„Pure Logik, die mich ständig aufs Neue überrascht“

Eine der ersten Doktorand*innen im FWF-doc.funds-Doktoratskolleg zu „Modeling – Analysis – Optimization of discrete, continuous, and stochastic systems“ ist Kathrin Spendier. Uns hat sie erzählt, welchen Reiz die Mathematik auf sie ausübt und welche Ziele sie mit ihrer Forschung erreichen möchte.

Kathrin Spendiers Dissertationsthema ist theoretisch und nicht einfach für Laien zugänglich: Im Zentrum ihrer Arbeit stehen stochastische Differentialgleichungen, die eingesetzt werden, um zeitabhängige Vorgänge zu modellieren, die neben deterministischen Einflüssen zusätzlich stochastischen Störfaktoren ausgesetzt sind. Mathematiker*innen und Statistiker*innen beschreiben so Phänomene wie instabile Aktienkurse oder physikalische Systeme, die thermischen Schwankungen unterliegen. Speziell wird der Fokus auf stochastische Differentialgleichungen mit irregulären Koeffizienten gelegt, bei denen der Langzeittrend unstetig ist oder superlinear wächst. Diese werden derzeit aufgrund ihrer Praxisrelevanz intensiv erforscht. Es gibt keinen allgemeinen Ansatz zur Ermittlung der Lösung, in manchen Fällen ist es nur möglich, die Lösung durch Ableiten zu verifizieren. Oft ist auch keine geschlossene Lösung zu erreichen. Ziel von Kathrin Spendiers Doktorarbeit ist es, numerische Diskretisierungsverfahren zu betrachten und zu entwickeln, um solche stochastischen Differentialgleichungen zu approximieren und die Konvergenz des jeweiligen Verfahrens zu prüfen. Einen neuen Ansatz bilden auch neuronalen Netzwerke, die in der künstlichen Intelligenz Anwendung finden. Wichtig hierbei ist es, die Rechenzeit – und damit den Ressourcenverbrauch – möglichst überschaubar zu halten.

Kathrin Spendier macht also Grundlagenforschung, die erst die Basis für spätere Anwendungsfelder ist. Wir fragen nach, wie sich ein Arbeitstag von ihr gestaltet und erfahren: „Ich lese viele wissenschaftliche Artikel und versuche, auf Mindmaps zusammenzufassen, mit welchen Ansätzen und welchen Ergebnissen die Kolleg*innen arbeiten. Dann versuche ich, darauf basierend, mein Problem darzustellen und einen eigenen Zugang zu entwickeln, den ich dann auch beweisen will.“

Seit Mai dieses Jahres arbeitet Kathrin Spendier an ihrer Dissertation, betreut von Michaela Szölgyenyi, co-betreut von Elena Resmerita und  ihrem internationalen Mentor Andreas Neuenkirch. Den größten Teil ihrer Arbeit muss sie unter den Rahmenbedingungen der aktuellen Pandemie erledigen. Wer allerdings denkt, dass es für eine Mathematikerin egal, ist, ob sie alleine arbeitet oder nicht, irrt: Der Austausch mit Kolleg*innen ist wichtig, um neue Ansätze für die eigenen Gedanken zu finden. Ein wöchentliches, aktuell online abgehaltenes, Meeting mit ihrer Betreuerin Michaela Szölgyenyi hilft ihr dabei, aber auch die Strukturen des nunmehr gestarteten FWF-doc.funds-Doktoratskollegs zum Thema „Modeling – Analysis – Optimization of discrete, continuous, and stochastic systems“. Insgesamt 14 Doktoratsstudierende aus verschiedenen mathematischen Disziplinen forschen im Kolleg.

Kathrin Spendiers Leidenschaft für die Mathematik geht schon auf ihre Schulzeit zurück. In der Unterstufe ging ihr im engagierten Unterricht ihres Mathematiklehrers am BG/BRG Mössingerstraße Klagenfurt, wie sie uns erzählt, der sprichwörtliche „Knoten auf“. „Von da an habe ich plötzlich alles in der Mathematik als logisch empfunden. Ich wusste schon damals, dass ich später dieses Fach studieren will. An der Universität erlebte ich dann zuerst zwar einen Kulturschock, weil die akademische Mathematik nochmals ganz andere Zugänge hat, aber ich habe dann immer mehr Gefallen an der Materie gefunden“, so Kathrin Spendier. Mathematik ist für sie „pure Logik, die mich ständig aufs Neue überrascht.“

Das Institut für Statistik an der Universität Klagenfurt wird von der jungen, erst 32-jährigen Professorin Michaela Szölgyenyi geleitet, deren Karriere bereits von zahlreichen großen wissenschaftlichen Erfolgen gekennzeichnet ist. Für Kathrin Spendier ist sie ein wichtiges role model: „An unserem Institut, wie auch am Institut für Mathematik, wird dafür geworben, dass sich Frauen nicht von dem noch immer von Männern geprägten wissenschaftlichen Betrieb abschrecken lassen und an sich glauben. Wir haben keinerlei Nachteile gegenüber Männern und werden stark gefördert.“ Eine akademische Laufbahn, auch nach ihrer Dissertationsstelle, ist für Kathrin Spendier durchaus reizvoll, wenngleich sie auch gegenüber anderen Wegen nicht abgeneigt ist. Hauptsache, so erzählt sie uns, „ich kann an Problemen arbeiten, deren Lösung für andere eine Basis für Innovationen sein kann.“

 

Auf ein paar Worte mit … Kathrin Spendier



Was wären Sie geworden, wenn Sie nicht Wissenschaftlerin geworden wären?

Höchstwahrscheinlich Lehrerin für Mathematik und Sport, da ich in meiner Jugend selbst sportlich sehr aktiv war.

Verstehen Ihre Eltern, woran Sie arbeiten?

Die Grundlagen meiner Arbeit verstehen sie zum Teil, aber über theoretische Details kann ich mit ihnen nicht diskutieren. Trotzdem unterstützen sie mich täglich und begleiten mich ermutigend auf meinem Weg.

Was machen Sie im Büro morgens als Erstes?

Wenn ich ehrlich bin, neben dem Checken von E-Mails, Kaffee trinken.

Machen Sie richtig Urlaub? Ohne an Ihre Arbeit zu denken?

Ich versuche es, aber es gelingt mir selten, da mir oft neue Ideen in den Sinn kommen.

Was bringt Sie in Rage?

Ich hatte noch nie wirklich eine Situation, wo ich in Rage geraten bin. Ich bin eher ein ruhiger Mensch.

Und was beruhigt Sie?

Sport. Es ist für mich der optimale Ausgleich zur Arbeit.

Wer ist für Sie der*die größte Wissenschaftler*in der Geschichte und warum?

Ich kann keinen einzelnen hervorheben, da alle meinen größten Respekt für ihre herausragenden Arbeiten und ihre wissenschaftlichen Errungenschaften verdienen.

Wovor fürchten Sie sich?

Vor schlechten Nachrichten, welche meine Familie betreffen.

Worauf freuen Sie sich?

Ich freue mich immer über gute Nachrichten.