Selbsterfüllende Prophezeiungen: Was bringt eine Bank zum Scheitern?

Wenn etwas selbst Vorhergesagtes dann eintritt, wenn man bewusste und unbewusste Handlungen setzt, spricht man von selbsterfüllenden Prophezeiungen. Jack Bryson, Universitätsassistent im Ada-Lovelace-Programm, will mit Modellierungen und Simulationen herausfinden, welche sozialwissenschaftlichen Phänomene Banken zum Scheitern bringen können. 

Selbsterfüllende Prophezeiungen gibt es in vielen Bereichen: Glaubt eine Lehrerin besonders an einen bestimmten Schüler, lässt sie ihm mitunter unbewusst größere Aufmerksamkeit zukommen, was am Ende wiederum zu besseren Leistungen führen kann. Jack Bryson, Universitätsassistent an der Abteilung für Controlling und Strategische Unternehmensführung, beschäftigt sich mit selbsterfüllenden Prophezeiungen im Bankensektor. Er fragt sich dafür: Was kann eine Bank zum Scheitern bringen? „Der Vorteil an den Modellierungen und Simulationen, mit denen wir arbeiten, ist, dass wir nicht auf die Katastrophe warten müssen, um sie dann empirisch zu untersuchen. Wir können gefahrlos eine Realität simulieren und dann mit verschiedenen Variablen ausprobieren, was passiert“, so Jack Bryson.

Banken und Bankenpleiten sind komplexe Systeme. Jack Bryson erklärt: „Es kann sein, dass eine Bank in bester Verfassung ist, ihr dann aber selbsterfüllende Prophezeiungen zum Verhängnis werden. Nehmen wir an, es gibt ein Gerücht, das besagt, dass die Bank zusammenbrechen wird. Jemand hebt damit konfrontiert sein Geld ab, geht nach Hause und sagt zu seinem Nachbarn und dem Tennispartner, dass sie auch ihr Geld abheben sollen. Wenn das viele machen, gerät die Bank in reale Gefahr“, erläutert Jack Bryson. Der Ausgangspunkt solcher selbsterfüllenden Prophezeiungen kann völlig irrational sein. Für Forscher wie Jack Bryson geht es darum, das Verhalten der vielen sozialen Akteur:innen zu beschreiben und dann Simulationen anzustellen. Doch wo fängt man dabei an? „Wir müssen zuerst einfache Beschreibungen aufstellen, mit so wenigen Variablen wie möglich. Dann kann man das Modell zunehmend ausgefeilter gestalten, um die Realität so gut wie möglich abzubilden.“

Jack Brysons Werkzeuge stammen aus der Mathematik und der Statistik. Gefragt danach, ob er diese Fächer immer schon mochte oder erst zu mögen gelernt hat, erklärt er: „Es braucht Zeit, diese Methoden für sich zu erschließen. Der berühmte Knopf geht oft erst auf, wenn man versteht, dass es nicht darum geht, die Lösung zu finden, sondern den Weg zu finden, wie man zur Lösung kommt.“ Jack Brysons Weg in die Wissenschaft hat interdisziplinär gestartet: Nach der High School studierte er an der Hampden-Sydney, einem Liberal-Arts-College in Virginia, wo er ein Bachelorstudium in Mathematical Economics abschloss. Unterstützt wurde der Sohn einer alleinerziehenden Mutter durch Stipendien, die stets leistungsgebunden waren. Ziel dieses Studiums war es, Kompetenzen in vielen Fächern zu vermitteln und die Absolvent:innen so vorzubereiten, dass sie dann in die Praxis gehen oder weitere Universitätsstudien belegen können. Jack Bryson entschied sich danach für das Masterstudium Finance an der UVA McIntire School of Commerce. Berufserfahrungen sammelte Bryson dann als Webdesigner. Ab 2019 hatte Jack Bryson dann zwei Jobs: Abends koordinierte und schulte er das Personal in einem Restaurant in Georgetown, und untertags arbeitete er in einer Bank in Arlington, wo er sich von der Kassenstelle zum Relationship Banker entwickelte. In beiden Fällen arbeitete Jack Bryson mit Menschen und da wie dort ging es darum, Prozesse zu verbessern und Innovationen einzuführen. Besonders herausfordernd war dabei in der Bank die Übernahme einer anderen Bank, im Zuge dessen er Schulungen und Trainings mit den Mitarbeiter:innen durchführte.

In der Unternehmenspraxis sah Jack Bryson bald: Im Alltag tun sich viele Fragen auf, und es bleibt zu wenig Zeit, um Antworten darauf zu finden. Über Freunde von Freunden wurde er auf die Stellenausschreibung für die Stelle im Ada-Lovelace-Programm an der Universität Klagenfurt aufmerksam: „Während der herausfordernden Pandemiejahre war ich inmitten komplexer sozialer Phänomene. Nun habe ich die einzigartige Gelegenheit, solche Phänomene zu beschreiben und wissenschaftlich zu bearbeiten“, erklärt er uns. Auch kulturelle Unterschiede spielen dabei eine Rolle: „Verhaltensannahmen sind oft mit Kultur und sozialen Identitäten verbunden. Wenn man das im Hinterkopf hat, werden die Simulationen robuster.“

Mit Friederike Wall (Abteilung für Controlling und Strategische Unternehmensführung) und Christian Bettstetter (Institut für Vernetzte und Eingebettete Systeme) hat Jack Bryson nun an der Universität Klagenfurt zwei Betreuer:innen zur Seite, die ihn mit fachlicher Expertise, aber auch mit internationalen Netzwerken unterstützen. Ab Herbst wird er auch erstmals eine Lehrveranstaltung leiten, worauf er sich besonders freut, „weil das auf Doktoratsstellen in den USA nicht überall üblich ist“, und er genießt, Studierende in den Wirtschaftswissenschaften in mathematisch komplexe Inhalte einzuführen.

Die Bedingungen, als Wissenschaftler zu wachsen, könnten nicht besser sein, so Jack Bryson: „Ich habe hier ein Büro für mich allein, aber neulich hat man mich gefragt, ob ich für ein paar Tage im Herbst einen Gastprofessor bei mir aufnehmen würde. Es handelt sich um Serge Galam, der sich mit Trump als soziophyshikalisches Phänomen beschäftigt hat, ein international herausragender Wissenschaftler. Das war eine Riesenfreude für mich: Was für eine großartige Möglichkeit, neben so herausragend klugen Leuten zu sitzen!“

Auf ein paar Worte mit … Jack Bryson



Was motiviert Sie, in der Wissenschaft zu arbeiten?

Ich vertrete oft einen gegensätzlichen Standpunkt zum Status quo und finde Paradoxien und Rätsel faszinierend. Ich versuche nicht zu argumentieren, ich mag es einfach zu denken – hey, vielleicht geht hier noch etwas anderes vor sich?

Verstehen Ihre Eltern, woran Sie arbeiten?

Meine Familie hat ihr ganzes Leben lang mit und für Menschen gearbeitet – von der ehrenamtlichen Arbeit bei der örtlichen Lebensmittelbank bis hin zur Schaffung eines sicheren Raums für Kinder in der Innenstadt nach der Schule. Sie wissen, dass meine Absicht, soziale Interaktionen zu erforschen, in meiner Erziehung wurzelt.

Was ist das Erste, was Sie morgens tun?

Ich versuche, 5 oder 10 Minuten zu meditieren, und lese eine tägliche Andacht aus einem Buch, das ich mit meiner Mutter, meiner Tante und meinen Großeltern in Virginia teile.

Machen Sie richtig Urlaub? Ohne an Ihre Arbeit zu denken?

Natürlich kann ich meinen Geist und meinen Körper von der Arbeit ablenken und neue Städte besuchen, an Wettkämpfen teilnehmen, Snowboard fahren, wandern, lesen und Zeit mit meinen Freunden verbringen… aber ich finde es schön, Parallelen zu meinem Thema zu erkennen und mich von unerwarteten Orten inspirieren zu lassen, die mir bei der Arbeit an meiner Dissertation nützlich sind.

Was beruhigt Sie?

In der Nähe von Wasser zu sein und zu laufen.

Wer ist für Sie der größte Wissenschaftler der Geschichte, und warum?

Mein Sehsinn hat einen großen Einfluss auf mich, daher würde ich sagen, dass Galileo mein Lieblingswissenschaftler ist, weil er dorthin schauen wollte, wohin niemand zuvor geschaut hat.

Worauf freuen Sie sich?

Auf die Arbeit mit den Studierenden und darauf, den Seminarraum zu einem Ort zu machen, an den man immer wieder gerne zurückkehrt.