Online-Tools in der Lehre: „Wir dürfen in der Euphorie nicht jene übersehen, die aus verschiedensten Gründen nicht mitkommen.“
Die Maßnahmen aufgrund der aktuellen COVID-19-Pandemie (Corona) machen es derzeit nötig, auf Präsenzlehre zu verzichten und die Lehre digital durchzuführen. Ursula Doleschal ist Institutsvorständin am Institut für Slawistik und bietet all ihre Lehrveranstaltungen über E-Learning an. Wir haben mit ihr gesprochen, um zu erfahren, wie es ihr im Home-Office geht, welche Online-Tools sie nutzt und wie sie die derzeitige Situation meistert.
Wie geht es Ihnen im Home-Office, wie gelingt Ihnen die Umstellung?
Für mich ist die Umstellung auf Home-Office gar nicht schwierig. Für die geistige Arbeit ist es sogar sehr angenehm, sozusagen im Elfenbeinturm zu sitzen und nicht immer von einem zum anderen Termin zu müssen. Man hat mehr Ruhe und auch genug Zeit, um sich um die Arbeit zu kümmern.
Bieten Sie derzeit Lehrveranstaltungen im E-Learning an?
Ja, ich biete alle meine LVs im E-Learning an, vom ersten Tag an. Ich habe zwei LVs zusammen mit einer Kollegin, mit Frau Dr. Zrinka Kolaković, die Assistentin am Institut für Slawistik ist, und 2 LVs, die ich alleine halte. Wir haben am Institut von Anfang an beschlossen, dass wir sofort auf E-Learning umstellen.
Waren die LVs schon vor der Pandemie als Online-LVs geplant oder schon als Präsenz-LVs?
Nein, nein. Alles war als Präsenzlehrveranstaltung geplant, wir haben überhaupt nicht mit dieser Situation gerechnet. Aber die meisten verwendeten ja auf jeden Fall schon Moodle, insofern ist das jetzt ‚nur‘ ein Schritt weiter, würde ich sagen.
Welche Tools verwenden Sie?
Für mich war es von Anfang an ganz wichtig, dass ich mit den Studierenden in Augenkontakt bleibe, dass wir miteinander sprechen können. Dafür wollte ich die uniinternen Angebote und Videoformate nutzen. Big Blue Button hat viele Funktionalitäten, und ist für Kleingruppen gut geeignet, nur leider funktioniert es nicht immer. Wir haben ja relativ kleine Gruppen, wenn von 10 Studierenden 4 nicht mitmachen können, weil sie nichts hören oder nichts sehen, oder wir sie nicht sehen, dann geht das nicht. Deshalb verwende ich mit meiner Kollegin zusammen jetzt vor allem Skype, das hat sich als das Stabilste erwiesen. Es erfüllt unsere Bedürfnisse, dass man den Bildschirm teilen kann, dass man einen Chat hat, dass man sich sieht und miteinander sprechen kann. Viele Kolleg*innen sind gleich auf Zoom umgestiegen. Mit dem sind die meisten sehr zufrieden und haben keine Probleme. Ich wollte lieber die internen Systeme ausprobieren.
Ich vertone außerdem meine Powerpoint-Folien, das war etwas, das sich die Studierenden gewünscht haben. So können sie die einzelnen Folien abhören und leichter lernen. Bei Powerpoint gibt es, während man präsentiert, die Möglichkeit mitzuschneiden. Das ist eigentlich sehr praktisch, weil es technisch eher niederschwellig ist und die Datei zum Upload auch nicht so groß wird.
Gibt es noch weitere/andere Herausforderungen?
Der Umstieg auf E-Learning selbst war vielleicht gar nicht das Problem. Mich stören eher die Leerläufe. Mich macht es nervös, wenn man eine halbe Stunde braucht, bis man alle Studierenden vor dem Bildschirm hat. Diese Zeitverzögerungen nerven mich. Mir war gar nicht bewusst, dass ich keinen sehr modernen Internetvertrag habe und dass gerade Uploads sehr lange dauern. Manchmal habe ich Angst, ob die Dateien überhaupt hochgeladen werden. Das gehört auch zu den technischen Herausforderungen. Man ist dafür oft gar nicht gerüstet, weil man normalerweise ins Büro geht, um solche Sachen zu machen.
Die Vorbereitungen brauchen mehr Zeit und es ist schwer, herauszufinden, wie es den Studierenden mit der Situation geht. Es ist auch eine Herausforderung, die Studierenden bei der Stange zu halten. Aber das scheint bei mir und vielen meiner Kolleg*innen gut zu klappen. Die Studierenden sind eigentlich sehr diszipliniert und verwenden diese Systeme sehr gerne. Es hat sich noch niemand wirklich beschwert.
Aber dafür lernt man dazu! Man lernt Neues kennen.
Ja, man lernt wirklich dazu. Ich bin auch sehr stolz auf meine Kolleg*innen. Teilweise sind wir ja von Anfang an auf E-Learning umgestiegen und die Sprachkurse laufen gut. Wir haben auch von den Studierenden gesagt bekommen, dass sie es sehr schätzen, dass die Kurse, ohne Unterbrechung, hauptsächlich mit Zoom, einfach weiterlaufen. Für die Leute, die das davor noch nie gemacht haben, finde ich das ganz toll.
Wo sehen Sie Unterschiede zwischen E-Learning und Präsenzunterricht?
Die Vorbereitung für den Online-Unterricht nimmt für die Lehrenden sehr viel Zeit in Anspruch. Ich selbst empfinde den Unterschied zwischen Online- und Offline-Unterricht gar nicht so groß, weil diese Videoformate den direkten Kontakt ja fast simulieren.
Aber es gibt schon einen Unterschied. Dadurch, dass ich die Folien der Vorlesung schon im Vorhinein zur Verfügung stelle, halte ich dann in der eigentlichen Vorlesungszeit eine Videokonferenz und gebe den Leuten damit die Möglichkeit, die Präsentation mit mir zu besprechen. Das ist etwas anders als ‚normal‘. So gibt es die Vorlesung dann in zwei Schritten. Das führt zu einem anderen Zeitaufwand, als man ihn normalerweise hat. Er ist größer, auch wegen des Vertonens der Folien. Es kann schon passieren, dass ich eine Folie zwei- oder dreimal aufnehme, weil ich stocke oder mir etwas nicht einfällt. Das nimmt jetzt relativ viel Zeit in Anspruch, allerdings kann man eine vertonte Vorlesung auch in Zukunft verwenden. Das habe ich fest vor.
Sehen Sie auch irgendwo Grenzen? Könnten Sie sich diese Situation auf Dauer vorstellen?
Ja, natürlich gibt es Grenzen. Ich denke gerade vor allem an die Sprechstunden. Man kann natürlich auch jetzt E-Mails senden, aber es ist doch etwas Anderes, wenn man jemanden ein Buch in die Hand drücken kann und sagen kann „Schau dir die Seiten von da bis da an“. Das ist eine der größten Einschränkungen, dass man die Bibliothek im Moment nicht nutzen kann. In der Slawistik gibt es zwar viele elektronische Materialien, aber gerade Lehr-, Handbücher, Übersichtswerke und die allerletzte Literatur sind noch nicht digitalisiert.
Das ist jetzt eine Beschränkung, und es würde mir leid tun, darauf verzichten zu müssen. Ich gehe sehr gerne in eine Bibliothek, ich habe sehr viele Kopien zuhause und es ist etwas, das unmittelbarer ist, und etwas, wo man sich leichter über etwas verständigen/austauschen kann als in der derzeitigen Situation.
Auf die Dauer möchte ich natürlich mit den Studierenden wieder zusammenarbeiten. Es gibt auch Dinge, die einem im Präsenzunterricht leichter fallen. Gruppenarbeiten sind leichter, wenn man dabei sein kann und von Gruppe zu Gruppe gehen kann, um zu schauen was die Leute machen. Das ist leichter, und mir auch sympathischer, als die Studierenden in Videoräumen sich selbst zu überlassen. Es funktioniert so auch recht gut, nur wissen wir natürlich noch nicht wie die Resultate aussehen werden.
Ein abschließendes Wort?
Diese Situation der Fernlehre, die wir durch diese Krisensituation erleben, sehe ich als eine große Chance, dass wir selbst sehen, wie es ist, und uns damit beschäftigen, neue Formate auszuprobieren, zu sehen, was geht und was nicht geht.
Ich würde mir wünschen, dass die technischen Probleme von allen Seiten bearbeitet werden. Wir lernen auch unsere Kapazitäten kennen. Die, die wir haben und die wir bräuchten, für die niemand gerüstet war.
Ich sehe aber auch eine andere Seite. Es ist in dieser Situation schwierig, manche Studierenden zu erreichen, weil nicht alle positiv auf diese Umstellung reagieren und manche verschwinden quasi einfach. Mir hat eine Studierende geschrieben, dass sie ihre Arbeit verloren hat und sie deshalb das Seminar nicht weiter besuchen kann, da sie dringend eine neue Arbeit suchen muss. Das ist natürlich eine Situation, die mir Sorgen bereitet. Wir dürfen in der Euphorie nicht jene übersehen, die aus verschiedensten Gründen nicht mitkommen. Daran müssen wir denken. Ich habe keine Lösung dafür, aber man darf das nicht übersehen.
Es ist auch eine Krisensituation für alle.
So ist es. Ein weiterer Gedanken, den wir ja alle haben: Wir sind in diesem Ausnahmejahr und trotzdem wird die Prüfungsaktivität gezählt. Auch deshalb sind wir alle sehr motiviert, Studierende gut zu versorgen. Ich halte es aber für eine Zumutung seitens des Ministeriums, dass es diese Zählung in so einem Jahr noch nicht abgeblasen hat. Das ist fast fahrlässig, auch, wenn ich diese Sicht nachvollziehen kann: Ich sehe darin eine Gefahr. Denn, wenn das jetzt sehr gut klappen sollte und wir gute Zahlen haben, könnte man die Frage stellen: „Wofür braucht man denn so viele Leute und Büros?“. Diese diffuse Sorge habe ich schon.
Zur Person
Ursula Doleschal ist Institutsvorständin am Institut für Slawistik. Sie ist seit 2003 Universitätsprofessorin am Institut für Slawistik der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt und seit 2004 wissenschaftliche Leiterin des SchreibCenters. Sie habilitierte 2000 an der Wirtschaftsuniversität Wien und erlangte so die Venia legendi in slawischer Sprachwissenschaft. Dort war sie auch als Universitätsassistentin und später als außerordentliche Universitätsprofessorin tätig. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Sprache und Geschlecht, Wissenschaftliches Schreiben, Mehrsprachigkeitsforschung, Feministische Linguistik, Grammatiktheorie und Morphologie