Restitution | Foto: aau/Barbara Maier

„Restituimus, excusamus.“

Öffentliche Rückgabe von NS-Raubgut aus der Universitätsbibliothek Klagenfurt an die rechtmäßigen Eigentümer

Achtzehn Werke (22 Einzelbücher), die in der Zeit des Nationalsozialismus kirchlichen Institutionen in Kärnten geraubt worden waren, konnten im Rahmen eines Forschungsprojekts noch in den Beständen der Universitätsbibliothek Klagenfurt (UB) ausfindig gemacht werden. Diese Bücher, darunter eine wertvolle Ausgabe einer „Technica Curiosa“ von Kaspar Schott von 1664 aus dem Benediktinerstift St. Paul, wurden zu Jahresbeginn den rechtmäßigen Eigentümern bzw. deren Rechtsnachfolgern restituiert. Die heutige Universitätsbibliothek gründet auf der „Öffentlichen Studienbibliothek Klagenfurt“, welche ihrerseits aus der Übernahme aller Kärntner Jesuitenbibliotheken nach 1773 und einer Schenkung der Grafen Goëss hervorging. Die Nazis wandelten sie in eine „Staats-Studienbibliothek“ um und wiesen ihr 105.000 Exemplare aus dem Raubgut des so genannten Klostersturms 1940/41 zu. Der Großteil wurde nach dem Krieg in weitgehend ungeöffneten Transportkisten im Umfang von dreieinhalb LKW-Ladungen wieder an die Ursprungsbesitzer rückerstattet. Doch wie viele geraubte Bände tatsächlich in die Studienbibliothek kamen, wie viele nach dem Krieg davon zurückgegeben wurden und wie viele jetzt aufgrund von fehlenden Vorbesitzereinträgen noch unerkannterweise im ererbten Bestand der Universitätsbibliothek verblieben sind, muss trotz des umfangreichen Forschungsprojekts weiterhin offen bleiben.

Die Historikerin und Bibliothekarin Alrun Benedikter betrieb in einem mehrjährigen Forschungsprojekt richtiggehend Bibliotheksarchäologie. Sie untersuchte, gestützt von archivalischen Hinweisen, alle 6.390 dafür infrage kommenden Bände aus dem Eingangszeitraum 1938 bis 1953 Stück um Stück. Achtzehn eindeutige Zuordnungen zu Vorbesitzern anhand von Einträgen und Stempeln in 22 Einzelbüchern konnte sie identifizieren und im Online-Katalog mit dem entsprechenden Hinweis „Provenienz NS-Raubgut“ versehen.

Bei einem Gutteil handelt es sich um Gebrauchsliteratur vor allem für den Unterricht. Zwei Werke sind in slowenischer Sprache verfasst. Zu den wertvolleren Ausgaben zählen neben Schotts „Technica Curiosa“ eine vierbändige illustrierte „Allgemeine Weltgeschichte für alle Stände“ von Carl von Rotteck aus 1841 und ein lithographierter Nachdruck von Valvasors „Erz-Herzogthum Kärndten“ von 1882.

In Österreich sind seit dem Kunstrückgabegesetz von 1998 Kunst- und Kultureinrichtungen zur Provenienzforschung verpflichtet. Wissenschaftliche Bibliotheken sind davon ausgenommen; die meisten betreiben aber freiwillig und je nach vorhandenen Ressourcen die Erforschung von NS-Raubgut, so wie dies auch die UB Klagenfurt ab 2008 auf Anregung von Martin Hitz und Hubert Lengauer betrieben hat. Markus Stumpf, Leiter der damals gerade eingerichteten Arbeitsgemeinschaft NS-Provenienzforschung der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (VÖB), hält die hier in Klagenfurt konkret durchgeführte Restitution für „jedenfalls bemerkenswert und besonders erfreulich“. Dieser Akt sei nach erfolgten Forschungen bei anderen Institutionen nicht selbstverständlich.

Das Klagenfurter Ziel der aufwendigen Studie war immer die Restitution in natura. Allen rechtmäßigen Eigentümern bzw. deren Rechtsnachfolgern wurde die Rückgabe an ihre Institution angeboten. Mit der Restitution an die wahren Eigentümer im Rahmen eines Vortragsabends und einer Sonderausstellung setzte die Alpen-Adria-Universität Klagenfurt zumindest ein kleines Zeichen im Versuch einer Wiedergutmachung der NS-Verbrechen. Für Rektor Oliver Vitouch ist die Restitution von Büchern „angesichts der Dimension nationalsozialistischer Verbrechen nur ein winziger Schritt, aber auch symbolische Versuche der Wiedergutmachung sind wichtig.“ Er beschloss den Akt mit den Worten: „Restituimus, excusamus. – Wir restituieren und bitten um Entschuldigung.“

Die Benediktiner von St. Paul sowie die Rechtsnachfolger vom einstigen Kronprinz- Rudolf-Hospital und vom Konvent der Barmherzigen Brüder nahmen das Angebot gerne an. Die Rechtsnachfolger der Pfarre St. Margarethen ob Töllerberg, der Jesuiten in St. Andrä und der Ursulinen in Klagenfurt verzichteten auf die Rücknahme, weil es für die drei betreffenden Bücher vor Ort keine Verwendung mehr gibt. Diese verbleiben mit der entsprechenden Kennzeichnung im Bestand der Universitätsbibliothek, ebenso wie die restlichen sechs, die über die Reichstauschstelle Berlin an die Studienbibliothek Klagenfurt gelangten.

Die Forschungsergebnisse sind vollständig auf der Homepage der Universitätsbibliothek publiziert: ub.aau.at/ cms/die-ub/projekte/

für ad astra: Barbara Maier

Beiteiligten Restitution | Foto: aau/Thomas Hude

Die Beteiligten am Restitutionsprojekt am Tag der Übergabe am 20. Jänner 2016 in der Universitätsbibliothek: (v. l.:) Markus Stumpf (Bibliothekar, Universität Wien), Christa Herzog (Sondersammlungsleiterin der UB Klagenfurt), Paulus Kohler OH (Prior des Konvents der Barmherzigen Brüder in Graz), Thomas Petutschnig OSB (Direktor des Stiftsgymnasiums St. Paul), Oliver Vitouch (Rektor der AAU), Lydia Zellacher (Bibliotheksdirektorin der AAU), Alrun Benedikter (Bibliothekarin an der AAU).