Forschung funktioniert nicht als Durchlauferhitzermodell
Auf Helmut Haberls Publikationsliste stehen Veröffentlichungen in „Science“ und „Nature Climate Change“. Mit UNIsono sprach der Leiter des Instituts für Soziale Ökologie, an dem mehrere SpitzenforscherInnen arbeiten, über Rahmenbedingungen für exzellente Forschung.
Herr Haberl, warum sind Sie Wissenschaftler geworden?
Für mich war das immer ein Lebenstraum.
Entspricht die Realität nun dem, was Sie sich erträumt haben?
In manchem schon, es gibt aber auch positive und negative Abweichungen. Ich habe mir nie erträumt, in eine Position vorzudringen, in der meine bzw. unsere Ergebnisse und Ideen zu Fragen der Nachhaltigkeit weltweit gehört werden. Da übertrifft die Realität meine Träume.
Und wo kann die Realität nicht entsprechen?
Bei den Einschränkungen, die die Niederungen der österreichischen Wissenschaftspolitik für die Forschung bedeuten. Universitäten scheinen aus Sicht der Politik vor allem dafür da zu sein, mit möglichst geringen Kosten möglichst viele AkademikerInnen zu produzieren. Diese Budgetierungs- und Steuerungslogik steht der Forschungsarbeit diametral entgegen. Forschung funktioniert nicht als Durchlauferhitzermodell, quasi als Nebenprodukt der Lehre.
Wie wirkt sich das auf Ihre MitarbeiterInnen aus?
Bei uns gibt es Personen wie Karlheinz Erb, der einen ERC-Grant gewonnen hat. Er hätte mit seinen Mitteln von rund einer Million Euro europaweit bei vielen Unis andocken können – und das zu finanziell viel besseren Bedingungen als hier: Bei uns hat er derzeit nur eine halbe Stelle als Ao. Professor, der Rest seiner Anstellung kommt aus Projektmitteln. Unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen ist offenbar nicht mehr drin. Dahinter steht meiner Interpretation nach ein politisches Signal, dass Spitzenforschung an den klassischen österreichischen Universitäten nicht so wichtig ist. Vielmehr wird sie – z. B. am IST-Austria – gebündelt.
Wie definieren Sie Spitzenforschung?
An den IFF-Instituten geht es uns darum, Nützlichkeit für Gesellschaft und Wissenschaft miteinander zu verbinden und direkt in gesellschaftlichen Problemfeldern wirksam zu werden. Die Community, in der wir forschen, ist global, schnell und hochkompetitiv. Wir müssen einen Schwerpunkt auf die Forschung legen, um mithalten zu können. Unser Kapital sind hochqualifizierte, erfahrene MitarbeiterInnen – auch auf Drittmittelpositionen, und zunehmend unsere hoch motivierten DoktorandInnen.
Wie können Sie diese MitarbeiterInnen halten?
Wir haben als interdisziplinäre Arbeitsgruppe begonnen, die interuniversitär organisiert war und weitgehend auf Basis von Projektmitteln agiert hat. Unser „Geschäftsmodell“ ist an Universitäten eher unüblich: Personen werden nur selten für die Laufzeit eines Projekts befristet angestellt. Unsere Projekte verfolgen Ziele, die von einem – überwiegend dauerhaft angestellten – Team bearbeitet werden. Unsere MitarbeiterInnen arbeiten in interdisziplinären Teams, meist in mehreren Projekten parallel. Die Frage, wie die Projektziele im Rahmen der vorhandenen Ressourcen bestmöglich erreicht werden können, steht im Mittelpunkt. Diese Logik – zusammen mit einer professionellen Drittmittelbewirtschaftung – ermöglicht es, dass bei uns ProjektmitarbeiterInnen oft unbefristete Arbeitsverträge haben. Wir investieren in ihre Qualifizierung und bieten ihnen Karriereoptionen.
Forschen Sie für die Praxis oder für die wissenschaftliche Community?
Am erfolgreichsten sind wir, wenn wir über akademische Forschung und Forschung in Drittmittelprojekten sowohl für die Scientific Community als auch für die Praxis einen Nutzen erzeugen. Wo uns das gelingt, können wir Exzellenzpreise einwerben.
Mit welchen Indikatoren sollte man Wissenschaft messen?
Indikatoren wie Publikationen in Journals im SCI-Index kommen aus der naturwissenschaftlichen Publikationskultur und sind nicht einfach auf andere Disziplinen übertragbar. Sie haben eine gewisse Aussagekraft, sind aber alleine nicht ausreichend – eine multidimensionale Abbildung ist daher wichtig. Alle sollten immer nach den bestmöglichen Optionen streben, ihre Ideen und Ergebnisse in der Wissenschaft und in Praxisfeldern sichtbar und wirksam zu verbreiten.
Ist die Organisation von Forschung heute nachhaltig?
Kosten-Nutzen-Rechnungen erzeugen oft Nachhaltigkeitsprobleme. Große Würfe von langer Gültigkeit werden selten. Immanuel Kant könnte heute nicht mehr als neu bestellter Professor jahrelang spazierengehend nachdenken, obwohl das offenbar für seine späteren bahnbrechenden Werke notwendig war. Ich verstehe, dass die Gesellschaft Ergebnisse sehen will, denke aber auch, dass es Freiräume braucht, um ergebnisoffen zu arbeiten.
Erschienen in UNIsono/März 2014