Nie mehr unnötig warten, wenn der Berg ruft

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Wanderer und Skifahrer bei einer Talstation eint das Ziel: Die Gondel soll sie rasch nach oben bringen. Die Suche nach dem perfekten Algorithmus, der Ein- und Aussteigen zwischendurch berücksichtigt, hat bereits begonnen.

Wer mit der Gondel auf den Gipfel fährt, will vor allem eines nicht: lange in der Schlange stehen. Jede Stehzeit ist lästig, wenn die Bergwanderung oder das Skivergnügen lockt. Geht es über mehrere Stationen aufwärts, multipliziert sich das Problem für die Betreiber. Denn auch dort wollen Freizeithungrige zusteigen, es braucht also noch freie Plätze. Mitunter ein Zwiespalt: „Der Kunde will möglichst kurz warten, der Betreiber der Bergbahn den Andrang möglichst wirtschaftlich managen“, sagt Richard Kobler von Skidata. Das auf Zutrittslösungen spezialisierte Unternehmen sucht daher mit Kärntner Forschern nach neuen Wegen, das System zu verbessern.

Entscheidend dafür soll ein neuer Algorithmus (siehe Lexikon) sein, der die unzähligen Szenarien eines Netzes an Seilbahnstationen berücksichtigt, erzählt Projektleiterin Evsen Yanmaz von den Klagenfurter Lakeside Labs. Diese finden sich – wie auch ein Forschungszentrum von Skidata – im Lakeside Park. Dort werden Projekte der Uni Klagenfurt und Unternehmenspartnern durchgeführt. Man sei durch das Reden zusammengekommen, berichtet Kobler. Daher ist Amacat (Adaptive Access Management for Cabine-Based Transport Systems) auch nicht das erste im Verbund durchgeführte Projekt.

Die Theorie der Warteschlange

Eine wichtige Basis für die aktuelle Forschung bildet die Warteschlangentheorie: Wie lassen sich Warteschlangen bewerten, wie organisieren und vor allem: wie abbauen? „Das Zutrittssystem wirkt wie ein Ventil für die optimale Lösung“, erklärt Kobler. Mitunter müssten Gondeln auch leer passieren, etwa wenn der Andrang bei nachfolgenden Stationen höher ist, so der TU-Wien-Absolvent mit Fokus auf Verkehrswesen.

Schon jetzt lenkt das von Skidata entwickelte „EasyBoarding.Gate“-System in den drei Skiregionen Bad Gastein (Salzburg), Mayrhofen und Nauders (beide Tirol) den Besucherstrom automatisch. Es zählt die Menschen und lässt nur so viele durch das Einstiegsportal vor der Gondel, wie auch tatsächlich mitfahren können. Über Ampeln und leicht verständliche Statusanzeigen erfahren die Fahrgäste, welche Kapazitäten gerade wo zur Verfügung stehen.

Das neue System soll noch intelligenter sein: „Das Zugangsmanagement soll sich an Besucherströme auch selbstorganisiert anpassen können“, sagt Yanmaz. Also wenn tagsüber mehr oder weniger Menschen kommen. Wie viele Besucher lasse ich in die Gondeln, damit das Angebot auch für jene in Folgestationen attraktiv bleibt? Für die Lösung hat sich ein interdisziplinäres Team um die Elektrotechnikerin versammelt, auch Wirtschaftswissenschaftler sind an Bord.

Zwei Jahre lang wird nun, u. a. finanziert vom Kärntner Wirtschaftsförderungsfonds, in den Lakeside Labs, der Uni Klagenfurt und bei Skidata getüftelt. Dann wollen die Forscher die Simulationen gemeinsam mit ihrem Wirtschaftspartner auch in der Praxis testen. Die Gondeln könnten aber erst der Anfang sein: Ein intelligentes System, das den Zugang zu Transportmitteln regelt, ließe sich genauso im öffentlichen Verkehr einsetzen, stellt Kobler in Aussicht.

Da und dort wird aber entscheidend sein, wie der Kunde das Angebot wahrnimmt: Denn wie wir Fairness empfinden, ist immer eine Frage der Perspektive. Oder der Station, an der wir gerade stehen.

Originalbeitrag: http://diepresse.com/home/science/5106282/Nie-mehr-unnotig-warten-wenn-der-Berg-ruft