Ruth Hanko_o.T. 2010

Ruth Hanko IN SITU

Eros, Gender und Tod sind für Ruth Hanko die Themen, für die sie sich schon immer interessiert hat. Die gebürtige Gurktalerin, die in ihrem Keutschacher Atelier auch eine Druckwerkstatt eingerichtet hat, stellt im Frühjahr an der Alpen-Adria-Universität aus.

Ruth Hankos Weg zur Kunst war voller Hemmnisse und Umwege. Diesen konnte sie erst mit zeitlicher Verzögerung gehen. Sie wurde 1957 in Deutsch-Griffen im kärntnerischen Gurktal geboren. Beide Eltern waren minderjährig, und die Identität des Vaters blieb lange Jahre geheim. Das künstlerische Talent des groß gewachsenen Mädchens fiel zwar schon den Lehrenden in der Volks- und der Hauptschule auf, aber die empfohlene akademische Ausbildung kam für die finanziell schlecht gestellte Familie nicht infrage. Stattdessen wurde Hanko dann Krankenschwester. In den dreißig Berufsjahren auf der Kinderstation des Landeskrankenhauses kam sie sehr direkt mit den großen Lebensthemen in Berührung, die ihr künstlerisches Schaffen bis heute bestimmen: Liebe, Geschlecht und Tod: Sie umfassen das Menschliche, das uns unmittelbar betrifft, angeht, berührt, beschäftigt. Es gibt niemanden, der sich davon in irgendeiner Weise ausnehmen kann oder so tun kann, als ginge es ihn nichts an.

Als Krankenschwester hat sie mehrfach miterlebt, wie ein nicht eindeutiges männliches oder weibliches Baby dorthin operiert worden ist, wo es die Eltern haben wollten. Das passte ihr nicht, dieses Vorgehen war ihr zutiefst suspekt. Der Frage zur Bedeutung von Geschlecht und Gender ging sie später als Gasthörerin an der Alpen-Adria-Universität in diversen kunsttheoretischen und philosophischen Lehrveranstaltungen nach. In der Folge entstand eine Serie an Genderbildern und -objekten und eine „Transgender-Kiste“. Große „Kunst-Kisten“ sind immer wieder das Ergebnis, wenn sich Hanko eines Themas annimmt und sich darin vollkommen ein- und daran abarbeitet. Alte Holztruhen, die sie an allen möglichen Orten aufstöbert, werden befüllt, hier bekommen Themen quasi einen eigenen Schrein. In der „Kindheits-Kiste“ etwa versammeln sich verarbeitete Relikte zu den ersten schönen Jahren bei den Großeltern und die folgenden Jahre ihrer Schulzeit und Jugend bei ihrer für sie fremden Mutter in einer rauen, bäuerlich-katholisch dominierten Umgebung.

In den künstlerischen Techniken ist Hanko vielfältig. Sie beherrscht das Malen in Öl, Tempera und Acryl, das klassische englische Aquarell ebenso wie das Modellieren in Ton, das Zeichnen und den Druck. Dies alles lernte sie neben Beruf und Familie in zahlreichen Kursen in Slowenien, Österreich und Deutschland bei Künstlerinnen und Künstlern wie Jože Ciuha, Gerda Madl-Kren, Valentin Oman, Bogdan Pascu, Walter Strobl, Christof Šubik und Petar Waldegg. Für sie war es wichtig, möglichst verschiedene Techniken kennenzulernen, damit man weiß, wo man hinwill. Ich habe technisch so sicherlich mehr gelernt als einer, der „nur eine Meisterklasse“ gemacht hat. Eine große Faszination übt auf Hanko die Drucktechnik aus. Ihr Litholehrer Christoph Donin ließ sie schon bald die schweren Litho-Maschinen selbst bedienen. 2010 kaufte sie sich in Rostock eine Lithographiepresse und hundert Lithosteine In ihrer eigenen Druckwerkstatt stehen weitere Druckpressen samt Letterschränken und zwei Radierpressen, auf der auch Algraphien – Flachdrucke auf Aluplatten in geringer Auflage – herstellbar sind. Diese Technik hat sie bei Eduard Schmidt gelernt, der ihr seinen künstlerischen Nachlass hinterlassen hat. Stil ist für Hanko keine statische Kategorie. Für sie ist es wichtig, sowohl figural als auch abstrahierend zu arbeiten: Mir kommt es darauf an, mich in passenden Techniken und Formen auszudrücken. Ob als Assemblage oder Malerei, ob in Druckgrafik oder Keramik, gegenständlich oder nicht, wichtig ist für mich die Verarbeitung eines Themenkomplexes. Meistens mische ich die Techniken, das mag ich am liebsten.

Eigentlich, so sagt sie, komme ich ja vom Zeichnen, von der Linie, der Begrenzung. Ihre ersten Bilder besaßen wenig Buntheit und wirkten recht düster. Dass mehr Farbe in ihre Kunst kam, hat auch mit ihrem Vater zu tun. Mit 40 Jahren erfuhr die Tochter endlich, wer ihr Vater ist: Heinrich Mayer, Inhaber eines Malereibetriebs, war nach der schandvollen Kindszeugung in die Schweiz gegangen. Er kam regelmäßig in das Gurktal zurück und besuchte – von ihr nicht als solcher erkannt – seine Tochter später in Maria Rain, ihrem langjährigen Wohnort. Als Hobbyfilmer erhielt er Auszeichnungen, u. a. für das Porträt über Hanko („Ohne Dich“, 1999), worin er seine frühen Filmaufnahmen von der vierjährigen Ruth einbaute. Er riet ihr „fröhlichere Bilder“ zu machen, mehr Farbe zu nehmen. Daraufhin entstand die Serie „Carpe diem“. Der Auftrag des Vaters wirkt bis heute nach, sagt Hanko.

2010 machte Hanko das Diplom zur Kunsttherapeutin. Daneben richtete sie sich unter dem Pyramidenkogel am Keutschacher See ein neues Atelier ein. Das Aktzeichnen, das sie mittlerweile auch selbst lehrt, beherrscht sie  blind. Kunst ist für sie die Notwendigkeit der Ausschaltung der rationalen Herangehensweise. Wie komme ich in die rechte Hirnhälfte? Wie lässt sich das Bewusstsein ausschalten? Ich habe mich durch Literatur geackert und es bis zur völligen Beherrschung geübt. Beim Aktzeichnen sieht sie nicht mehr auf das Blatt, sondern nur mehr auf das Modell. Stift und Auge arbeiten synchron und alle Proportionen stimmen überein.

Der nackte Mensch steht bei Hanko für viel mehr als nur für das natürliche Begehren der Geschlechter, es ist auch das Begehren nach Macht, Dominanz, Geld und Geltung – alles, wonach die Menschen streben. Und der Weg vom lebendigen Körper zum Skelett ist für Hanko nicht weit. Für mich als Krankenschwester ist der Knochenmann nichts Unbekanntes. Ihre anhaltende Auseinandersetzung mit der Todesfigur führte dazu, dass sie nun auf Bildern auch ohne eigentlichen Jenseitsbezug kleine Todes-Anklänge einbaut: Wenn es passt, kommt er wie ein Markenzeichen dazu. Angst vor dem Tod hat Hanko keine. Sie hat im Beruf einige Kinder begleitet, die sterben mussten, und im Privaten auch mehrere Verwandte und Freunde.

Hanko ist Mitglied der Europäischen Totentanzvereinigung, die sich um die Erforschung, Erhaltung und Neuinterpretation künstlerischer Totentänze kümmert. Im Museum von Metnitz, wo sich am Karner ein mittelalterliches Totentanzfresko befindet, sind seit 2015 auch 19 Totentanzreliefs, eine Totentanzkiste und weitere Objekte von Hanko zu sehen. Einige der Werke wurden zuvor in Heidelberg, Berlin und Florenz gezeigt.

Tod und Eros scheinen Gegensätze zu sein, für Hanko hängen beide ursächlich zusammen: Ohne Eros gibt es keinen Tod und ohne Tod keinen Eros. Das ist das Lebensprinzip. Mit dem Geborenwerden wird die Richtung genommen. Doch bevor es zum Ende kommt, leben wir. Die starke Lebensfreude, die Hanko in der persönlichen Begegnung ausstrahlt, ist erst mit den Jahren gewachsen. Positiv denken habe ich erst gelernt. Das aber kann ich sehr gut.

Barbara Maier für ad astra

 

Die Ausstellung

Die Ausstellung IN SITU von Ruth Hanko wird vom 16. Mai bis 27. Juni 2019 in der Großen Galerie der Universität Klagenfurt gezeigt.

Ruth Hanko