden nun im International Journal of Water History vorgestellt.
„Ein wilder, unberechenbarer Gebirgsfluss, das war die Donau in Wien“, so Projektleiterin Verena Winiwarter. Eine interdisziplinäre Gruppe von ForscherInnen am Institut für Soziale Ökologie der AAU und am Institut für Hydrobiologie und Gewässermanagement der BOKU machte sich im Mai 2010 mit Hilfe einer Finanzierung durch den FWF auf, ein halbes Jahrtausend Donaugeschichte zu erhellen. Das Projekt mit dem Titel ENVIEDAN (Environmental history of the Viennese Danube) fokussiert auf die sich verändernde Rolle der Donau, insbesondere auf ihre Funktionen für die Stadt Wien und ihre Umgebung. Verena Winiwarter betont die Neuartigkeit des Projekts: „Wir lernen aus unseren Erhebungen mehr über die Rolle eines Flusses für eine städtische Gesellschaft, insbesondere in der Zeit vor und während der Industrialisierung.“
Eine weltweit neue Methode, die regressiv-iterative Rekonstruktion, wurde eingesetzt, um dem Gewirr von Flussarmen, Auen und Inseln auf die Spur zu kommen. Visualisierungen erlauben es auch Laien, sich die Wiener Donau in der Vergangenheit vorzustellen. Diese sind über Youtube abrufbar.
Nutzer und Nutzungskonflikte, Regulierungsmaßnahmen und ihr Schicksal, die Besiedlung der größten Insel („Unterer Werd“) und die langsame Entwicklung eines Abwasserentsorgungssystems werden in sechs Artikeln einer Schwerpunktnummer des International Journal of Water History den KollegInnen aus der Wissenschaft präsentiert. Die Ergebnisse zeigen Überraschendes auf: Bis 1565 war der heutige Donaukanal (früher „Wiener Arm“) der Hauptarm der Donau und nicht ein Seitenkanal. Bemühungen von Landesfürst und Stadt im 16. und frühen 17. Jahrhundert verfolgten ein viel ehrgeizigeres Ziel als nur die Regulierung eines Seitenarms. Sie wollten den Hauptarm der Donau in sein früheres Bett nahe der Stadt zurücklenken. Dabei waren sie mit der Kraft des Hauptstroms konfrontiert, was laut den ForscherInnen eine technisch mit den damaligen Mitteln kaum zu bewältigende Herausforderung war. Aber die Lage und Navigierbarkeit des späteren Donaukanals war bei weitem das wichtigste Merkmal der Flusslandschaft für die Wiener Bevölkerung, dieser Transportweg war eine Lebensader der Stadt. Die frei zugänglichen, mit farbigen Abbildungen ausgestatteten Artikel sind seit heute über diese Website verfügbar. „Der Einblick in die lange Geschichte der Wiener mit ‚ihrer‘ Donau öffnet die Augen für die Dynamik, mit der der mächtige Strom die Stadt prägte“, so Winiwarter.