Ein Kongress für den Frieden: Wie es mit dem Wiener Kongress in neun Monaten gelang, Europa neu zu ordnen.
Ein FWF-Projekt unter dem Titel „Der Wiener Kongress und sein europäisches Friedenssystem“ am Institut für Geschichte befasst sich mit neuen Perspektiven und aktuellen Untersuchungsfeldern rund um den nachhaltig wirkenden Kongress.
Gipfeltreffen und Krisentagungen stehen in Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise, die auch als politische und soziale Krise sichtbar zu werden droht, an der Tagesordnung, dauern in der Regel einzelne oder wenige Tage und führen meist zu kurzfristigen Reaktionen. Historikerinnen und Historiker am Institut für Geschichte der Alpen-Adria-Universität beschäftigen sich in einem laufenden Projekt mit dem Wiener Kongress, der von September 1814 bis Juni 1815 tagte und mit dem es gelang, ein neuartiges Friedenssystem zu etablieren, das bis weit in das 19. Jahrhundert Bestand haben sollte.
Die Ausgangssituation für die Mächtigen Europas war nach der Niederlage Napoleon Bonapartes denkbar schwierig: Er hatte die politische Landkarte des Kontinents erheblich verändert, nun galt es, zwischen der Wiederherstellung der Situation vor seiner Herrschaft und einer Neuordnung zu vermitteln und mit diplomatischen Mitteln langfristige Regelungen für die Zuordnung von Gebieten und darüber hinausgehende Themen zu verhandeln. Leiter des Wiener Kongresses war der österreichische Außenminister Fürst Metternich. Am Kongress berieten sich Vertreter aus rund 200 Staaten und kleineren politischen Einheiten über die Zukunft Europas.
Reinhard Stauber, Florian Kerschbaumer, Marion Koschier und Karin Schneider versuchen mit ihrer Forschung einen Perspektivenwechsel, der zu einer umfassenden Neubewertung dieses historischen Großereignisses führen kann. Dabei befassen sie sich unter anderem mit der Organisation und dem Ablauf des Wiener Kongresses. „Beispielsweise wurden bei dem Kongress erstmals Ausschüsse und Gremien eingerichtet, um Ergebnisse in kleineren Gruppen zu erarbeiten“, so Reinhard Stauber. Von Interesse sind auch globalgeschichtliche Dimensionen wie die Ächtung des transnationalen Sklavenhandels, das Problem der nordafrikanischen Piraten und die Entwicklung des Völkerrechts. Die HistorikerInnen betrachten außerdem die Auswirkungen der jahrelangen militärischen Auseinandersetzungen auf die Staatsfinanzen Österreichs sowie die Strategien zur Bewältigung der Haushaltskrise: „Bereits damals gehörte etwa die Emission von Staatsanleihen zum budgetpolitischen Instrumentarium des Finanzministers. Die Gründung der Österreichischen Nationalbank 1816 erfolgte genau aus diesem Grund“, so Stauber.
Bekannt wurde der Wiener Kongress auch durch sein Rahmenprogramm: Zahlreiche gesellige Ereignisse, Feste und Bälle standen auf der Tagesordnung, um abseits der politischen Verhandlungen für Unterhaltung zu sorgen. Die Inszenierung der drei siegreichen Monarchen war zentraler Bestandteil der „Event“-Kultur dieser Zeit. Darüber hinaus war auch die Wiener Bevölkerung an den Festen beteiligt, was als ein sichtbares Zeichen der in Erodierung befindlichen Ständegesellschaft gewertet werden kann. Vergnügen war also ein wichtiger Faktor der politischen Entscheidungskultur, wie Charles-Joseph de Ligne pointiert formulierte: „Eine seltsame Sache, die man hier [in Wien] zum ersten Male sieht: die Vergnügen erringen hier den Frieden.“