Zitationszahlen finde ich langweilig.
Nicht die Jagd nach dem Hirsch-Index, sondern Hartnäckigkeit und Kreativität bei der Verfolgung neuer Ideen sind für Marina Fischer-Kowalski vorrangig. Für Spitzenforschung brauche es interdisziplinäre Teamarbeit, Internationalität und viel Fleiß.
„Eine Aneinanderreihung von Gelegenheiten“ sei ihr Einstieg in die Wissenschaft gewesen, resümiert Marina Fischer-Kowalski. Während des Studiums der Soziologie, Psychologie und Kunstgeschichte war sie häufig am Institut für Höhere Studien, weil es dort einen Computer für ihren Nebenjob als Programmiererin gab. In diesem Umfeld wurde sie dann neugierig auf Wissenschaft, und es folgten mehr als zehn Jahre am IHS. Danach wäre aus der heutigen Professorin für Soziale Ökologie beinahe eine Bauleiterin für Althaussanierung geworden: „Nachdem ich privat zwei Häuser saniert hatte, bot man mir an, das zu meinem Beruf zu machen.“ Stattdessen nahm sie den Auftrag eines Verlages an, ein Buch zur „Ökobilanz Österreichs“ zu verfassen. „Über dieses erste Buch kam ich dann mit der Community in Kontakt und habe autodidaktisch viel gelernt“, so Fischer-Kowalski. Noch während sie daran arbeitete, eröffnete sich die Option, an die heutige Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung (IFF) zu gehen.
„Gesellschaftliche Probleme halten sich nicht an die Fachgrenzen“, so ein Credo der IFF. Marina Fischer-Kowalski begann 1986 als „Einfraubetrieb“, dort einen Schwerpunkt zu „Gesellschaft und Umwelt“ aufzubauen. Knapp dreißig Jahre später arbeiten am heutigen „Institut für Soziale Ökologie“ rund 40 Personen. Ein forschungsnahes Masterstudium zu „Sozial- und Humanökologie“ wurde aufgebaut; daneben lehrt(e) Fischer-Kowalski an der Universität Wien. Sie war als Gastprofessorin in Brasilien, Dänemark, Australien und in den USA, darunter auch an Universitäten mit klingenden Namen wie der Yale University und der London School of Economics. Sie ist Mitglied von rund 20 weltweiten Beratungs-, Herausgeber- und Fördergremien, dazu Reviewerin der wichtigsten Journals ihres Faches. Zu ihren meistzitierten Publikationen gehört der mit Walter Hüttler verfasste Artikel „Society’s metabolism“ im Journal of Industrial Ecology, das vom Massachusetts Institute of Technology und der Yale University herausgegeben wird.
Zitationsindexe und Publikationslisten sah sie aber nie als geeignete Erfolgsfaktoren: „Ich lehne es ab, Forschung lediglich nach kompetitiven Erfolgskriterien wie Zitationszählungen zu bewerten. Sie ergeben sich aus den Spielregeln in den Wissenschaftsdisziplinen und ich finde sie langweilig.“ Ihr Respekt gelte eher jenen ForscherInnen, die mit Hartnäckigkeit und Kreativität eine Idee oder eine Gruppe von Ideen verfolgen und über einen langen Zeitraum hinweg zu einem neuen Feld oder einer neuen Art, eine Frage zu beantworten, arbeiten. „Wenn ich in irgendeiner Weise Spitzenforscherin sein will, dann nur in dieser“, so Fischer-Kowalski.
Gesellschaftliche Relevanz sei dabei genauso wichtig wie die Fähigkeit, Menschen zu faszinieren und zu motivieren, sich auch dieser Frage oder dieser Methode anzuschließen. Dies gelte für das eigene Team, dem sie eine große Rolle beimisst, aber auch international: „Wenn Menschen in Kanada oder China meine Maße übernehmen, dann freue ich mich darüber.“ Spannende Inhalte gebe es dabei weiterhin: „Ich beschäftige mich stark damit, wie man Klimaschutz und eine gute Beschäftigungssituation miteinander in Einklang bringen kann. Wenn wir weder die Umwelt ruinieren noch massive soziale Probleme in Kauf nehmen wollen, müssen wir beides miteinander lösen.“ Die Relevanz der Forschungsarbeiten ihres Teams spiegelt sich auch in politischen Entscheidungen wider: So wird beispielsweise europaweit jährlich der „gesellschaftliche Stoffwechsel“ zur Materialnutzung erhoben. In allen 27 EU-Staaten greift man auf die Methoden der Wiener ForscherInnen zurück. Die gewonnenen Daten fließen in eine Reihe von politischen Indikatoren auf EU-Ebene ein
Erschienen in UNIsono/März 2013