Neue Technologie soll Interferenz in kabellosen Netzwerken vorhersagen
Wenn zwei MusikerInnen gleichzeitig in derselben Konzerthalle spielen, wird dies weder gut klingen noch wird jemand deren Texte verstehen. Ähnlich verhält es sich, wenn sehr viele Daten zwischen Sensorknoten ausgetauscht werden. Mahin Atiq versucht, die dabei entstehende Interferenz in kabellosen Netzwerken vorherzusagen.
Der Einsatz von kabellosen Geräten ist weit gediehen: In der Industrie gibt es häufig Umgebungen, die überwacht oder automatisch gesteuert werden sollen. Zusätzlich kommen immer mehr Roboter zum Einsatz, die mit Sensoren ausgestattet koordiniert ihre Aufgaben erledigen. Sensoren wie Kameras oder Thermometer erheben Daten, die über kabellose Verbindungen ausgetauscht werden. Wenn aber viele Geräte auf engem Raum stehen und viele über dieselben Kanäle kommunizieren, kommt es beim gleichzeitigen Versenden der Daten häufig zu Interferenz; ähnlich dem Konzertbeispiel von nicht aufeinander abgestimmten Musikern. „So erhalten die vorgesehenen Empfänger nicht das, was sie erhalten sollten“, so die Doktorandin Mahin Atiq, die in der Forschungsgruppe von Christian Bettstetter am Institut für Vernetzte und Eingebettete Systeme arbeitet.
Mahin Atiq hat sich zum Ziel gesetzt, diese Interferenz vorhersagen zu können. Zu Beginn des Interviews stellt sie die daher die Frage: „Möchten Sie möglichst viel über Ihre Zukunft wissen?“ Sie spricht damit etwas an, das viele wollen; nicht zuletzt, um sich auf das, was kommt, einstellen zu können. Für die Forscherin ist der Blick in die Zukunft für das möglichst reibungslose Funktionieren der Technologie wichtig: Desto mehr die Netzwerkdesigner über möglicherweise auftretende Interferenz wissen, desto besser können sie sich auch darauf vorbereiten. Atiq glaubt, wenn dies erfolgreich funktioniert, könnte die Vorhersage von Interferenz zu einem bedeutenden Baustein im Design von kabellosen Netzwerken werden. Gefragt danach, wie sie in die Zukunft blickt, erklärt sie: „Um etwas vorhersagen zu können, muss man verstehen, welche Eigenschaften ein System hat und auch einen Blick in die Vergangenheit werfen.“ Mit Hilfe der Stochastik-Geometrie aus der Mathematik analysiert Atiq also die Interferenz, um zu verstehen, wie sie sich über Zeit und Raum verhält. Die Arbeit an der Literatur hat Atiq beinahe abgeschlossen; nun geht es ihr darum, an der Entwicklung der Technik weiterzuarbeiten, um Interferenz-Vorhersagen zu erreichen.
In ihrer Forschungsgruppe findet sie dafür ein optimal unterstützendes Umfeld, wie sie erzählt: „Als ich 2015 hierher kam, hatte ich mich auch an anderen europäischen Universitäten beworben. Im persönlichen Bewerbungsgespräch in Klagenfurt merkte ich aber bald: Das sind die Menschen, mit denen ich zusammenarbeiten will.“ Ihr ganzes Leben hat Mahin Atiq in Millionenstädten gelebt: Aufgewachsen in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad, wo sie auch ihr Bachelor-Studium absolvierte, ging sie für den Master nach Seoul, Südkoreas Hauptstadt. Ob ihr in Klagenfurt nicht langweilig werde? „Ich war es bisher gewohnt, in großen Städten zu leben, die gemeinhin dafür bekannt sind, dass sie viel Anonymität bieten. Verglichen damit, war für mich das Gefühl, Teil einer viel kleineren Menge von Menschen zu sein, neu. Das gab mir die Möglichkeit, neue Dinge an mir kennenzulernen. Ich knüpfte auch schnell Kontakte; besonders im positiven Umfeld am Institut.“ In Klagenfurt gebe es eine bunte Vielfalt an Menschen, die ihr offener als anderswo erscheinen. Auch die Sprachbarriere war bald bewältigt: „Ich stellte schnell fest, die meisten können Englisch. Hier kann ich also überleben.“ Mittlerweile kann Atiq ihren Alltag auch in deutscher Sprache bewältigen.
Mahin Atiq wusste schon früh, dass sie Forscherin werden will. Einer ihrer Onkel ist ein bekannter Wissenschaftler im Feld der Umwelt-Radioaktivität. Bereits als Kind konnte sie seine Leidenschaft für das Entdecken neuer Erkenntnisse beobachten. Atiq wusste also, was sie wollte, und hat sich mit Unterstützung ihrer Eltern, die ebenfalls Master-Abschlüsse in Naturwissenschaften haben, Schritt für Schritt auf ihr Ziel zubewegt. In diesem familiären Umfeld war es für sie natürlich, in die Ingenieurwissenschaften zu gehen. Sie hörte viel öfter: „Du schaffst das!“ als ihr je gesagt wurde, dass etwas nicht ginge. Auf dieses starke Selbstbewusstsein aufbauend blickt sie auch in die Zukunft: Derzeit beginnt sie damit, auch Lehrveranstaltungen anzubieten, und ist gespannt zu sehen, ob ihr das Vermitteln von Wissen an Studierende Freude bereitet. Mahin Atiq will jedenfalls die Welt verbessern; und wenn sie das sagt, glaubt man ihr sofort, dass sie dies auch ein Stück weit schaffen wird. Am Herzen liegt ihr unter anderem die Nachhaltigkeit, die in allen Wissenschaftsgebieten an Bedeutung gewinnen werde. Wenn Atiq über ihre Arbeit spricht, fallen häufig Begriffe wie Inspiration und Leidenschaft. Da gibt es kaum ein Zögern, ein Zweifeln. Ihr Blick richtet sich nicht nur in die Zukunft der Interferenz, sondern auch in die Zukunft einer immer stärker von Technologien geprägten Welt. Mahin Atiq will auch etwas über ihre Zukunft wissen, aber in der starken Gewissheit, dass sie gut wird. Weil sie von Menschen wie ihr mitgestaltet wird.
Auf ein paar Worte mit … Mahin Atiq
Was wären Sie geworden, wenn Sie nicht Wissenschaftlerin geworden wären?
Ich kann nie davon genug bekommen zu backen und süße Leckereien herzustellen. Ich denke also, ich wäre eine Bäckerin oder Konditorin geworden und hätte mein eigenes Geschäft eröffnet.
Verstehen Ihre Eltern, woran Sie arbeiten?
Ich würde sagen, sie verstehen bis zu einem bestimmten Punkt, woran ich arbeite. Die Werkzeuge, die ich in meiner Forschung verwende, sind für sie recht abstrakt.
Was machen Sie im Büro morgens als erstes?
Ich lese, was ich am Tag davor vor Feierabend in mein Notebook getippt habe, damit ich weiß, wo ich heute ansetzen muss.
Machen Sie richtig Urlaub? Ohne an Ihre Arbeit zu denken?
Ich wurde zu einer großen Anhängerin von Urlaub, weil ich mich selbst als starker motiviert und begeistert an der Arbeit nach den Ferien erlebe. Ich gebe mein Bestes, einmal in sechs Monaten eine Woche frei zu haben, um meine Batterien aufzuladen. In Wahrheit muss ich aber eingestehen: Auch im Urlaub denke ich immer wieder an die Arbeit.
Was bringt Sie in Rage?
Faule Menschen
Und was beruhigt Sie?
Darüber zu sprechen, was mir Sorgen bereitet
Wer ist für Sie die größte WissenschaftlerIn der Geschichte und warum?
Es gibt so viele große Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Geschichte. Besonders tief bewundere ich den griechischen Mathematiker Archimedes für seine annähernde Berechnung von pi (π), die ich in meiner Forschung jeden Tag verwende.
Warum fürchten sich so viele vor den technischen Wissenschaften?
Ich denke, dass die Angst daher rührt, dass sich viele selbst unterschätzen. Ich glaube fest an die Fähigkeit des menschlichen Geistes, sich jede Fertigkeit aneignen zu können, wenn man den Willen aufbringt, dafür zu arbeiten. Von nichts kommt nichts.
Wovor fürchten Sie sich?
Meine Lieben zu verlieren
Worauf freuen Sie sich?
Neue Dinge zu lernen, neue Wahrheiten zu finden