Social Media | Foto: Rawpixel/Fotolia.com

Twitter, LinkedIn & Facebook: Social Media in der Wissenschaftskommunikation

Wilfried Elmenreich, Forscher am Institut für Vernetzte und Eingebettete Systeme, nutzt Social Media, um seine FachkollegInnen auf seine neuesten Ergebnisse und Veröffentlichungen hinzuweisen. Im Interview spricht er darüber, wie Social Networks im Bereich der Scientific Communities funktionieren.

Herr Elmenreich, Sie machen auch in diversen Social Networks auf Ihre wissenschaftlichen Arbeiten aufmerksam. Wie gehen Sie dabei vor?

Ausgangsbasis ist eine neue Publikation mit einem interessanten Thema. Ich versuche, meine Erkenntnisse und die Vorgehensweise, wie ich sie gewonnen habe, in kurzen Worten zusammenzufassen. Auch in der wissenschaftlichen Community liest man meiner Erfahrung nach nicht immer gern gleich zehn Seiten, wenn man sich nicht schon konkret für das Thema interessiert. Diese kurze Zusammenfassung veröffentliche ich gemeinsam mit Bildern und der Referenz auf die vollständige Arbeit in meinem Blog. Und den Blog-Eintrag teile ich über diverse Social Networks wie Twitter, LinkedIn und Facebook.

Wie kommt dies bei Ihren Leserinnen und Lesern an?

Die Reaktionen kann man bei Social Networks relativ leicht erfassen. Es ist aber recht schwer, die Popularität von Themen vorauszusagen. Viele teilen aber auch Artikel oder geben sie an Interessierte weiter. Veröffentlichungen in Social Networks können sich durchaus dem Vergleich mit einem Vortrag bei einer Konferenz stellen: Aber während einem Vortrag oft auch nur wenige Personen beiwohnen, kann ich über die Social Networks wesentlich mehr erreichen. Andererseits kann die Aufmerksamkeit – hier wie dort – variieren.

Wer folgt Ihnen online?

Das hängt vom jeweiligen Netzwerk ab: Facebook und LinkedIn sind symmetrisch, man kennt sich gegenseitig. Bei dem FollowerPrinzip von Twitter bestimmt stärker das Thema darüber, wer einem folgt. Ich richte mich vorwiegend an die Fachwelt.

Wie gehen Sie mit Privatsphäre und Datensicherheit um?

Privat halte ich mich sehr zurück. Im beruflichen Bereich will ich aber, dass viele wissen, woran ich arbeite. Daher möchte ich hier möglichst offen sein.

Haben Sie Erfahrung mit den speziell für die Wissenschaft entwickelten Tools?

Ja, ich verwende auch Research Gate. Dieses relativ proaktive Werkzeug erkennt neue Publikationen automatisch und leitet sie an meine Follower weiter. Auch Academia.edu habe ich ausprobiert, es aber nicht weiter betreut.

Wird irgendwann der Aufwand für die Befüllung zu hoch?

Twitter, Facebook und LinkedIn kann man mithilfe eines weiteren Service automatisch beschicken. Der Aufwand dafür hält sich in Grenzen. Darüber hinaus wäre es in meinem Bereich auch wichtig, auf Google+ vertreten zu sein. Dort funktioniert die automatische Beschickung aber nicht.

Ersetzt der Online-Austausch irgendwann die Offline-Begegnung bei Konferenzen?

Nein. Ich denke aber, dass sich Social Networks und Konferenzen gegenseitig befruchten. So gibt es mittlerweile häufig eigene Stichworte zu einer Konferenz, so genannte Hashtags, auf Twitter. Auch einzelne Zitate oder Folien werden veröffentlicht. Für mich bringt das ein neues Konferenzerlebnis, bei dem man in Summe mehr von der Tagung mitbekommt.

Denken Sie, dass der wissenschaftliche Nachwuchs aufgeschlossener für diese Netzwerke ist?

Die jungen Forscherinnen und Forscher sind häufig Digital Natives. Sie haben meist einen größeren Wunsch, sich online mitzuteilen. Viele von jenen, die mit mir arbeiten, betreiben – ähnlich wie ich – einen Blog.

Sie haben es bereits erwähnt: Sie referieren in Ihrem Blog auf den vollständigen Artikel. Wie wichtig ist dies Ihrer Meinung nach?

Das ist meines Erachtens extrem wichtig. Nehmen wir das Beispiel eines Forschers, der abends zu Hause noch Literaturrecherche für einen Artikel betreibt. Er sucht nach einem bestimmten Thema und findet drei Treffer. Wenn der erste Treffer auf ein Journal hinweist, das nur in Papierform in der Bibliothek zur Verfügung steht, wird er den zweiten Treffer aufrufen. Wenn dieser zwar online, aber nur hinter einer Paywall abrufbar ist und er von zuhause keinen Zugriff auf den Universitätszugang hat, wird er auf den dritten Treffer ausweichen. Wenn dieser das Thema hinreichend abdeckt, wird dieser Artikel zitiert. Open-Access-Publikationen sind also sehr wichtig für die Wahrnehmung in der Scientific Community.

Wie hat sich generell die Literaturrecherche durch den digitalen Raum verändert?

Viele suchen nicht mehr in bestimmten Zeitschriften, sondern nach Themen. Das hat meines Erachtens die wissenschaftliche Arbeit sehr stark verändert. Literaturrecherche verlagert sich immer mehr ins Internet.

Der digitale Raum ist ja mehr oder weniger unendlich groß – groß genug auch für Vieles, das weniger hohen Qualitätskriterien folgt. Wie kann man die Auswahl treffen?

Es gibt mittlerweile sehr viele reine Online-Journals, die eine strikte Reviewing-Politik verfolgen und damit gleich gut wie herkömmliche Zeitschriften sind. Es gibt aber auch jene, die weniger hohe Maßstäbe anlegen. Hier macht Erfahrung den Meister: Wenn man sich allerdings in einem thematischen Umfeld bewegt, in dem man sich nicht so gut auskennt, ist die Einschätzung schwierig.

Kann man auch abseits der Journals „erfolgreich“ online publizieren?

Ja, man kann beispielsweise Google-Scholar seine Artikel mehr oder weniger „unterjubeln“, indem man eine Website anlegt, wo man Papers in einer Formatierung, wie sie in der Wissenschaft üblich ist, online stellt. Diese sind häufig nicht durch Reviewer verifiziert. Zeitschriften bzw. Verlage sind für die Einschätzung der Qualität nach wie vor wichtig: Wenn ein Paper häufig zitiert wird und diese Zitate in „guten“ Journals verwendet werden, ist die Chance höher, dass das Paper auch „gut“ ist.

Können die Mechanismen, die den „Google-Scholar-Wert“ und ähnliche ausrechnen, dies berücksichtigen?

Der Google-Scholar-Wert ist relativ offen. Er umfasst sehr viele Journals, die in anderen nicht aufgelistet sind. Das hat den Effekt, dass er relativ stabil ist, gleichzeitig ist er aber auch leichter manipulierbar. Andere Datenbanken wie z. B. Scopus nehmen nur eine Untermenge von allen Journals. Da gibt es Probleme für solche, die dort nicht gelistet sind. Grundsätzlich muss man sich fragen, wie automatisiert man das Verfahren haben möchte. Alternative Metriken beziehen auch andere – nicht wissenschaftliche – Quellen ein und werden so komplexer.

Wie üblich ist es in Ihrem Forschungsfeld, open-access zu publizieren?

Die traditionellen Verlage verlangen für die Zugänge zu ihren Datenbanken meist teures Geld. Es ist aber häufig möglich – ohne wirtschaftliche Interessen zu verfolgen –, eine Kopie der Arbeit auf der eigenen Website online zu stellen. Dies wird häufig genutzt, viele haben aber rechtliche Bedenken wegen der oft komplexen Verträge mit den Verlagen.

Wie offen wird mit den Forschungsdaten umgegangen? Gehört Open-Data schon zum wissenschaftlichen Usus?

Leider gibt es dafür in meinem Bereich noch keine Kultur. Grundsätzlich ginge es ja darum, dass die Daten auch zur Verfügung gestellt werden würden, damit jeder und jede die Forschungen wiederholen und verifizieren kann. Das wäre der Wissenschaft sehr dienlich.

Wie schnell ändert sich die Kultur in der Online-Wissenschaftskommunikation Ihrer Wahrnehmung nach?

Als ich selbst Student war, besuchte man noch Einführungskurse in die Bibliotheksbenutzung und recherchierte fast ausschließlich von Papier zu Papier. Dies hat sich sehr stark gewandelt. Ich denke, dass insbesondere das freie Zur-Verfügung-Stellen von Artikeln im Web sehr wichtig ist, um auch breit von der wissenschaftlichen Community wahrgenommen zu werden. An der AAU gibt es das Angebot der Bibliothek, eigene Verlinkungen auch über die FODOK oder über das Repositorium der UB zur Verfügung zu stellen. Viele nutzen dies aber noch nicht, weil sie wegen der rechtlichen Vereinbarungen mit den Verlagen zu unsicher sind. Hier braucht es mehr Beratung, um die Publikationen auch online gut zu positionieren.

Erschienen in UNIsono/März 2014
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Zur Person



Wilfried Elmenreich forscht und lehrt am Institut für Vernetzte und Eingebettete Systeme.

Hintergrund:

Kommunikation war und ist für den Wissenschaftsbetrieb seit jeher von hoher Bedeutung: Nur durch den kommunikativen Austausch in den Scientific Communities zu Hypothesen, Methoden und Erkenntnissen entwickelt sich Wissenschaft weiter. Publikationen in Buchform oder in Zeitschriften sowie Tagungsteilnahmen sind traditionelle Instrumente.

Menge und Geschwindigkeit nehmen zu

Diese Werkzeuge sind derzeit einem starken Wandel ausgesetzt: Die Geschwindigkeit, in der wissenschaftliche Arbeiten entstehen, steigt. Bucherscheinungen sind in vielen Wissenschaftsdisziplinen zugunsten von Journalbeiträgen seltener geworden. Gleichzeitig haben die Möglichkeiten des Internet und der damit einhergehende Paradigmenwechsel im Umgang mit Transparenz und Zugänglichkeit die Grundlagen für die Entwicklung einer „Open Access“- Bewegung geschaffen. Wissenschaft ist zunehmend nicht mehr etwas, das (in Universitätsbibliotheken durch Öffnungszeiten und Standorte) limitiert zur Verfügung steht, sondern weltweit öffentliches, jederzeit und an jedem Ort abrufbares öffentliches Gut.

Herausforderung, gelesen und zitiert zu werden

Für die Forscherinnen und Forscher stellt sich die Herausforderung, innerhalb der Scientific Communities auf die eigenen Arbeiten aufmerksam zu machen. Das Knüpfen von persönlichen Netzwerken bei Tagungen oder die Forcierung von Publikationen in angesehenen Zeitschriften oder bei renommierten Verlagen wird weiterhin seinen hohen Stellenwert behalten; gleichzeitig gilt es aber, darüber hinaus international mithilfe moderner Kommunikationsmittel auf die eigenen Arbeiten hinzuweisen, um die Chancen zu erhöhen, gelesen, zitiert oder als ReferentIn bzw. KooperationspartnerIn für Forschungsprojekte angefragt zu werden. Die Sozialen Medien bieten hier wichtige Chancen: Diejenigen, die sich dort geschickt, strategisch und mit langem Atem gut positionieren, werden stärker wahrgenommen.

Metriken zur Bewertung von Wissenschaft im Wandel

Für diejenigen, die in der Rolle der „Konsumation“ von Wissenschaft entscheiden müssen, was signifikant und relevant ist, ändert sich auch viel. Klassische Peer-review-Prozesse und Zitationszählungen geraten immer wieder in die Kritik, weil sie zu langsam (wirksam) sind. Insbesondere der JIF (Journal Impact Factor) gilt bei manchen als problematisch. Eine vielbeachtete Initiative ist die „San Francisco Declaration on Research Assessment“, die im Dezember 2012 begründet wurde.

Die Deklaration, die sich gegen journal-basierte Indikatoren richtet, wird weltweit von AkteurInnen im Wissenschaftsbetrieb unterstützt; in Österreich unter anderem vom Wissenschaftsfonds FWF. Im Gegenzug arbeiten viele an alternativen Metriken, die eine Vielzahl an – unter anderem webrelevanten – Kriterien berücksichtigen können. Am bekanntesten ist dabei das Konzept der „altmetrics“, das laut ihren Initiatoren wesentlich schneller und umfassender Bewertungen wissenschaftlicher Texte vornehmen kann. Sowohl Daten als auch Skripten und Algorithmen seien öffentlich. Das Konzept würde weiters über das quantitative Zählen hinausgehen und auch semantischen Inhalt berücksichtigen. Ein Beispiel für ein solches Bewertungswerkzeug ist das Open-Source-Tool „ImpactStory“.

Online-Präsenz steigern

Noch müssen neue Werkzeuge und Kommunikationsformen erst erprobt werden, und es ist noch unklar, in welchen Fachkulturen sich welche Tools durchsetzen werden. Neben Twitter, Facebook und LinkedIn könnten auch andere „Soziale Netzwerke“ wie eigene E-Maillisten ähnliche Funktionen erfüllen. Eine wichtige Funktion nehmen eigens für den Wissenschaftsbetrieb entwickelte Seiten wie „Research Gate“, „Zotero“ oder „Mendeley“ ein. Einige von ihnen ermöglichen, oft mit nur einem einzelnen Klick („bookmarking“) Daten und Texte zu sammeln und dann in der Folge zu beschlagworten, zu kommentieren oder zu bewerten. Das Ziel bei dem Einsatz all dieser Tools bleibt das Gleiche: Es soll die Chance erhöht werden, zur richtigen Zeit am richtigen Ort von den richtigen Personen gesehen und gelesen zu werden.