Selbstbewusste Computer | Foto: ninog/Fotolia.com

Selbstbewusste Computer

Wissen über sich selbst und wie es das eigene Verhalten beeinflusst, sind bekannte Konzepte aus der Psychologie und den Kognitionswissenschaften. Ein internationales Forscher-Team hat in den letzten fünf Jahren untersucht, wie man diese Konzepte für Computersystemen nutzen kann, und hat nun Ergebnisse dazu in einem Buch veröffentlicht.

„Da die Komplexität von technischen Systemen zunimmt, stoßen traditionelle Computersysteme mit vordefinierter Funktionalität rasch an ihre Grenzen. Innovative Computersysteme müssen daher permanent ihren Zustand erfassen und autonome Entscheidungen treffen können, um sich unvorhergesehen Änderungen anpassen zu können“, so Bernhard Rinner (Institut für Vernetzte und Eingebettete Systeme). Er ist Mitherausgeber einer aktuellen Publikation zu den so genannten „Self-aware Computing Systems“ – Computersysteme, die ein maschinelles Selbstbewusstsein besitzen. Rinner erläutert weiter: „Dieses aus der Psychologie inspirierte Konzept konnten wir für die Analyse und den Entwurf von Computersystemen erweitern. Es basiert auf dem Erlernen von Modellen für den eigenen Zustand des Computers sowie seiner Umgebung und ermöglicht eine Adaptierung sowohl der Applikation (Software) als auch der zugrundeliegenden Plattform (Hardware) zur Laufzeit.“

Dieses Buch stellt maschinelles Selbstbewusstsein erstmals und umfassend als eine Entwurfsmethode für Computersysteme und Netzwerke vor und diskutiert diverse Fallstudien. Inspiriert von bekannten Konzepten der Psychologie und Kognitionswissenschaften fokussiert sich das maschinelle Selbstbewusstsein auf folgende Themenbereiche: Erstens, welche Informationen zur Ausprägung des Selbstbewusstsein ausgenutzt werden; zweitens, welcher Grad der Adaptierung realisiert wird; und drittens, ob die Adaptierung in einem einzelnen Computer oder in einem Netzwerk erfolgt. Dazu braucht es verschiedene Techniken und Algorithmen. „Online Lernverfahren stellen eine Schlüsselkomponente dieser neuartigen Computersysteme dar. Damit werden Modelle über den eigenen Zustand sowie der Umgebung erstellt und aktuell gehalten“, so Rinner.

Als Fallstudie entwickelte das Klagenfurter Team ein Kameranetzwerk mit dieser neuen Methode. Die Kameras verfolgen ein gemeinsames Ziel, entscheiden jedoch – abhängig von der Ausprägung des Selbstbewusstseins – autonom, wie sie zum Ziel beitragen. „Am Beispiel der Personenverfolgung im Kameranetzwerk konnten wir zeigen, dass maschinelles Selbstbewusstsein zu ressourcen-effizienteren Lösungen führt“, so Jennifer Simonjan, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut. „Ein weiterer Vorteil liegt im autonomen Lernen der Netzwerktopologie. Damit kann sich das Kameranetzwerk selbstständig konfigurieren.“ Maschinelles Selbstbewusstsein ist nicht nur als Entwurfsmethode für Kameranetze geeignet. Das internationale Team aus Deutschland, England, Norwegen und der Schweiz demonstrierte diese Methode erfolgreich an Hochleistungsrechnern für Finanzmodellrechnungen, bei interaktiven Musiksystemen oder im Management von Cloud Systemen.

Lewis, P.R., Platzner, M., Rinner, B., Torresen, J. & Yao, X. (Eds.) (2016). Self-aware Computing Systems: An Engineering Approach. Heidelberg: Springer.