Psychosoziale Arbeit: Kompetenzen fördern und Entwicklungen begünstigen
Stefan Weisbach absolvierte das Bachelor- und das Masterstudium der Psychologie an der AAU und war zudem mehrere Semester in der Österreichischen HochschülerInnenschaft engagiert. Während seiner Studienzeit organisierte er größere studentische Integrationsfußballturniere, beispielsweise unter Beteiligung von ASPIS, dem Psychosozialen Zentrum für Flüchtlinge und Opfer von Gewalt. Heute leitet er eine Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung in Kärnten und betreibt eine eigene Praxis für psychologische Beratung, Coaching und psychosoziale Betreuung in Klagenfurt.
Wie sind Sie bei Ihrer heutigen Stelle/Tätigkeit gelandet? Wie hat sich Ihre Karriere entwickelt?
Es war mir von Anfang an wichtig, Praxiserfahrungen zu sammeln. Ein Abschluss an der Universität, ohne im psychosozialen Feld tätig gewesen zu sein, kam für mich nicht in Frage. Ich wollte nicht einfach blindlings durchs Studium eilen, sondern so viel wie möglich mitnehmen. Irgendwann stieß ich auf eine Stellenanzeige für eine Fixanstellung in einer Wohngemeinschaft für fremduntergebrachte Kinder und Jugendliche und wurde eingestellt. Ein paar Jahre später wechselte ich dann in die Familienintensivbetreuung und wurde Fachbereichsleiter. 2014 habe ich dann meine Praxis für psychologische Beratung eröffnet, die seit 2015 eine akkreditierte private Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung ist. Es war nicht immer einfach, aber ich bin für alle positiven und negativen Erfahrungen und Chancen die sich eröffnet haben, sehr dankbar.
Was sind Ihre Arbeitsaufgaben? Wie sieht Ihr beruflicher Alltag aus und was ist es, das Ihnen in Ihrem Job besonders gefällt?
Meinen Arbeitsalltag erlebe ich als ziemlich ereignis- und abwechslungsreich – mit allen Höhen und Tiefen durch die ich meine Klient/Innen begeleite. Meine psychologische und psychosoziale Arbeit bewegt sich im Wirkungsradius zwischen innerfamiliären Problemstellungen und den äußeren Einflüssen auf das System Familie. Dabei arbeite ich mit Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen, Paaren und Familien, immer mit dem Ziel der Hilfe zur Selbsthilfe. Es geht nicht darum einfach Lösungen vorzugeben, sondern meine Aufgabe ist es Kompetenzen zu fördern und Entwicklungen zu begünstigen. Ich arbeite in meiner Praxis in Klagenfurt, mache aber auch Hausbesuche in ganz Kärnten. Manchmal bin ich auch in anderen Bundesländern. Das Schönste in meinem Beruf ist es Familien zusammenzuhalten, Konflikte zu klären und Fremdunterbringungen von minderjährigen Kindern und Jugendlichen zu verhindern. Es ist oft extrem beeindruckend zu welchen Veränderungen meine Schützlinge und ihre Familien in der Lage sind.
Würden Sie wieder an der AAU studieren?
Ja. Das ist eigentlich sogar geplant. Das Doktoratsstudium reizt mich sehr. Ich habe mich in der AAU immer gut aufgehoben und wohl gefühlt.
Fällt Ihnen eine nette Anekdote aus Ihrer Studienzeit ein?
Ich hatte mich mit ein paar Studienkolleginnen und Kollegen für ein gruppendynamisches Seminar angemeldet das wir unbedingt besuchen wollten. Das Problem war, dass der Kurs total überfüllt war und wir als niedrigere Semester aus der Lehrveranstaltung rausgeworfen wurden. Wir waren natürlich verärgert und mussten unsere Enttäuschung erst einmal beim Glühweinstand intensiv besprechen. Ein paar von uns warteten dann das Ende des ersten Lehrveranstaltungsabends ab um dann noch einmal mit dem Dozenten, Dr. Pesendorfer, um einen Platz in seinem Seminar zu verhandeln. Das hat ihn offenbar beeindruckt und wir durften ab dem nächsten Tag doch noch teilnehmen. An diesem Abend hat mir dann noch einer meiner engsten Freunde anvertraut, dass er Vater werden würde. Es wurde also noch ein richtig schöner Abend.
Was würden Sie heutigen Studierenden mit auf den Weg geben?
Studierende sollten meiner Meinung nach nicht einfach von Lehrveranstaltung zu Lehrveranstaltung hetzen, sondern so viel an zwischenmenschlichen und beruflichen Erfahrungen mitnehmen wie nur möglich. Gerade im psychosozialen Berufsfeld ist es so unglaublich wichtig, gefestigt zu sein. Im Hörsaal wird ein wirklich wertvolles Fundament für die spätere Arbeit vermittelt, aber ein gesundes Abgrenzungsverhalten, Belastbarkeit oder Empathiefähigkeit kannst du meiner Meinung nach nicht aus Büchern lernen. Dafür ist das Arbeiten von Mensch zu Mensch unverzichtbar. Daneben sollte man aber auch die anderen Vorzüge des Studierendenlebens genießen und die Zeit wirklich genießen.
Was vermissen Sie aus Ihrer Studienzeit (an der AAU) ?
Es haben sich während der Studienzeit sehr intensive und verlässliche Freundschaften entwickelt. Da bin ich sehr dankbar und demütig, weil es echte Freundschaften sind die lange gewachsen sind. Während unseres Studiums waren wir alle in Klagenfurt. Heute leben wir in verschiedenen Städten – teilweise hunderte Kilometer voneinander entfernt. Da kann man sich nicht mehr so spontan sehen.
Word-Rap:
Ein glücklicher AAU-Moment war …
… mein Abschluss – und die wertvolle Erfahrung, alles mit einer gewissen Beharrlichkeit erreichen zu können: ich habe quasi meine gesamte Studienzeit über parallel im psychosozialen Berufsfeld gearbeitet, während des Studiums meine wundervolle Frau geheiratet, eine Familie gegründet, mein Unternehmen aufgebaut und dann das Masterstudium Psychologie sogar noch mit Auszeichnung abgeschlossen. Der Studienabschluss war dann schon ein besonderer Moment für mich. Ich war ja früher alles andere als ein Musterschüler. Das alles hätte aber sicher nicht ohne Selbstreflexion funktioniert. Man muss auch als Studierender auf seine Kräfte und Ressourcen achten.
Aus Ihrer Studienzeit besitzen Sie noch …
… Fachliteratur, den Studierendenausweis und natürlich meine Statistikunterlagen – da steckt viel zu viel Zeit und Arbeit drinnen, als dass ich die einfach so entsorgen könnte. Die haben inzwischen auch einen symbolischen Wert: man sollte sich vor Problemen nicht verstecken, sondern sie als Herausforderung – also als Challenge annehmen. Für meine Statistikchallenge habe ich dann aber doch etwas länger gebraucht.
Wenn Sie noch einmal studieren würden, würden Sie …
… wieder genau darauf achten ein möglichst praxisnahes Psychologiestudium auszuwählen. Das war damals auch der Grund weshalb ich überhaupt nach Klagenfurt gekommen bin – die Praxisnähe. Ich hatte das Privileg einige ganz großartige Dozentinnen und Dozenten zu hören und mitzuerleben: Klaus Ottomeyer, Luise Reddemann, Jutta Menschik-Bendele, Axel Krefting, Ewald Krainz und natürlich Philipp Mayring. Dafür bin ich sehr dankbar. Da habe ich vieles mitnehmen können.