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Sichtbar machen, was Menschen können

Personen ohne anerkannten Berufsabschluss finden häufig keine Erwerbsarbeit: Ein neues Kompetenzfeststellungsverfahren, das an der AAU entwickelt wurde, soll sie zukünftig unterstützen. Das Projekt wurde kürzlich mit dem VITA-Award 2015 ausgezeichnet.

„Das Bildungssystem in Österreich ist recht starr, weil wir eine sehr elaborierte Struktur der berufsbildenden Einrichtungen (Lehre, Schulen) haben. Die EU fordert nun Nationale Qualifikationsrahmen, um auch Lernergebnisse, die außerhalb dieser formalen Strukturen erworben werden, entsprechend zu wertschätzen und anzuerkennen“, erläutert Monika Kastner (Institut für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung). Die Kompetenzen von gering Qualifizierten, die beispielsweise lange in einem handwerklichen Beruf als HilfsarbeiterInnen gearbeitet haben, können über eine Validierung offiziell anerkannt werden.

Monika Kastner hat dazu mit ihrem Team an einem solchen Qualifikationsraster für Menschen ohne formalen Berufsabschluss gearbeitet, die in Sozialen Unternehmen am „zweiten“, d.h. geförderten Arbeitsmarkt befristet beschäftigt sind und im Prozess der Arbeit Kompetenzen erwerben. Begleitend werden umfassende Personalentwicklungsmaßnahmen angeboten, und die Transitarbeitskräfte werden in ihren Aktivitäten beraten und begleitet. Nun soll das dort Erworbene auch sichtbar werden. „Das entwickelte Verfahren zeigt mittels Selbst- und Fremdeinschätzung auf, was diese Menschen können. Die Lernergebnisse werden auf einem Zertifikat mit Supplement angeführt, das an die Deskriptoren des Nationalen Qualifikationsrahmens auf Niveau 1 bzw. 2 angebunden ist und Arbeitgeber über vorhandene Kompetenzen informieren wird“, so Kastner.

Die Arbeit des Projekts KOMKOM wurde vom Bundesministerium für Bildung und Frauen (BMBF) seit 2011 gefördert und heuer abgeschlossen. Die forschungsbasierte Entwicklung des Verfahrens basiert auf der „Theorie der Anerkennung“ von Axel Honneth (Frankfurter Schule), die die Kategorien „Liebe“, „Recht“ und „Solidarität“ vorgestellt hat. Kastner und ihre Kolleginnen gehen dabei davon aus, dass persönliche Anerkennung („Liebe“) eine wesentliche Säule für bildungsbenachteiligte Erwachsene ist. Daneben sind es offizielle Anerkennung („Recht“) von Lernergebnissen über den NQR und die Verankerung in einer solidarischen Gemeinschaft („Solidarität“), die für eine nachhaltig zufriedenstellende Berufstätigkeit essentiell sind. Alle drei Aspekte prägen Soziale Unternehmen und das KOMKOM-Verfahren.

Auch die Europäische Politik gehe derzeit davon aus, dass die Anerkennung von außerhalb der formalen Systeme erworbenen Kompetenzen erwerbslosen Menschen oder von Erwerbslosigkeit bedrohten Personen langfristig zugutekommen kann. Kastner möchte in einem nächsten Schritt breitere Evaluationsstudien durchführen, um diese These zu überprüfen. Außerdem lassen sich über den NQR Anschlüsse an das formale System gestalten; auch daran soll weitergearbeitet werden.
Das Projekt wurde Mitte September mit dem VITA-Award durch das EU-Projekt PROVIDE in Mechelen (Belgien) ausgezeichnet.