Entscheiden DNA-Tests über Familiennachzug?
Internationales Forschungsprojekt beschäftigt sich mit ethischen und philosophischen Aspekten von DNA-Tests im Rahmen von Einwanderungsverfahren
Um zu gewährleisten, dass nur „echte“ Familienmitglieder im Rahmen des Familiennachzugs ins Land kommen können, setzt Österreich wie zahlreiche andere europäische Staaten vermehrt DNA-Tests zum Nachweis der verwandtschaftlichen Beziehung ein. Diese kommen zum Einsatz, wenn die Verwandtschaft nicht mit Dokumenten belegt werden kann.
Das internationale Forschungsprojekt unter dem Titel „Immigene – DNA und Einwanderung“ geht der Frage nach, welche sozialen, politischen und ethischen Implikationen bei dieser Maßnahme eine Rolle spielen. An der Alpen-Adria-Universität leitet Martin G. Weiß (Institut für Philosophie) das Subprojekt „Ethische und philosophische Aspekte“.
Für ihn ergeben sich in Bezug auf diesen Einsatz von DNA-Tests mehrere Fragestellungen: Die Tests können beispielsweise – anhand von charakteristischen genetischen Varianten – die Zugehörigkeit zu Bevölkerungsgruppen nachweisen. Daraus lässt sich dann z.B. ablesen, dass jemand Teil einer verfolgten Gruppe ist und damit Anspruch auf Asyl hat. Gleichzeitig bergen die DNA-Tests aber auch die Gefahr in sich, jahrelang funktionierende Familienbande durch Aufdecken eines Kuckuckskinds zu gefährden bzw. beispielsweise bei einem Witwer den Nachzug des nicht-leiblichen Kindes zu verweigern.
Für Martin G. Weiß geht der derzeitige Einsatz dieser DNA-Tests von klassischen Familienkonzepten aus: Familie wir dabei primär über Biologie definiert, andere Formen wie Patchwork-Familien oder eingetragene Partnerschaften werden dadurch abgewertet bzw. zu „unechten“ Familien degradiert. Die österreichische Praxis ist zudem widersprüchlich da Gentest ausschließlich Blutsverwandte erfassen, das Gesetz aber neben Ehepartnern, unverheirateten minderjährigen Kindern auch Stief- und Adoptivkinder als nachzugsberechtigt anerkennt.
Der Einsatz von DNA-Tests mit den entsprechenden Voraussetzungen und Wirkungen wird in Österreich bisher kaum öffentlich diskutiert, so die im Projekt arbeitenden WissenschaftlerInnen an den Universitäten in Frankfurt/Main, Helsinki und Klagenfurt. Eine aktuelle Gelegenheit zum Diskurs bietet die GEN-AU-Evaluierungskonferenz (Genomforschung in Österreich), die von 2. bis 4. Mai 2011 in Wien stattfinden wird und im Rahmen derer Ergebnisse aus diversen Projekten vorgestellt und diskutiert werden.