Woher wissen wir, was ein Retina-Display ist und wie man eine Waschmaschine bedient?
Unser Alltag ist durchdrungen von teilweise „unsichtbarer“ Technologie. Studierende sind nun der Frage nachgegangen, wo und wie wir mit den Technologien umzugehen lernen und wie wir uns eine Haltung als kritische KonsumentInnen aneignen können.
„Den Umgang mit Technologie lernt man nicht von selbst“, so Anita Thaler, die gemeinsam mit Birgit Hofstätter (beide Interuniversitäres Forschungszentrum für Technik, Arbeit und Kultur, IFZ) das Seminar „Informelles Lernen in der technologischen Zivilisation“ im laufenden Sommersemester an der AAU anbot. Besonders seit Technologie im öffentlichen Raum, im Haushalt, in der Arbeit und in der Kommunikation zunehmend unverzichtbar wurde, ergeben sich grundsätzliche bildungswissenschaftliche Fragestellungen: Wo lernen wir mit den Technologien des Alltags umzugehen? (Anwendungswissen) Und: Wo und wie lernen wir uns für die eine oder gegen die andere Technologie oder für das eine und gegen das andere technische Produkt zu entscheiden? Wo lernen wir, was wir brauchen, um mitreden, mitentscheiden und kritisieren zu können? Welche Rolle spielen Technologien bei unseren eigenen Lernprozessen? (Reflexionswissen)
„Die Mehrzahl dieser Lernprozesse findet nicht in formellen Lernarenen wie Schulen und Kursen, sondern auf informelle Weise statt. Informelle Lernsituationen können zwei Effekte haben: Einerseits können sie durch neue Technologien große Chancen für die Demokratisierung von Bildung bieten (beispielsweise durch Lernen mit Online-Medien). Andererseits können sie aber auch die Gefahr von Ausschlüssen bieten, beispielsweise, wenn jemand einen Ticketautomaten an einem Bahnhof nicht bedienen kann“, erläutert Thaler. Studierendengruppen sind im Rahmen des Seminars diesen Lernprozessen auf den Grund gegangen. Ihre Ergebnisse haben sie letzte Woche bei einer Postersession an der Alpen-Adria-Universität präsentiert.
Die Fragestellungen waren dabei vielfältig: Beispielsweise hat eine Gruppe Mystery Shopping in Elektrofachgeschäften betrieben und dabei den VerkäuferInnen auf den Zahn gefühlt, wie viel Wissen über Technologien von ihnen gelernt werden kann. Mit einem ernüchternden Ergebnis: Nur wenige waren bereit, Fachbegriffe und Funktionsweisen zu erläutern. Der einhellige Rat der Studentinnen: „Es gilt, sich vorher Wissen über andere informelle Quellen wie Internet oder Freundeskreis anzueignen, damit man für den Einkauf gerüstet ist.“ Eine andere Gruppe hat sich damit beschäftigt, wie Menschen die Benutzung einer Waschmaschine erlernen. Die Studierenden haben dafür NutzerInnen zwischen 15 und 80 Jahren beobachtet und befragt. Sie konnten dabei zeigen, dass sowohl das Modelllernen (beispielsweise von Mutter oder Vater) als auch Learning by Doing sehr häufig zum Einsatz kommt. Erstaunt hat die Studierenden, dass viele neue Funktionsweisen von innovativeren Geräten kaum zur Anwendung kommen: „Diese werden zwar in den Bedienungsleitungen erklärt, ein Großteil nutzt aber eher die Anwendungen, die sie bisher bereits gekannt hat.“
Basiskenntnisse und Fachvokabeln braucht es laut Anita Thaler in jedem Fall, um als kritische KonsumentInnen agieren zu können. Der Technikforscherin geht es aber auch darum, dass KäuferInnen und NutzerInnen auch gesellschaftlich/ökologische Zusammenhänge rund um neue Technologien berücksichtigen, wie beispielsweise den Prozess der Herstellung oder den Ressourcenverbrauch. Sie arbeitet derzeit an ihrer Habilitation zum Thema „Informelles Technik-Lernen“.