Schenkung von Karl Poppers Gesellenstück

Im Alter von 20 Jahren begann Karl Popper eine Lehre zum Tischler. Für zwei Jahre, vom 9. Oktober 1922 bis zum 9. Oktober 1924, arbeitete er als Lehrling in der Kunsttischlerei von Adalbert Pösch in der Gumpendorferstraße 60, 1060 Wien. In dieser Zeit besuchte Popper auch die Wiener Lehrerbildungsanstalt, um an Volksschulen und Hauptschulen die Fächer Mathematik, Physik und Chemie unterrichten zu dürfen. Seine Tischlerlehre schloss er im Jahr 1924 mit der Prüfung zum Gesellen ab. Als Gesellenstück fertigte Popper ein Wandkästchen in Nussholz mit zwei verglasten Rahmentüren und zwei eingepassten Laden an. Auf seinem Gesellenbrief, der sich in der Popper-Sammlung befindet, steht: „Karl Popper […] hat das Tischlerhandwerk ordnungsgemäß erlernt und die Gesellenprüfung am 20. Dezember 1924 von der genossenschaftlichen Prüfungskommission mit Erfolg bestanden.“

Diese Episode seines Lebens stellt Popper an den Anfang seiner intellektuellen Autobiographie Ausgangspunkte (1979; engl. Veröffentlichung 1976 als Unended Quest, Erstveröffentlichung 1974). Popper schreibt darin, dass er von seinem Tischlermeister Pösch mehr gelernt habe, als von irgendeinem anderen Lehrer: „Denn mein Meister lehrte mich nicht nur, daß ich nichts wußte, sondern auch, daß die einzige Weisheit, die zu erwerben ich hoffen konnte, das sokratische Wissen von der Unendlichkeit meines Nichtwissens war.“

 

Popper behielt das Gesellenstück zeit seines Lebens und verwendete es, um darin Bücher aufzubewahren. Anfang des Jahres 2020 wurde das Kästchen von Bernard Mew, Sohn von Melitta Mew (1929–2018), Ehrenbürgerin der Universität Klagenfurt und Poppers Erbin, der Karl Popper-Sammlung geschenkt. Das Wandkästchen wird mit Begleitmaterial in den Vitrinen vor der Popper-Sammlung ausgestellt.

Siehe dazu auch:
Popper, Karl. 2012. Ausgangspunkte. Meine intellektuelle Entwicklung. Tübingen: Mohr Siebeck.
Prlic, Thomas. 2012. „Der Tischler als Philosoph.“ Tischler Journal (12/12): 24.