Rückgang der Fitness bei Kindern: Forschende fordern mehr Sportunterricht
Kinder sind in den vergangenen beiden Jahrzehnten immer unsportlicher geworden. Das zeigt eine langfristig angelegte Studie mit 3.500 Schüler:innen aus Österreich. Beteiligt an dem Projekt war der Sportwissenschaftler Jan Wilke, Professor für Bewegungswissenschaften an den Universitäten Bayreuth und Klagenfurt. Er und seine Kolleg:innen fordern auf Basis der Studienergebnisse eine Ausweitung von Sportangeboten, vor allem in der Schule – auch, um das Gesundheitssystem künftig zu entlasten.
Der Bewegungswissenschaftler Jan Wilke hat gemeinsam mit Kolleg:innen von der Pädagogischen Hochschule Kärnten, dem Olympiazentrum Kärnten sowie der ASKÖ die körperliche Aktivität von über 3.500 Schüler:innen an österreichischen Sportschulen untersucht – und das fast 20 Jahre lang. An den Sportschulen haben die Kinder mehr Sportunterricht pro Woche als an normalen Schulen. „Die Besonderheit unserer Studie ist, dass wir über achtzehn Jahre kontinuierlich Daten der neuen Schulanfänger gesammelt und analysiert haben, und so echte Trends erkennen. Vorangegangene Studien haben oft nur die Erhebungen einzelner Jahre miteinander verglichen, beispielsweise von 1990 und 2010“, so Wilke.
Für die Ermittlung der körperlichen Fitness haben die Kinder im Alter von etwa zehn Jahren an diversen Tests teilgenommen, darunter Sprints, Sprünge, Medizinballwürfe, Messungen von Reaktionszeit und Bewegungsschnelligkeit, ein 8-Minuten-Ausdauerlauf sowie ein Agilitäts-Lauf durch einen Parcours. Die ernüchternde Erkenntnis: Die Leistungen haben über die Jahre kontinuierlich abgenommen, mit Ausnahme der Reaktionszeit und der Ausdauer. Besonders deutlich war der Rückgang der Leistung im Kraftbereich. Auch der Body Mass Index der Kinder hat zugenommen. Die Abnahme der Fitness waren jedoch auch nach Korrektur um diesen Faktor sowie um Alter und Geschlecht noch sichtbar.
„Mögliche Erklärungen für die Reduktion der körperlichen Fitness sind die zunehmende Dominanz von sitzenden bzw. inaktiven Lebensstilen, die verstärkte Nutzung von digitalen Medien sowie zu wenige Bewegungsangebote“, so Wilke. Die Schule ist für eine Intervention einer der besten Orte, weil hier die Kinder über aktive Pausen oder ein bewegungsfreundliches schulisches Umfeld direkt erreicht werden können, unabhängig von Elternhaus, Freundeskreis oder Wohnsituation.
Besonders erschreckend: „Wir haben unsere Studie mit Kindern an Sportschulen durchgeführt. Dass sogar diese Kinder, bei denen man ein grundlegend hohes Interesse an körperlicher Aktivität erwartet, Leistungsabfall zeigen, ist alarmierend. Es ist gut möglich, dass Kinder, die weniger an Sport und Bewegung interessiert sind, einen noch stärkeren Rückgang der Fitness aufweisen. Wir empfehlen deshalb nachdrücklich, Bewegungsangebote an Schulen und für Kinder auszuweiten, den Schulsport nicht nur als Beigabe zu betrachten und den Vereinssport attraktiver zu machen“, sagt Wilke.
Die Studie entstand in Zusammenarbeit der Universitäten Klagenfurt und Bayreuth sowie der Arbeitsgemeinschaft für Sport und Körperkultur in Österreich (ASKÖ) und dem Olympiazentrum Kärnten.
Alexandra Unger, Walter Reichel, Katrin Röttig, Jan Wilke (2024). Secular trends of physical fitness in Austrian children attending sports schools: An analysis of repeated cross-sections from 2006 to 2023, Preventive Medicine.