Raum frei für das UNIKUM!
Niki Meixner will als Nachfolger von Gerhard Pilgram mehr junge und urbane Kunst ins Programm nehmen und das Publikum stärker teilhaben lassen. Ansonsten soll die außergewöhnliche Kultureinrichtung so eigensinnig und originär bleiben, wie sie seit 35 Jahren ist.
„Ich bin motiviert“, sagt Niki Meixner, der seit Jänner 2021 mit Emil Krištof gemeinsam das UNIKUM leitet. Motiviert zeigte sich 1986 auch das Gründungsteam um Gerhard Pilgram, der über 35 Jahre diese österreichweit einzigartige Einrichtung eines Universitätskulturzentrums geprägt hat. In der Abkürzung verbarg sich auch der Leitspruch „Ungestillte Neugier ist Kraftquell unserer Motivation“.
Bei personellen Veränderungen weht gerne frischer Wind, hier auch? Radikale Veränderungen stünden nicht bevor, entwarnt der 1973 in Villach/Beljak geborene Meixner: „Alles, was gut funktioniert, wird weitergeführt.“ Eine Verjüngung von Programm und Publikum sei aber ein erklärtes Ziel, innovative und experimentelle Formate sollen ausgebaut werden. So wird die Wiener Performancegruppe Nesterval, die Elemente des immersiven Theaters mit klassischen Spielmethoden verbindet, noch im Oktober eine interaktive „Kreuzfahrt“ auf einem Schiff in der Lagune von Marano unternehmen. Interaktion zwischen Besucher*innen und Darsteller*innen wird dabei großgeschrieben. „Das wird neu sein für unser Publikum“, so Meixner, der sich guten Zuspruch der UNIKUM-Gemeinde und neue Zuschauer*innen erwartet.
Diese UNIKUM-Gemeinde ist eine treue und große. Dem Verein gehören ca. 400 zahlende Mitglieder an, seine Obfrau ist Lydia Zellacher, Leiterin der Universitätsbibliothek. Die Summe der Mitgliedsbeiträge ist ungefähr gleich hoch wie die Jahresförderung der Stadt Klagenfurt. Weitere Fördermittel kommen vom Land und vom Bund, damit werden die Kunstprojekte realisiert. Ein wissenschaftlich- künstlerischer Beirat, bestehend aus Künstler*innen verschiedener Sparten und Universitätsmenschen, bestimmt den Kurs des UNIKUM mit. Inhaltliche Gestaltungsmöglichkeit hat auch Medienwissenschaftler Matthias Wieser als Leiter der „Besonderen Einrichtung der Universität“. Er ist Wilhelm Berger nachgefolgt, der nicht nur die Geschichte des UNIKUMs, sondern auch bei allen bisherigen Wanderbüchern mitgeschrieben hat.
Das UNIKUM hatte immer wieder Krisen zu überstehen, doch Gerhard Pilgram und Emil Krištof blieben widerständig auf Kurs und etablierten die Einrichtung so, dass die Universität Klagenfurt ohne sie nicht vorstellbar ist. Eine eigene Kulturstätte besitzt es nach wie vor nicht. „Unsere Spielstätte bleibt der öffentliche Raum, das heißt der Uni-Campus sowie Kärnten/ Koroška und seine südlichen Nachbarländern Slowenien und Friaul-Julisch Venetien“, sagt Meixner, „und dafür werden immer eigene gesellschaftsrelevante Projekte realisiert.“ Fertige Produktionen kommen nicht ins Programm. An den Grundpfeilern der Institution will er nicht rütteln. Dazu gehört auch die grenzüberschreitende Mehrsprachigkeit. Alle Texte werden in die eigentlich erste Kärntner Landessprache Slowenisch übersetzt, bei überregionalen Projekten kommt Italienisch dazu.
Besonders am Herzen liegt Meixner die Freiheit der Kunstschaffenden. Seine Aufgabe sieht er in der Öffnung von Räumen für die Kunst: „Das, was die Universität für die Forschenden macht, machen wir für die Künstler*innen.“ Die große Wertschätzung dem Künstler, der Künstlerin gegenüber habe er selbst in seinen Anfängen beim UNIKUM ab 2009, damals als Performancekünstler, positiv erlebt. Eine ähnliche Erfahrung haben Mitglieder von Urban Playground – ein Kollektiv der Klagenfurter Jugendkulturszene aus den Bereichen Parcour, Hip Hop, Breaking, Poetry Slam und Street art – gemacht. Im Juni 2021 wird das gemeinsame Projekt NEULAND/LEDINA als Tour durch die nordöstliche Peripherie Klagenfurts realisiert. Meixner glaubt, dass diese Intervention zu einem „Kennenlernen der jungen Szene und einer fruchtbaren Durchmischung des Publikums“ führen kann.
Das aktuelle UNIKUM-Programm trägt den der großen globalen Situation angepassten Titel VERSCHIEBUNGEN/PREMIKANJA/ SPOSTAMENTI. Das UNIKUM musste – wie auch sonst der Kunstbereich – die Einzeltermine schon mehrmals verschieben. Wie das derzeit bevorzugt im Probenraum oder auf digitalen Seiten stattfindende Kunstleben postcorona aussehen wird? Meixner, der ein großes Faible für Film und neuerdings auch für Podcasts besitzt, glaubt, dass parallele Strukturen gefahren werden und „dabei die Präsenzkunst umso sehnsuchtsvoller passieren wird.“ Parallel zum Präsenzformat würden sich ergänzende und eigenständige Online-Formate etablieren. Er befürchtet, dass die Schere wieder auseinandergehen wird, dass weniger potente Kulturinitiativen es schwerer haben werden als arrivierte große Einrichtungen.
Niki Meixner ist generell zuversichtlich und glaubt an eine gute Entwicklung für das UNIKUM, dazu tragen die verstärkten uni-internen Kooperationen bei. Als „besondere Universitätseinrichtung“ eigentlich von der Pflicht zu Lehre und Forschung befreit, nehmen seine Leiter gerne Lehraufträge an und widmen sich der Forschung mit künstlerischen Mitteln. Gut findet es Meixner auch, „dass derzeit einzelne Institute artistic research fördern und Projekte an der Schnittstelle von Kunst und Wissenschaft an Bedeutung gewinnen.“
für ad astra: Barbara Maier
Zur Person
Niki Meixner ist Ko-Geschäftsführer des UNIKUM, Tänzer, Performer, Filmemacher, Choreograph, Contact-Improvisations-Lehrer, philosophischer Artworker, Kindergartenpädagoge und Sozialpädagoge. Er lebt mit seiner Familie in Paternion.